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    Tal der Wölfe - Irak
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tal der Wölfe - Irak
    Von Christoph Petersen

    „Diese Beleidigung geht nicht gegen uns, sondern gegen das türkische Volk!“ Mit fadenscheiniger Begründung durchsuchen am 4. Juli 2003 amerikanische Streitkräfte das Quartier einer 11-köpfigen türkischen Spezialeinheit im Nordirak und nehmen deren Mitglieder anschließend in Gewahrsam. Ohne auf die Ehre der Soldaten Rücksicht zu nehmen, werden ihnen vor dem Abtransport Säcke über den Kopf gezogen – eine Schmach, die in der Türkei bis heute nicht überwunden ist. Grund genug für die Macher der äußerst erfolgreichen Fernseh-Serie „Im Tal der Wölfe“ den ersten Kinoauftritt der Agententruppe um Anführer Polat Alemdar mit der „Sackaffäre“ in Beziehung zu setzen. Das Ergebnis - „Im Tal der Wölfe - Irak“ - ist gleichzeitig mehr als fragwürdig, aber auch hochinteressant und ein wichtiger Schritt zum Verstehen (sehr eingeschränkt: „Verständnis“) der türkischen Kultur. Auf keinen Fall aber sollte man auf den Film wie der bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber reagieren, der ihn als "rassistischen, anti-westlichen Hassfilm“ verschrieen hat und Kinobetreiber aufforderte, „Im Tal der Wölfe - Irak“ aus ihrem Programm zu nehmen.

    Süleyman Aslan ist einer der elf in ihrem Stolz verletzten Männer. Vor seinem Selbstmord schreibt er noch einen an Polat Alemdar (Necati Sasmaz) adressierten Abschiedsbrief, in dem er die Hintergründe seiner Tat erklärt. Sofort macht Alemdar sich mit seinem Team auf in den Irak, um dort die Umstände der „Sackaffäre“ zu ergründen. Schnell ist der amerikanische Befehlshaber Sam William Marshall (Billy Zane, Titanic), der Turkmenen, Kurden und Araber gegeneinander ausspielt und menschliche Organspender für den Doktor (Gary Busey) „heranschafft“, als Schuldiger ausgemacht. Ihr erster Anschlagsversuch in einem Hotel scheitert daran, dass der rücksichtslose Marshall zu seinem Schutz einen kompletten kurdischen Kinderchor mitbringt, aber Alemdar und seine Leute geben nicht auf. Unterdessen hat sich auch die junge Witwe Leyla (Bergüzar Gökze), deren Hochzeit von Marshalls Leuten überfallen wurde und deren Bräutigam dabei ums Leben kam, aufgemacht, um Marshall zu töten. Als sich Leylas und Alemdars Wege kreuzen, beschließen sie gemeinsam gegen Marshall und seine Schergen vorzugehen…

    Würde man alle politischen Erwägungen bei der Betrachtung von „Im Tal der Wölfe - Irak“ außen vor lassen, müsste man ihn als bestenfalls durchschnittlichen Action-Streifen beschreiben, der im Mittelteil die eine oder andere Länge aufweist. Aber natürlich erlaubt der Film eine solche Sichtweise auf keinen Fall. Als erstes fällt der blinde Anti-Amerikanismus auf – wobei die Darstellung der US-Soldaten als dumme Muskelprotze mit dicken MGs das mit Abstand Harmloseste ist. Nachdem auf einer Hochzeit nach altem Brauch von den Gästen in die Luft geschossen wurde, lässt der amerikanische Major (Tito Ortiz, Born 2 Die) mit der Begründung "So, jetzt sind sie Terroristen." das Fest stürmen, wobei Frauen ohne Grund geschlagen und ein unschuldiger kleiner Junge sogar erschossen wird. Beim Abtransport merkt ein GI an, dass die Gefahr groß sei, dass die Gefangenen in dem engen Lastwagen ersticken könnten, woraufhin der Major Luftlöcher mit seinem MG in den Wagen schießt und dabei die Hälfte der „Ladung“ ihr Leben verliert.

    Als Rechtfertigung für diese Szenen könne man anführen, dass Hollywood mit Amerikas Feinden in den letzten Jahrzehnten ähnlich umgegangen ist. Aber Filme wie Rambo III oder zuletzt Stealth wurden aus diesen Gründen ja auch zu Recht verrissen - das „die Anderen haben es doch auch gemacht“-Argument zieht also nicht. Weiter kommt hinzu, dass die US-Filme aus einer Mischung aus Unbedarftheit und dem ungerechtfertigten Selbstverständnis der Amerikaner als die Guten in der Welt heraus gemacht wurden, während bei „Im Tal der Wölfe - Irak“ ganz eindeutig Hass die treibende Kraft war. Gelungene Kritik-Szenen ergeben sich aus den Nachstellungen der Foltervideos aus Abu Ghraib inkl. dem Übereinanderstapeln von nackten Männern, wobei die Sequenz allerdings total beliebig in den Film integriert wurde und keine wirkliche Anbindung zur eigentlichen Geschichte hat – so könnte man auch diesen Szenen wieder nur einfache Stimmungsmache unterstellen.

    Weiter werden dem Film eine anti-semitische und eine anti-christliche Haltung vorgeworfen. Ersteres lässt sich nach der perfiden Einführung des jüdischen Doktors nicht von der Hand weisen. Zunächst staucht er den Major mit den Worten "Menschen sind keine Tiere" zusammen, wodurch er sich kurzzeitig die Sympathien der Zuschauer sichert, bevor man langsam begreift, dass es ihm nur darum geht, dass er die Organe gesunder Menschen besser nach Tel-Aviv, London und New York verkaufen kann. Eine anti-christliche Haltung hingegen kann man dem Film allerdings nicht unterstellen. Zwar ist Marshall christlicher Fundamentalist, der im Irak seinen eigenen Gottesstaat errichten will und dafür sogar tausende von Kindern opfern würde, aber seine egomane Sichtweise wird nicht auf alle Christen übertragen. Er setzt seine irren Visionen als Einzelgänger um und erinnert so ein wenig an die Rolle des Colonel Kurtz (Marlon Brando) in Apocalypse Now. Und wenn in amerikanischen Filmen islamische Fundamentalisten als Bösewichte auftreten, wird man kaum einen davon als anti-islamisch hinstellen können.

    Bei der ganzen Diskussion um die verschiedenen „Antis“ wird zu häufig vergessen, wofür der Film denn eigentlich eintritt. Und zwar wird in der als Vorbild hingestellten Rolle des Scheichs, Leylas Ziehvater, deutlich, dass „Tal der Wölfe - Irak“ sich für eine Politik der Geduld einsetzt. Als Leyla sich nach dem Tod ihres Bräutigams als Selbstmordattentäterin an Marshall rächen will, hält der Scheich sie zurück: "Wie kann jemand, der den Islam versteht, sich einem solchen Zorn hingeben?“ Und auch die Entführung eines englischen Journalisten, die visuell den hinlänglich bekannten Erpresservideos nachempfunden wurde, beendet er unblutig. Zwar ist der Scheich kein Pazifist, das gezielte Snipern von US-Soldaten wird sogar gutgeheißen, aber er betrachtet den Islam als eine Friedensreligion mit einem Kampfrecht, das Unschuldige mit allen Mitteln beschützen soll – das US-Soldaten für ihn keine Unschuldigen sind, ist dann natürlich noch eine andere Frage. So wechseln sich in „Tal der Wölfe - Irak“ populistische Hassreden mit angebrachter Kritik ab, es gibt unangebrachte Vereinfachungen genauso wie hochkomplexe Passagen. Aber egal zu welchem Ergebnis in Bezug auf den Film auch kommen mag, man sollte sich dabei viel Zeit zum Nachdenken nehmen und es sich auf keinen Fall zu einfach machen – wie etwa ein gewisser Herr Stoiber...

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