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    Medianeras
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Medianeras
    Von Asokan Nirmalarajah

    In einem Film über verliebte Großstadtneurotiker darf er nicht fehlen: Woody Allen. Auch in Gustavo Tarettos melancholisch-humorvoller Großstadtromanze „Medianeras" absolviert der New Yorker Filmemacher einen Gastauftritt, wenn auch nur in Form eines Ausschnitts aus seinem vielleicht besten Film: „Manhattan" von 1979. Es handelt sich um die bittersüße Schlussszene zwischen ihm und einer jungen Mariel Hemingway, die sich die zwei Protagonisten von Tarettos Komödie in der Einsamkeit ihrer tristen Einzimmerwohnungen ansehen, ohne zu ahnen, dass auch sie sich bald sprachlos und mit verliebten Blicken gegenüberstehen werden. „Medianeras", das Langfilmdebüt des argentinischen Kurzfilmregisseurs Taretto, das sich unter anderem auch auf der Berlinale zum Publikumshit mauserte, beginnt zunächst als radikaler Gegenentwurf zu Allens Schwarz-Weiß-Klassiker, um dann doch entschieden optimistischer zu enden. Dort wie hier spielt der urbane Schauplatz der Geschichte über junge, intelligente Menschen auf der Suche nach der großen Liebe eine tragende Rolle. Doch wo es sich bei „Manhattan" um eine Liebeserklärung an New York handelte, wird hier mit Buenos Aires abgerechnet – so amüsant wie geistreich, so satirisch wie romantisch.

    Martin (Javier Drolas), Mitte 30, Webdesigner von Beruf, arbeitet von seiner kleinen, tageslichtfernen Einzimmerwohnung, in der er alleine mit dem kleinen Terrier Susú lebt, seitdem ihn seine Freundin für eine Karriere in Amerika sitzen gelassen hat. Mariana (Pilar López de Ayala), Anfang 20, ist studierte Architektin und teilt sich ihre vier Wände mit den männlichen Schaufensterpuppen, die sie in Ermangelung einer besseren Stelle für Einkaufshäuser dekorieren muss. Auch sie leidet unter einer Trennung, die sie in ihrem Fall von ihrem langjährigen Freund samt Dutzenden unausgepackten Umzugskartons zurück in ihre alte Wohnung geführt hat. Was die zwei einsamen Tagträumer, die direkt gegenüber voneinander leben und sich immer wieder über den Weg laufen, nicht ahnen: Sie sind füreinander bestimmt. So scheint es auch nur eine Frage der Zeit, bis der unbeholfene, deprimierte Phobiker und die Neurotikerin mit Bindungsängsten sich in der Millionenmetropole endlich finden...

    Gustavo Tarettos pfiffige, originell geschriebene und einfallsreich inszenierte romantische Tragikomödie hat ihren Ursprung in einem 2.000 Dollar teuren Kurzfilm, den der ehemalige Kreativchef einer Werbeagentur 2005 mit paar Freunden drehte. Der 28-Minüter, in dem Javier Drolas bereits in der Hauptrolle mitwirkte, erwies sich als ein so großer Publikumserfolg, dass er die unorthodoxe Liebesgeschichte, die mit dem Ende zweier langjähriger Beziehungen beginnt und mit dem Anfang einer neuen Liebe endet, um einige lebensphilosophische Beobachtungen erweiterte. Auf satte 95 Minuten Spielzeit gestreckt, finden sich bei der argentinisch-spanisch-deutschen Co-Produktion zwar schon hier und da einige Längen und Wiederholungen.

    Doch die Fülle an mal witzigen, mal rührenden, und immer wieder kuriosen Details über den schrägen Alltag zweier Stadtmenschen der Gegenwart und ihrer modernen Kommunikationswege machen den Film zu einem faszinierenden Zeitdokument mit einem hohen Wiederschau-Faktor. So beginnt der Film denn auch mit einer langen Tirade des Protagonisten über das heutige Stadtbild von Buenos Aires, begleitet von einer Collage eindrucksvoll poetischer Fotografien, die der dort beheimatete Regisseur Taretto von seiner Stadt gemacht hat. In diesem Prolog, der Woody Allens New-York-Hommage aus „Manhattan" amüsant ins Negative wendet, wird mit all den Architekten und Stadtplanern abgerechnet, die die schön-hässlichen Fassaden und das beklemmende Lebensgefühl in der Stadt verschuldet haben.

    Im Anschluss entwickelt der Film über drei emotional geprägten Jahreszeiten (einem „kurzen Herbst", einem „sehr langen Winter" und „endlich Frühling") in kleinen Vignetten die blockierte Lebenssituation seiner zwei sympathischen, unglücklichen Protagonisten in grauen, bedrückenden Bildern. Eine spannende Handlung entwickelt sich dabei nicht wirklich und die nahezu kontinuierlichen Off-Kommentare der Hauptfiguren über ihre Gefühle können auf Dauer auch etwas ermüdend sein, aber die kluge Montage der zwei relativ unabhängig voneinander voranschreitenden Erzählstränge bringt sie immer wieder auf humorvolle und bewegende Art zusammen. Zum beachtlichen Charme des Films tragen auch die zwei charismatischen Hauptdarsteller bei, wobei vor allem Pilar López de Ayala, die unbekannte Schöne aus „In the City of Sylvia" (2007) heraussticht.

    Fazit: Gustavo Tarettos Großstadtromanze „Medianeras" überzeugt mit vielen charmanten Episoden zwischen zwei Hauptdarstellern, die so sympathisch daherkommen, dass man gerne über die dramaturgischen Schwächen hinwegsieht. Hier dürften nicht nur Woody-Allen-Fans einen Blick riskieren!

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