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    Goldene Zeiten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Goldene Zeiten
    Von Björn Helbig

    Regisseur und Autor Peter Thorwarth seziert seinen Ruhrpott am Beispiel der Stadt Unna. War sein erster, hervorragender Film „Bang Boom Bang“ „nur“ Loser-Studie, ging er in seinem zweiten, schwächeren Was nicht passt, wird passend gemacht schon den Vergleich zwischen Malocher- und Intellektuellenmentalität an. Mit „Goldene Zeiten“ liefert der Filmemacher den dritten Teil seiner Unna-Reihe und seinen bisher reifsten Film ab. Insgesamt zwar weniger gagsicher und weniger unterhaltsam als sein Debüt, dafür aber wesentlich komplexer und ernster als der direkte Vorgänger.

    Eventmanager Ingo (Wotan Wilke Möhring) plant eine Wohltätigkeitsveranstaltung in einem kleinen Ort im Ruhrgebiet. Keine leichte Aufgabe angesichts der vielen beteiligten Parteien und der Tatsache, dass das eingeworbene Geld gar nicht in die Hände Bedürftiger, sondern direkt in die Taschen des Golfclubleiters Jürgen (Wolf Roth) wandern soll. Während Ingo sich um den vermeintlichen Protagonisten des Events – den angeblich extra angereisten Hollywoodstar Douglas Burnett (Dirk Benedict) – kümmert, verstrickt er sich in immer weitere Lügen. Ingos Freundin Bianca (Sabrina White) vergnügt sich derweil auf Ibiza mit seinem Chef Carly (Uwe Fellensiek), und Ingo verliebt sich zu allem Überfluss auch noch in das Ex-Playmate Melanie (Alexandra Neldel). Es dauert nicht lange und Ingo sowie alle Beteiligten sind nicht mehr Herren der Lage. Gemeinsam steuert man dem Desaster entgegen.

    „Goldene Zeiten“ – schon der Titel ächzt vor bitterer Ironie. Während Thorwarths Vorgängerfilme doch überwiegend lustig waren und eindeutig in die Rubrik Komödie fielen, kommt sein neuer in einem ungewohnt ernsten und düsteren Look daher. Hier und da spürt man das Drama hinter der natürlich immer noch in Thorwarth-Art ironischen Vivisektion des Möchtegern-Reichen-Milieus seines neuesten Films. Ingo – sowie auch die meisten anderen Beteiligten – werden immer weiter hinab gesogen in den Strudel ihrer eigenen Lügen, und ist es traurig mit anzusehen, wie sie alle versuchen den Schein des Wohlstandes und des Erfolgs aufrechtzuerhalten, um sich als etwas ausgeben zu können, was sie gar nicht sind. Den Höhepunkt des wahnwitzigen Blendertums bildet dabei natürlich die Rolle des Douglas „Doug“ Burnett, gespielt von Dirk Benedict, den viele als Faceman aus der Serie „Das A-Team“ (1983) oder als Lt. Starbuck aus der TV-Serie „Battlestar Galactica“ (1978) kennen. In Thorwarths Film spielt er „Doug“ Burnett, den Schauspieler des bekannten Serienhelden „John Striker“, der in Wirklichkeit aber gar nicht Burnett, sondern der deutsche, zweitklassige Schauspieler Horst Müller ist. Alles klar?

    Neben den starken Benedict-Burnett-Striker- und Ingo-Reitet-Sich-Immmer-Weiter-Rein-Handlungssträngen, die ihren gewalttätigen Höhepunkt während der Wohltätigkeitsveranstaltung finden, gibt es noch allerlei lustige, klamaukige, traurige, spannende und dramatische Sequenzen. In dieser Unentschlossenheit zeigt sich allerdings auch ein wenig die Schwäche von Thorwarths Film, der nicht so ganz genau zu wissen schien, was er eigentlich will. Sicher, gegen eine gelungene Melange ist nie etwas einzuwenden, aber in „Goldene Zeiten“ scheinen die verschiedenen Stimmungen zum Teil gegeneinander zu arbeiten. Die ernste Ebene des Films wird unterwandert von zu skurrilen Typen und zu unglaubwürdigen Wendungen. Darunter leidet letztendlich aber nicht nur die „Betroffenheit“ des Zuschauers, sondern auch der Witz der durchaus sehr gelungenen satirischen Dekonstruktion einer gesellschaftlichen Schicht. Eine Satire, vor allem so begabt vorgetragen wie von Thorwarth, hat Übertreibungen nicht nötig. Will sagen, „Goldene Zeiten“ hätte in einer etwas homogeneren, abgespeckteren Version noch interessanter werden können. Zumal alle Beteiligen eine gute Performance liefern: Wotan Wilke Möhring (Antikörper, Almost Heaven, Das Experiment) spielt solide, Wolf Roth als Golfclub-Besitzer ebenfalls. Höhepunkte des Films liefern Dirk Benedict als so eine Art er selbst und der wandlungsfähige Ralf Richter („Was nicht passt, wird passend gemacht“, „Fußball ist unser Leben“, „Der Eisbär“) als Gangster Bullet Harry. Schwächer bleiben in „Goldene Zeiten“ die Frauenfiguren. Alexandra Neldel als Ingos Schwarm Melanie wird dem Zuschauer nicht so richtig plausibel, und Sabrina White als seine Freundin bleibt äußerst blass.

    Auch wenn das Ganze mit seinen vielen Charakteren und Nebenschauplätzen etwas zu groß und damit unkonzentriert ausfällt, und Thorwarth die Balance zwischen Humor, Klamauk und Tragik nicht immer gelingen will, bleibt sein böser Film sehenswert. Und sind die Zeiten nicht vielleicht wirklich Golden zumindest für Zuschauer, der als Voyeur aus sicherer Entfernung den Beschwerlichkeiten anderer beiwohnen kann? Link-Tipp: CD-Kritik „Goldene Zeiten“-Soundtrack

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