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    One: Der Film
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    One: Der Film
    Von Christoph Petersen

    Ein ganz normaler Tag im April 2002, wir befinden uns in der Kleinstadt Northville im US-Staat Michigan, es ist noch früh am Morgen. Ein dreifacher Familienvater mit dem eingängigen Namen Ward M. Powers erwacht und ist wie besessen von der Idee, einen Film über nicht weniger als den Sinn des Lebens zu drehen. Ohne ein Fünkchen Ahnung vom Filmemachen bestellt der 45-jährige Anwalt eine Kamera, spannt zwei gute Freunde ein und legt los. Zunächst interviewt das Team anhand einer Liste mit 20 Fragen rund um Krieg, Glauben und den Sinn des Lebens noch einfache Leute von der Straße. Doch nach zwei Jahren und cirka 100 Befragten kontaktieren die Macher immer häufiger auch spirituelle Celebrities, vom israelischen Rabbi hin zum chinesischen Tao-Meister, vom buddhistischen Zen-Gelehrten hin zum LSD-Forscher, kommt jeder zu Wort. Dieser Ansatz des Projekts „One: Der Film“ klingt im ersten Moment ja noch durchaus ganz interessant, aber leider…

    … bleibt der Film schlussendlich ungeheuer banal.

    „… und dann führten wir mit ihm ein hervorragendes, sehr intensives Interview.“

    Okay, es ist eine wirklich harte Nuss, über 100 Stunden Interviewmaterial auf schlappe 90 Minuten zurechtzustutzen, keine Frage. Trotzdem sollten die ausgewählten Schnipsel zumindest einen ungefähren Eindruck des gesamten Materials liefern. Dies gelingt „One: Der Film“ jedoch kaum. So kann es beispielsweise nicht angehen, dass Regisseur Powers zunächst mit obigem Kommentar von der Qualität eines Gesprächs mit dem ehemaligen buddhistischen Mönch und Uma-Thurman-Vater Robert Thurman schwärmt, dieses dem Zuschauer dann aber schlichtweg vorenthält. Ganze Interviews sind komplette Fehlanzeige, schon einzelne zusammenhängende Antworten oder Gedankengänge erweisen sich als echte Rarität. Stattdessen wird das Publikum die meiste Zeit über mit gewichtig klingenden Onelinern unter Dauerbeschuss genommen, ohne dass diese aus dem Zusammenhang gerissenen Kurz-Statements noch weiter unterfüttert würden. Alle drei Sekunden ein neuer Interviewpartner, der nächste hingeklatschte Gesprächsfetzen, jede Minute ein neuer Themensprung, und wenige Augenblicke später ist bei diesem gar nicht spirituellen Höllentempo auch schon wieder alles vergessen. Dabei ist es auch wenig hilfreich, dass dem Zuschauer die meisten Interviewten erst während des Abspanns! vorgestellt und ihm während des gesamten Verlaufs des Films nicht einmal die 20 Fragen der Ausgangsliste präsentiert werden, lediglich im Pressematerial lassen sich diese entdecken. Man mag sich von dieser geballten Phrasenpower überwältigen lassen, indem man sich von den leer bleibenden Worthülsen ohne eigene Gedanken dauerberieseln lässt – aber ob das wirklich der wahre Sinn eines Kinobesuchs ist?

    … haben die Macher sich offensichtlich mehr für sich selbst als für ihre Interviewpartner interessiert.

    „… und als er die Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortete, schien es fast so, als würde er von unserem Projekt sprechen.“

    Noch mal okay, es ist schwierig, 100 Stunden Interviewmaterial einzudampfen. Aber warum bitteschön handelt dann ein so großer Teil des Films von den Machern selbst und nicht von den immer wieder als so ungeheuer interessant angepriesenen Gesprächspartnern? Andauernd werden wie im obigen Zitat die Antworten der Befragten auf das eigene Projekt umgebogen. Immer wieder wird betont, für wie wichtig und bedeutsam die spirituellen Vordenker Powers Film doch erachten. Über weite Strecken wirkt „One: Der Film“ fast so, als würde es sich um das eigene Making-Of handeln. Diese ungeheure Selbstverliebtheit und –überschätzung zeigt sich auch deutlich in den integrierten Spielszenen. Obwohl der Off-Kommentar immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt, dass es sich bei dem Team doch nur um drei einfache Jungs aus Detroit handelt, die keinen blassen Schimmer vom Filmemachen haben, sind diese nämlich in einem übertrieben künstlichen, schwarz-weißen Arthouse-Stil angelegt - der frühe Jim Jarmusch lässt grüßen. Und ohne jedes visuelles Verständnis gehen diese hochgegriffenen filmischen Bemühungen folgerichtig auch komplett in die Hose. Nicht nur sehen die Bilder einfach verdammt mies aus, auch solche Metaphern wie der Wecker, der exakt um 9:11 klingelt, um so auf die Signalwirkung des Terroranschlags auf das World Trade Center hinzuweisen und die Gesellschaft auf ihrer Suche, in ihrer Isolierung und ihrem Schmerz zu versinnbildlichen, sind an Plattheit kaum zu übertreffen.

    … ist der Film tendenziös und verrät so seine eigene Aussage.

    „Als Reaktion auf einen Selbstmordattentäter sollte man gleich drei Generationen seiner Familie auslöschen.“

    Diese harschen Worte stammen von einem Teilnehmer eines Treffens der Vereinigung Amerikanischer Atheisten. Natürlich ist es für einen Dokumentarfilmer absolut legitim, die Aufnahme einer solch perversen Meinung in sein Werk zu integrieren, nur stellt Powers diese Aussage durch die Art und Weise ihres Einbaus als stellvertretend für die ganze Atheisten-Gruppe hin, tritt diese so mehr oder weniger elegant beiseite. Gerade in Anbetracht der Message des Films, dass so unterschiedlich und einigartig wir und unser Glauben auch sein mögen, so sind wir im Endeffekt doch alle eins (one), ist dieser manipulativ-tendenziöse Seitenhieb umso verwerflicher. Powers mag sich als so edel erweisen, dass er alle Gläubigen dieser Welt, egal ob Christ, Jude, Hindu oder Moslem, als eines sehen kann. Aber edel genug, um wirklich alle Menschen dieser Welt als eines zu begreifen, ist er dann aber trotz seiner sich selbst zugeschriebenen Bedeutsamkeit scheinbar doch wieder nicht.

    Zum Abschluss und zur Abwechslung mal eine einfach zu beantwortende Frage. Kann ein Film einem wirklich bei der Suche nach dem Sinn des Lebens helfen, wenn man selbst als gewillter Zuschauer schon daran scheitert, hinter das ausgefranst-ziellose Konzept desselbigen zu steigen?

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