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    Tortured
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Tortured
    Von Julian Unkel

    Seit George W. Bush als Präsident die USA regiert, ist Folter als Thema im Zuge der Berichterstattung um Guantanamo und Abu Ghraib in den Medien immer wieder hochgekocht. Auch im TV zeigt sich die Sprengkraft des Topics: In der prominenten Echtzeitserie „serie,28“ greift der von Kiefer Sutherland gespielte Agent Jack Bauer häufig zu brutalen Verhörmethoden, was zu teils heftigen Anklagen seitens der Kritik führte. Auch Nolan Lebovitz’ „Tortured“ dreht sich um einen FBI-Agenten, der von seinen Auftraggebern zur Folter gezwungen wird und deshalb die Moral der Behörde hinterfragt. Doch der Anspruch, die psychologischen Auswirkungen von Folter auf den Täter zu zeigen, entpuppt sich schnell als Vorwand für einen stinknormalen B-Thriller, der zwar ordentlich beginnt, mit zunehmender Laufzeit aber immer unglaubwürdiger wird und mit einer lächerlichen Wendung endet, die sich schon jetzt Hoffnungen auf den Titel „Dümmster Plot-Twist des Jahres“ machen darf.

    Kevin Cole (Cole Hauser) wurde seine Karriere als Agent in die Wiege gelegt – schließlich ist sein Vater Jack (James Cromwell) niemand Geringerer als der gegenwärtige Chef des FBI. Um seinen Kollegen zu beweisen, dass er den Job nicht nur wegen seines Vaters erhalten hat, nimmt Kevin jeden noch so riskanten Auftrag an. Unter dem Alias „Jimmy Vaughn“ lässt er sich undercover in das Verbrecherkartell des legendären Gangsters „Ziggy“ einschleusen, der seit Jahren untergetaucht ist und nun aus dem Hintergrund die Fäden zieht. Nachdem sich Kevin einige Monate lang hochgearbeitet hat, erhält er von Ziggy den Auftrag, Informationen über verschwundene Millionen aus seinem Buchhalter Archie Green (Laurence Fishburne) herauszuholen. Um seine Tarnung nicht zu gefährden, beginnt Kevin, den entführten Archie – einer der wenigen, die Ziggys wahre Identität kennen – zu foltern. Doch Archie will nicht gestehen. Als Kevins Foltermethoden immer drastischer werden, droht seine Beziehung zu seiner Freundin Becky (Emmanuelle Chriqui) und schließlich auch er selbst daran zu zerbrechen…

    Wer ist Keyser Soze? Die Antwort auf diese Frage, die sich den Ermittlern in dem großartigen Thriller Die üblichen Verdächtigen stellt, gehört zweifelsohne zu den überraschendsten und besten Auflösungen der Filmgeschichte. Die wahre Identität des mysteriösen Gangsterbosses wird in einer genialen und oft zitierten Schlussmontage enthüllt, die maßgeblich dazu beiträgt, dass der Film zu den besten Thrillern der 90er zählt. Kein Wunder also, dass sich auch heute noch viele Regisseure von „Die üblichen Verdächtigen“ herausgefordert fühlen. Auch „Tortured“-Autor und –Regisseur Nolan Lebovitz hat sich den Film offensichtlich zum Vorbild genommen. Er versucht, um „Ziggy“ einen ähnlichen Mythos aufzubauen wie um Keyser Soze, was zu Beginn sogar recht gut funktioniert. Doch statt sich mit einem geradlinigen Thriller zufriedenzugeben, will Lebovitz’ höher hinaus. Er wirkt bisweilen nahezu besessen darin, seinem Film epochale Ausmaße zu verpassen. Er ergänzt die Haupthandlung um zahlreiche Nebenstränge, weshalb „Tortured“ schnell zwischen Kevins Beziehungsleben, Konflikten mit seinem Vater und Kollegen, einigen Rückblenden und kurzen Folterszenen hin und her pendelt. Das ist selten homogen, aber dank der straffen Inszenierung und trotz nahezu komplett ausbleibender Actionszenen – zumindest in der ersten Hälfte - einigermaßen unterhaltsam.

    Mit zunehmender Laufzeit verstrickt sich der Film allerdings immer mehr in Ungereimtheiten. Bereits die erste große, im Mittelteil platzierte Wendung wirft einige Logikfragen auf, über die man besser nicht zu lange nachdenkt. Auch sonst unterlaufen Lebovitz‘ einige grobe Schnitzer: Kevin beteiligt sich - in FBI-Jacke - an einer Razzia gegen die Organisation, in der er gerade undercover ermittelt, oder besucht mitsamt Freundin eine FBI-Gala. Und dann kommt er, der große Plot-Twist, der dem Zuschauer endlich die Identität von „Ziggy“ offenbart. Der Wendung ist zugute zu halten, dass sie wirklich recht überraschend ausfällt. Das liegt aber vor allem daran, dass sie vollkommen unplausibel ist und nicht einmal im Ansatz einer Logikprüfung standhält. Wer nun glaubt, dass es nicht mehr schlimmer kommen könnte, wird von der saudämlichen Schlussszene eines Besseren belehrt.

    Der Cast von „Tortured“ ist für ein B-Movie durchaus namhaft. Mit James Cromwell (L.A. Confidential) und Laurence Fishburne (Matrix) sind zwei Schauspieler dabei, die zwar nie zur ersten Garde Hollywoods gehörten, aber beide schon in einigen großen Produktionen mitwirkten. Ihre Leistungen sind dann auch die besten im Film. Für Hauptdarsteller Cole Hauser konnte es nach dem grottigen Paparazzi eigentlich nur noch bergauf gehen – und einen Tick besser als dieser ist „Tortured“ ja auch tatsächlich. An Hauser liegt das jedoch nicht. Vor allem in den ruhigeren Szenen wirkt er erneut hölzern, zudem ist Kevin – auch drehbuchbedingt – zu unsympathisch, um den Zuschauer zum mitfiebern zu animieren. In den weiteren Rollen sind die Seriendarsteller James Denton („Desperate Housewives“) und Jon Cryer („Mein cooler Onkel Charlie“) sowie Kevin Pollack (Hostage) als Psychologe und Emmanuelle Chriqui (Leg dich nicht mit Zohan an) als Kevins Freundin zu sehen. Hervortun kann sich aber keiner von ihnen.

    Vermarktet wird „Tortured“ als Genremischung aus „Die üblichen Verdächtigen“ und Saw. Mit letztgenanntem hat „Tortured“ aber bis auf das schäbige Aussehen des „Folterkellers“ kaum etwas gemein. Wer sich ähnlich blutige Folterszenen erhofft, wird enttäuscht – das Gezeigte übersteigt in Sachen Brutalität nur selten das, was Jack Bauer Woche für Woche im TV seinen Opfern antut. Und der Vergleich mit „Die üblichen Verdächtigen“ ist sowieso hinfällig. Denn wo Bryan Singers Meisterwerk dank der sauber konstruierten Schlusswendung noch heute jeden Erstseher verblüfft, ist es im Fall von „Tortured“ gerade der lächerliche Schlusstwist, der selbst die wenigen gelungenen Ansätze rückwirkend zunichte macht.

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