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    Protégé
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Protégé
    Von Björn Becher

    Spätestens seit Infernal Affairs weiß man, dass das Leben eines Undercover-Cops im Drogenmilieu kein leichtes ist. Auch Tung-Shing Yee thematisiert dies in seinem Thriller „Protégé“. Dabei unterlässt er glücklicherweise ein schlichtes Plagiat des erfolgreichen Meisterwerks, sondern geht mit einem anderen Schwerpunkt einen eigenen Weg. Schon in seinem letzten Thriller One Nite In Mongkok hat er gezeigt, dass ihn neben der eigentlichen Handlung auch moralische und soziale Fragen interessieren. War es dort die Verwerflichkeit des Tötens, geht es nun um Drogenmissbrauch und den schweren Weg aus der Sucht. Dass seine gewohnt stark bebilderte und mit erstklassigen Schauspielern aufwartende Mischung aus Hongkong-Thriller und Drogen-Drama trotzdem nicht der ganz große Wurf geworden, liegt an der Benutzung von ein paar Stereotypen zu viel, einer ärgerlichen Finalszene und an etwas zu wenig Zeitaufwand für einen interessanten Nebenplot.

    Seit sieben Jahren ist der junge Polizist Nick (Daniel Wu) undercover tätig. Er hat sich in dieser Zeit das Vertrauen des Drogenbosses Quin (Andy Lau) erschlichen und könnte ihn ans Messer liefern. Doch seine Vorgesetzten wollen noch warten. Er soll noch mehr über Quins Lieferanten in Thailand und etwaige Hintermänner herausfinden. Doch Quin plant mittlerweile, den jungen Protégé zu seinem Nachfolger zu machen. Denn er selbst ist älter geworden. Er ist Diabetiker und sein Nierenleiden macht ihm zu schaffen. Die Kinder sind auch krank oder rebellisch und seine Frau (Anita Yuen) ist noch mal schwanger geworden. So weist er Nick in seine Geschäfte ein, macht ihn mit wichtigen Partnern bekannt, zeigt ihm die Plantagen in Thailand und vermittelt ihm seine Leitsätze. Einen der elementarsten davon, sich niemals mit Junkies einzulassen, verletzt der Schützling aber, als er anfängt, sich um seine drogensüchtige Nachbarin Fan (Jingchu Zhang) zu kümmern. Die kann ihre Tochter kaum ernähren und würde gerne von der Nadel loskommen. Doch eine offizielle Therapie kommt nicht in Frage, da man ihr sonst das Kind nehmen würde. Und die Eigentherapie ist von Rückfällen geprägt, die vor allem ihr Ehemann (Louis Koo) auslöst, der immer wieder einmal mit neuem Stoff auf der Matte steht. Zwischen Freundschaft zu Quin, der lukrativen Zukunft, die dieser ihm bietet, seinem Pflichtbewusstsein als Polizeibeamter und seiner Fürsorge für Fan und ihre Tochter, droht Nick zerrieben zu werden.

    Regisseur und Autor Tung-Shing Yee, der als Vorgesetzter von Cop Nick hier zum ersten Mal seit rund einem Jahrzehnt auch wieder vor der Kamera steht, verzichtet für sein Thriller-Drama fast komplett auf Action. Es gibt nur eine Sequenz, in der es kurzzeitig härter zur Sache geht und diese erweist sich auch noch als Schwachpunkt, da Yee eine völlig unpassende Prise von Komik einbaut. Bei einem Polizeieinsatz gegen ein Drogenlabor verliert einer der Cops in einer grotesk überzeichneten Szene seine Hand, die danach noch selbstständig einen der Drogenköche „attackiert“. Abgesehen von dieser, einen kurz aus der Stimmung des Films rausreißenden Szene, lässt es Yee sehr ruhig angehen. Ohne jegliche Hektik werden zwei Seiten im Leben des jungen Nick porträtiert: wie er zum einen von Quin immer mehr in das Geschäft eingewiesen wird und wie er auf der anderen Seite mit seiner Nachbarin umgeht, ihr zu helfen versucht und nicht versteht, warum sie immer wieder Rückfälle erleidet.

    Dass der ruhige Film ohne schnelle Action auskommt und trotzdem ein ordentliches Spannungsniveau hält, liegt vor allem an den Darstellern. Asiens Superstar Andy Lau (Running Out Of Time, House Of Flying Daggers, Battle Of Kingdoms) mimt einen ungewöhnlichen, sehr charismatischen Drogenboss. Mit grau melierten, ihn deutlich älter als gewöhnlich erscheinen lassenden Haaren sieht er, von der Krankheit gezeichnet, phasenweise eher aus, wie ein unterdrückter Angestellter, der auf die erlösende Rente wartet. Im Endeffekt ist er dies auch. Er ist zwar der millionenschwere Boss, der aber gefangen ist in einem Gewerbe, das ihn eigentlich anwidert. Er kann nicht verstehen, dass Menschen ihren Körper mit Drogen ruinieren (sogar Raucher sind ihm zuwider), lebt aber von ihrer Sucht. Er ist prinzipientreu und pflichtbesessen, erkennt, dass es längst Zeit für den Ausstieg aus dem risikoreichen Geschäft wäre, will dies aber in den Händen eines guten Nachfolgers sehen. Umso wichtiger ist ihm die Freundschaft zu seinem jungen Protégé, an deren Ende die unweigerliche Erkenntnis steht, dass vieles von dieser nur ein Fake ist. Ex-Model Danny Wu (New Police Story, The Banquet, One Nite In Mongkok) beweist neben diesem schauspielerischen Schwergewicht, dass die Tage, wo er nur wegen des Aussehens gecastet wurde längst der Vergangenheit angehören und gibt seinem verzweifelten Charakter und dessen Konfrontation mit den Ursachen des Drogenkonsums das richtige Gesicht. Auch die Nebenrollen kommen mit prominenter Besetzung daher. Die schöne Jingchu Zhang (Rush Hour 3, Sieben Schwerter, John Rabe), auf die Hollywood längst aufmerksam wurde und sie mit viel Geld lockt, überrascht hier in einer schauspielerisch fordernden Rolle als Drogensüchtige, hat aber ein wenig darunter zu leiden, dass ihrer Figur deutlich mehr Aufmerksamkeit gebührt hätte. Louis Koo (Rob-B-Hood, Triangle, Flash Point) hat dagegen keine Chance, aus seiner schwach gezeichneten Figur etwas zu machen und seine verzweifelten Versuch dem entgegenzuwirken, machen es noch schlimmer. Der völlig überdreht gespielte, immer im ungünstigsten Moment auftauchende Junkie-Ehemann ist allgemein der größte Schwachpunkt des Drehbuchs.

    Tung-Shing Yee beweist mit „Protégé“ wieder einmal, dass er ein überdurchschnittlicher Regisseur und Autor ist. In die hohen Sphären einiger Kollegen kann er aber noch nicht vorstoßen, dafür unterläuft ihm der ein oder andere Schnitzer zu viel. Ob die unpassende Groteske inmitten der Actionszene, Louis Koos schwach gezeichnete Figur (und allgemein der Plot um das drogensüchtige Ehepaar) oder ein extrem unnötiger Epilog im Anschluss an das Finale des Films: Solche Momente werten den im Übrigen starken und atmosphärischen Film ab. Nichtsdestotrotz ist „Protégé“ eine sehenswerte Mischung aus Drogen-Drama und Hongkong-Thriller, die sicher schon jetzt ein Kandidat für die Remakegelüste amerikanischer Produzenten ist.

    Übersicht über das Programm der Focus Asia Nights 2007 auf FILMSTARTS.de

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