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    Tage am Strand
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Tage am Strand
    Von Andreas Günther

    Welcher interessante Film hätte aus dieser Kombination nur entstehen können? Die Nobelpreisträgerin Doris Lessing lieferte die literarische Vorlage um zwei schöne, miteinander befreundete Frauen, die eine Beziehung mit dem Sohn der jeweils anderen eingehen. Von Regisseurin Anne Fontaine („Coco Chanel - Der Beginn einer Leidenschaft“, „Das Mädchen aus Monaco) konnte man eigentlich eine stilvolle Inszenierung der Geschichte um leidenschaftlichen Sex zwischen reiferen Frauen und jüngeren Männern erwarten. Oscarpreisträger Christopher Hampton („Gefährliche Liebschaften“) ist eigentlich genau der richtige Autor für treffsichere Dialoge und Naomi Watts und Robin Wright stehen für glaubwürdige Darstellungen. „Tage am Strand“, das Ergebnis dieser Kombination, ist jedoch ein Softcore-Schmachtfetzen mit umgekehrten sexistischen Vorzeichen.

    In einem australischen Küstenort, über einer Felsenbucht mit scheinbar unberührtem Sandstrand wohnen Ingenieurin Lil (Naomi Watts) und Galeristin Roz (Robin Wright). Seit Kindestagen sind sie dickste Freundinnen, ihre Söhne Ian (James Frecheville) und Tom (Xavier Samuel) sind ebenfalls befreundet, gemeinsam groß geworden und surfen viel zusammen. Lil hat ihren Mann bei einem Autounfall verloren, in Roz´ Ehe kriselt es nach vielen gemeinsamen Jahren, als Gatte Harold (Ben Mendelssohn) eine Stelle an der Universität von Sidney annimmt. Beim Baden am Strand verliebt sich Ian in Roz und begehrt sie so heftig, dass sie die Nacht miteinander verbringen. Aus Eifersucht möchte Tom nun auch mit Lil schlafen. Diese wehrt ihn erst ab und stellt Roz zur Rede, wird aber dann von der Lust überwältigt und gibt sich Tom hin. So leben und lieben die vier bis Tom als angehender Schauspieler Lil mit seiner Kollegin Hannah (Jesscia Tovey) betrügt und Ian auf Mary (Sophie Lowe) trifft. Die Mütter, die die Affäre mit ihren Söhnen beenden wollen, drängen darauf, dass Tom und Ian ihre Freundinnen heiraten. Doch glücklich wird damit niemand…

    Doris Lessing ist Literaturnobelpreisträgerin. Ob das Komitee in Stockholm ihr die höchste literarische Auszeichnung auch verliehen hätte, wenn es damals schon diese hanebüchene Leinwandversion ihrer dezent und raffiniert erzählten Novelle „Die Großmütter“ gegeben hätte? Ja bestimmt, aber wahrscheinlich wäre die Wahl noch ein klein wenig umstrittener gewesen als ohnehin schon und für alle, die nur diese Verfilmung kennen, gänzlich unverständlich. Denn „Tage am Strand“ erinnert mit jeder fortschreitenden Minute mehr an einen Erotikschinken der 1970er Jahre wie die „Emmanuelle“-Serie als an die Adaption großer literarischer Kunst. Vor allem die Bebilderung lässt an längst vergessene Softsex-Zeiten denken: Hier wie dort entfacht eine kräftige Sonne die Glut der Begierde, wirft sich das Meer mit geradezu wollüstigem Sound an den Strand, schreit das Fleisch der schönen Körper nach Vollzug des Geschlechtsakts - freilich in „Tage am Strand“ so rasch und heftig, dass fast immer nur die Schenkelpartien unbedeckt sind. Das Desaster dieser schwülen Ästhetik ist vor der Kamera so groß wie dahinter, dass man an den eigentlich bekannten Stärken der versammelten Talente zu zweifeln beginnt.

    Regisseurin Anne Fontaine bewies sich in der Vergangenheit mit „Vater töten!“ und dem in Deutschland nie regulär veröffentlichten „Entre Ses Mains“ als sensible Analytikerin menschlicher Abhängigkeiten. Davon ist im ungemein kitschigen „Tage am Strand“ nichts zu sehen. Den Hang zur voyeuristischen Phantasie hat man in schwächeren Filmen der Regisseurin wie „Eine saubere Affäre“ und „Nathalie – Wen liebst Du heute Nacht?“ zwar schon gesehen, niemals hätte man allerdings gedacht, dass Christopher Hampton, der einst Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos‘ Klassiker „Gefährliche Liebschaften“ genial fürs Kino adaptierte, es ihr gleichtut und dazu eine so ordinär knarrende Drehbuch-Mechanik wie in „Tage am Strand“ in Gang setzen würde. Die ist einzig darauf ausgerichtet, störende Ehemänner zu entfernen und nahezu sprachlose Waschbrettbauchjünglinge zwecks Triebbefriedigung möglichst schnell und oft den Damen zuzuführen. Die Figuren von James Frecheville („Animal Kingdom“) und Xavier Samuel („Eclipse – Biss zum Abendrot“) sind darin nur klischierte Phantasmen sonnengebräunter Superbodys, die zum Befriedigungsgebrauch auftreten dürfen. Den oft reduktionistischen Blick der Männer auf das andere Geschlecht einmal auf diese selbst zu wenden, ist ein reizvoller Ansatz, der aber nicht damit enden kann, einfach nur die Männer statt der Frauen zum reinen Sexobjekt zu degradieren.

    Fazit: Bei „Tage am Strand“ irrt ein hochkarätiges Kreativteam in den Gefilden des billigen Erotikfilms herum.

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