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    Der letzte Applaus
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Der letzte Applaus
    Von Stefan Ludwig

    Kneipen gibt es wie Sand am Meer. Die wahren Perlen einer Stadt zu entdecken, braucht daher Zeit. In einigen Bars aber fühlt man sich sofort wohl und häufig ist der erste Abend dort unvergesslich. Solch ein Laden ist Dreh- und Angelpunkt der Musik-Dokumentation „Der letzte Applaus“: Die argentinische Bar „El Chino“ lockte in den 90er Jahren mit live gesungenem Tango und einer einzigartig heiteren Atmosphäre. Der Film von Regisseur German Kral („Música Cubana“) besticht mit einem hervorragenden Soundtrack und über weite Strecken auch als Stimmungs- und Charakterbild. Die zahlreichen Zeitsprünge verhindern allerdings, dass der Funke dauerhaft überspringt.

    „Der letzte Applaus“ beginnt 1999. In der Tangobar „El Chino“ in Pompeya am Stadtrand von Buenos Aires ist jeden Abend volles Haus. Die Zuschauer fiebern mit den Geschichten, die ihnen die Sänger erzählen, mit und nippen am argentinischen Wein. Regisseur Kral kombiniert die mitreißende Musik mit Lokalkolorit und bringt uns einige der Künstler persönlich näher, indem er sie hinter die Kulissen begleitet. Doch zwei Jahre später ist die einzigartige Stimmung passé – der Sohn des Barbesitzers El Chino liegt im Sterben. Wenige Wochen später stirbt auch der Vater. Anschließend übernimmt dessen Witwe mit ihrem neuen Partner den Laden. Die bekanntesten Sänger kehren der Bar nach Streitigkeiten mit den neuen Besitzern jedoch den Rücken, das Publikum im „El Chino“ bleibt aus und die Musiker verlieren ihre künstlerische Heimstatt...

    Der seit seinem Studium an der Münchener Filmhochschule in der bayerischen Metropole lebende German Kral stammt selbst aus Buenos Aires. Das Tango-Viertel Pompeya war ihm aber wenig vertraut. Als er in seine Geburtsstadt zurückkehren wollte, riet ihm die deutsche Filmikone Doris Dörrie („Männer“, Nackt, Kirschblüten - Hanami), einen Film über die Tangobar „El Chino“ zu machen. Kral war von der „direkten und unprätentiösen Art Tango zu singen“ begeistert, begann prompt mit den Dreharbeiten und vervollständigte sein Material bei mehreren späteren Aufenthalten vor Ort. Als Kral 2006 erneut in die argentinische Hauptstadt reiste, entdeckte er das „Orquesta Típica Imperial“ und der Filmemacher wurde vom Dokumentaristen zum Initiator: Die jungen Musiker der Tango-Combo waren begeistert von der Idee, mit einigen der Veteranen aus dem „El Chino“ aufzutreten. Den Sängern Cristina de los Angeles, Inés Arce und Julio César Fernán wurde noch einmal eine große Bühne bereitet und Krals Film bekam ein unerwartetes Schlusskapitel.

    Im Mittelpunkt von „Der letzte Applaus“ steht die besondere Atmosphäre des „El Chino“ in den 90er Jahren. Das schummrige Licht in der Tangobar spiegelt sich auf der Leinwand in stark rauschenden Bildern wieder, die unmittelbar faszinieren. Die spanischen Gesänge mit ihren häufig traurigen Geschichten gleichen den unentschlossenen dramaturgischen Zugriff aus. Mit Interviews gelingt es Regisseur Kral immerhin, Nähe zu den Sängern herzustellen. Aber sobald El Chino tot ist, kommt nicht nur in der leergefegten Bar die tolle Stimmung abhanden. Auch der Film verliert mit der Musik vorübergehend sein Herzstück. Während die traumhaft inszenierten Tangoszenen mit den charismatischen Sängern „Der letzte Applaus“ im ersten Teil zusammenhalten, findet Regisseur Kral für die anschließende Chronik des Verlusts und des Scheiterns keine angemessene Form. In der Mitte des Films droht daher zuweilen Langeweile aufzukommen. Erst mit dem Auftritt des jungen Orchesters kommen Leben und Musik zurück und mit einem famosen Schlussakkord wird die ganze Größe der drei Tangosänger und Protagonisten aufgezeigt.

    „Der letzte Applaus“ ist eine schöne Hommage an den Tango, aber German Krals Dokumentation weist leider auch deutliche Schwächen auf. Die Langzeitperspektive von Krals Projekt verdiente grundsätzlich besonderes Interesse. Leider gelingt es dem Regisseur aber nicht, dem Material eine klare und abwechslungsreiche Struktur zu geben. Unnötige Zeitsprünge, Durststrecken im Mittelteil und die Gefahr musikalischer Übersättigung durch eine schlechte dramaturgische Balance - als Ganzes ist „Der letzte Applaus“ wenig gelungen. Was bleibt sind stimmungsvolle Momentaufnahmen und einige fantastische Gesangsdarbietungen.

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