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    Un Homme qui crie - Ein Mann, der weint
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Un Homme qui crie - Ein Mann, der weint
    Von Christian Horn

    Als erster Film aus dem zentralafrikanischen Staat Tschad lief „Ein Mann, der weint" von Mahamat Saleh Haroun („Abouna - Der Vater") 2010 im Wettbewerb von Cannes, wo er mit dem Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Bereits im Jahr 2006 hatte der afrikanische Filmemacher für „Daratt" den Großen Preis der Jury in Venedig erhalten. Dass die Filme von Mahamat-Saleh Haroun erfolgreich auf den Filmfestivals Europas laufen, verwundert wenig, denn in ihrem formalen Minimalismus ähneln sie dem Arthouse-Kino europäischer Prägung. „Ein Mann, der weint" verliert aufgrund seiner bewussten Langsamkeit zwar bisweilen an Spannung, überzeugt aber dank einer atmosphärisch dichten Inszenierung und Hauptdarsteller Youssouf Djaoro.

    Den 55-jährigen Adam (Youssouf Djaoro) nennen alle „Champ", weil er vor einigen Jahren als nationaler Schwimmmeister des Tschad auf dem Treppchen stand. Heute arbeitet Adam gemeinsam mit seinem 20-jährigen Sohn Abdel (Diouc Koma) als Bademeister in einem Luxushotel in D'Djamena. Ein Besitzerwechsel kostet den alternden Schwimmmeister seinen Job, den er selbst als seinen Lebensinhalt bezeichnet. Während Adam fortan als Parkplatzwächter des Hotels arbeiten muss, übernimmt der jüngere Sohn den Poolbetrieb. Derweil tobt im Tschad ein Bürgerkrieg und Adam begeht einen schweren Fehler: Er sorgt dafür, dass sein Sohn zum Militärdienst eingezogen wird, um wieder am Pool arbeiten zu können. Schnell bereut Adam diesen Entschluss. Als plötzlich Abdels schwangere Freundin Djeneba (Djénéba Koné) auftaucht, werden seine Gewissensbisse unerträglich...

    Mahamat Saleh Haroun inszeniert die französisch-belgische-tschadische Co-Produktion wie einen europäischen Kunstfilm: Die wenigen Dialoge, der sparsame Musikeinsatz, die langen Einstellungen und die tristen Bilder von Kameramann Laurent Brunet („Der fliegende Händler") stehen für einen beschaulichen Erzählstil, der in „Ein Mann, der weint" phasenweise in Langeweile umschlägt. So gerät der Film in einen erzählerischen Leerlauf, wenn die Kamera Adam auf dem Weg zur Arbeit unverhältnismäßig lang folgt oder die Figuren in zerdehnten Einstellungen schweigsam beisammen sitzen. Mahamat Saleh Haroun arbeitet atmosphärisch konsequent und schlüssig - dabei aber auch reichlich unspektakulär.

    Während der Kampf gegen die Rebellen in Adams Leben lediglich durch Megafon-Durchsagen, Radioberichte und Fernsehnachrichten stattfindet, droht das Vater-Sohn-Drama inmitten der kargen Alltagsszenen zu stranden. Thematisch kreist „Ein Mann, der weint" zuvorderst um Schuld und Verlust, rückt aber auch den Gegensatz zwischen Tradition und Moderne in den Fokus. Adam muss als alternder Mann einen neuen Platz in der veränderten Gesellschaft finden und dabei seinen verletzten Stolz sowie den anfänglichen Neid gegenüber dem Sohn, der ihn ersetzt, überwinden.

    Dass Mahamat Saleh Harouns überladenes Konzept bei einer so zurückgenommenen Inszenierung dennoch aufgeht, ist Hauptdarsteller Youssouf Djaoro zu verdanken. Sein nuanciertes Spiel, auf das die reduzierte Inszenierung die volle Aufmerksamkeit lenkt, bereichert den Film. Mahamat Saleh Haroun erzählt „Ein Mann, der weint" vor allem über suggestive Gesten, Blicke und die Körperhaltung seiner Darsteller, wobei er bisweilen das rechte Maß verliert - in einigen Szenen gerät das Vater-Sohn-Drama gänzlich zum Stillstand. Trotz dramaturgischer Schwächen ist „Ein Mann, der weint" ein sehenswerter Film für ein nachdenkliches und geduldiges Publikum – und eine der seltenen Gelegenheiten, zentralafrikanisches Kino auf deutschen Leinwänden zu sehen.

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