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    Porno Unplugged
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Porno Unplugged
    Von Björn Becher

    Der österreichische Regisseur Florian Burstein versteht den Titel seiner Porno-Doku „Porno Unplugged“ als Analogie auf die Musikszene. Dort gilt ein Auftritt als „unplugged“, wenn er ohne Verstärker absolviert wird. Ebenso soll auch „Porno Unplugged“ ein Film über Menschen sein, wie sie eben sind. „Ohne Verstärker. Unplugged“. Die Umsetzung dieses Vorhabens gelingt Burstein über weite Strecken. Auch wenn er beim Dreh jegliche Distanz zu seinen Protagonisten verliert, liefert er doch mitunter eindrucksvolle Einblicke in deren Leben.

    Debütant Burstein hat sich drei Protagonisten für sein dokumentarischen Road-Movie ausgesucht, die neben ihrer Tätigkeit im Pornogeschäft noch eine weitere Gemeinsamkeit aufweisen: Sie stammen aus Österreich. Mick Blue ist ein Pornostar, der seine Karriere in Europa begann, aber nun Drehs in Rumänien und Ungarn hinter sich gelassen hat, um in den USA seinen Weg zu gehen. Längst ist er nicht mehr nur der Superstecher vor der Kamera, sondern fungiert auch als Regisseur und Produzent. Die ehemalige Analkönigin Renee Pornero konzentriert sich inzwischen ebenfalls auf ihre Arbeit als Regisseurin und Produzentin. Thomas Janisch ist der Boss des Erotikkonzerns ÖKM. Vom beschaulichen Bad Ischl aus leitet er ein Unternehmen, das Magazine, DVDs und Sexspielzeug vertreibt. Gerade ist er dabei, verstärkt auch weibliche Konsumenten für seine Produkte zu gewinnen.

    Burstein rückt seinen Protagonisten gehörig auf die Pelle. Er begleitet sie auf eine schmuddelige Erotikmesse in Österreich, in einen Swingerclub, zu Pornodrehs und zu einem riesigen Erotik-Event in Las Vegas, wo er Porno-Legenden wie Ron Jeremy, Briana Banks oder Belladonna begegnet. Burstein hält dabei keinerlei Distanz, sondern ist immer selbst vor der Kamera zu sehen. Unsicher und errötend lässt er sich von Porno-Sternchen an die Silikonbrust drücken oder steht etwas verloren im Sextrubel herum. Er kommentiert aus dem Off, gleitet aber nie ins Moralisierende ab. Er klagt das Geschäft mit dem Sex nicht an, sondern begegnet ihm weitgehend wertfrei. Burstein stellt Fragen in den Raum, ohne immer Antworten mitzuliefern. Stattdessen wissen seine Gesprächspartner Interessantes und Erstaunliches zu berichten.

    Burstein ist verstärkt an der familiären Situation der Protagonisten interessiert. In einem Interview mit der Mutter von Mick Blue blickt diese zurück und berichtet, wie es war, als ihr Sohn den Beruf des Pornostars ergriff. Lange wurde dies vor Verwandten und Bekannten verheimlicht, bevor sie dann irgendwann doch reinen Tisch gemacht hat. Die Geschichten von Mick Blue und Renee Pronero belegen, dass auch Pornodarsteller direkt aus der bürgerlichen Mitte stammen können. Er kommt aus gutem Hause und wechselte nach der Matura ins Pornobusiness weil man da einfach mehr verdient als bei einer Karriere als Elektroinstallateur. Sie suchte parallel zu ihrer Matura einfach einen Nebenverdienst. Ein ganz anderes Beispiel ist Janisch, der von klein auf mit dem Geschäft vertraut war und schließlich den Familienbetrieb des Vaters übernahm.

    Alle drei sind – nach eigener Aussage – glücklich im Porno-Business. Sie haben ihren Weg gemacht und gehen ihn weiter. Trotzdem bleiben kritische Töne nicht aus. Mick Blue erzählt zum Beispiel von unzureichenden Gesundheitsbestimmungen bei Drehs in Osteuropa. Und die Story von Renee Pornero geht noch weiter. Wenn sie berichtet, wie sie von zwei Männern gefistet wurde und dabei vor Schmerzen weinte, woraufhin sie die Kamerafrau anfeuerte, weil ihr Porneros Reaktion so gut gefiel, fällt auch beim Zuschauer jede Distanz. Die zunehmende Brutalisierung des Pornogeschäfts ist sowieso eines der Gesprächsthemen. Janisch stellt etwa die These auf, dass die Konsumenten die immer brutaleren Sexpraktiken eigentlich gar nicht sehen wollen, sondern sozusagen „zwangsbeglückt“ werden. Kritische Nachfragen von Burstein bleiben jedoch aus – es wäre doch interessant gewesen zu wissen, ob Janisch trotz seiner Ablehnung nicht trotzdem solche Filme in seinem Portfolio hat. Insgesamt bleibt Burstein bisweilen zu sehr an der Oberfläche und setzt stattdessen lieber auf glitzernde Bildmontagen und einen treibenden Soundtrack. Doch trotz (oder vielleicht sogar gerade wegen?) dieser unkritischen Haltung gelingt es ihm immer wieder, seinen Gesprächspartnern Spannendes zu entlocken, dass er dann für sich im Raum stehen lässt. Das Konzept geht auf, auch wenn man als Zuschauer an der einen oder anderen Stelle selbst gerne eine Nachfrage stellen würde.

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    Zwischenzeitlich bricht Burstein aus der Fokussierung auf seine Protagonisten aus und holt einen weiteren Gesprächspartner vor die Kamera. Der berühmt-berüchtigte selbsternannte Pornojäger Martin Humer kommt gleich mehrfach zu Wort. Humers Ideologie und seine öffentlichen Aktionen sind derart fragwürdig, dass man diesem Mann vielleicht besser keine zusätzliche Plattform bieten sollte. Burstein macht es trotzdem und kommt damit durch. Denn mit seinen wirren Thesen, laut derer pornointeressierte Frauen zur Großmutter des Teufels mutieren, diskreditiert Humer sich selbst. Da hätte es der zusätzlichen Verdammung durch den Regisseur gar nicht mehr bedurft: Alle Gesprächspassagen mit Humer sind in schwarz-weiß gehalten. Der Interviewte sitzt dabei nicht nur in seinem Büro vor Akten, sondern teilweise auch vor einem Regal, das mit Kreuzen, einer Marienstatue und einem Bild des Papstes vollgestellt ist. Der Anblick des wirr keifenden alten Mannes vor diesem Hintergrund wirkt nahezu surreal.

    Fazit: „Porno Unplugged“ liefert ähnlich wie 9 To 5: Days In Porn einen spannenden Einblick in das Leben einiger Protagonisten der Pornoindustrie. Fabian Burstein dringt dabei nicht so tief wie sein Kollege Jens Hoffman in die Materie ein, sondern bohrt stattdessen mal hier und mal dort - doch das schadet dem Film weniger, als man zunächst glauben mag. Denn auch an der Oberfläche gibt es reichlich Interessantes, was dem Zuschauer dann aber eine gesteigerte Bereitschaft zur selbstmotivierten Auseinandersetzung abfordert. Als reine Voyeurismusbefriedigung sind beide Dokumentationen – trotz der enthaltenden Hardcore-Szenen – nämlich ganz sicher nicht zu gebrauchen.

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