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    Chico & Rita
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Chico & Rita
    Von Ulf Lepelmeier

    Nach der Jazz-Dokumentation „Calle 54" und dem Konzertfilm „Blanco y Negro" verleiht der spanische Filmemacher Fernando Trueba seiner Passion für die kubanische Musiklandschaft ein weiteres Mal künstlerischen Ausdruck – im oscarnominierten Animationsfilm „Chico & Rita" lädt er zur Blütezeit des kubanischen Jazz nach Havanna und New York ein. Zusammen mit dem Design- und Animationskünstler Javier Mariscal ersann der „Belle Epoque"-Regisseur eine berührende melodramatische Liebesgeschichte zweier vom großen Erfolg träumender kubanischer Musiker, die auch als sinnlich-farbenfrohe Hommage an all die Ausnahmekünstler gedacht ist, die von der Karibikinsel auszogen, um in der weiten Musikwelt Gehör zu finden. Inszeniert haben Trueba und Mariscal den Film dabei in der Rotoskopie-Technik, bei der Realaufnahmen zu Zeichentrickbildern transformiert werden und zu deren Verfechtern auch Ralph Bakshi („Der Herr der Ringe") und Richard Linklater („Waking Life") zählen.

    Der einstige Jazz-Pianist Chico ist in die Jahre gekommen und putzt mittlerweile in den Straßen Havannas für ein paar Pesos Schuhe. Doch als er in seiner engen Behausung vertraute Klänge aus dem Radio vernimmt, beginnt er sich in eine Zeit zurückzuträumen, in der seine Leidenschaft für die Musik und eine ganz besondere Frau noch lichterloh loderte und die Zukunft noch alles bereitzuhalten schien: 1948 lässt die samtweiche Stimme der wunderschönen Sängerin Rita den begabten Klavierspieler Chico das erste Mal aufhorchen. Nach einer romantischen Nacht kommt es bereits zu einer ersten heftigen Eifersuchtsszene. Aber die temperamentvolle Rita geht Chico fortan nicht mehr aus dem Kopf. Die beiden Vollblutmusiker scheinen füreinander bestimmt zu sein, doch unglückliche Verstrickungen reißen die Liebenden immer wieder auseinander...

    Mit Hilfe der Rotoskopie-Technik entführen Trueba und Mariscal in das Havanna und in das New York der späten 40er und frühen 50er Jahre. Die stilisierten, mit einem leichten impressionistischen Anstrich versehenen Bilder lassen die Zeit des Bebop, Mambo und Jazz wieder auferstehen und begeistern mit detailverliebt gestalteten Hintergründen. Der charmante Retro-Look bildet den Rahmen für eine fiktive Liebesgeschichte, mit der die Filmemacher an die Tradition alter Hollywoodmelodramen anknüpfen. Dem der charismatischen Sängerin verfallene Chico stand dabei optisch der mittlerweile 92-jährige Jazz-Pianist Bebo Valdéz Pate, der auch einige Kompositionen zum Film beisteuerte. Allerdings ist das äußerst schlicht gehaltene Charakterdesign, insbesondere das der Gesichtszüge, sehr gewöhnungsbedürftig.

    Die Emotionen der Figuren werden dennoch gekonnt visualisiert, und zwar mittels Farbgebung und Schattenspiel. Außerdem wirken im Rotoskopie-Animationsverfahren alle Figuren- und Kamerabewegungen sehr flüssig und natürlich, wovon insbesondere die stimmungsvollen Konzertszenen profitieren. Während der kubanischen Musikgeschichte eine große Rolle in „Chico & Rita" zukommt, verbleiben politische Umwälzungen, Rassendiskriminierung und wirtschaftliche Entwicklungen stets im Hintergrund der nach bewährtem Muster ablaufenden Liebesgeschichte, die insbesondere von einem ansteckenden Jazz-Soundtrack angefeuert wird. Die Story um die heißblütige Rita und den verträumten Komponisten, der ihr einen ganz besonderen Song widmet, bringt Truebas Begeisterung für Kuba und seine Musiker zum Ausdruck - und zugleich fängt er auf außergewöhnliche Weise das Lebensgefühl der 50er Jahre ein.

    Fazit: Mit „Chico & Rita" erzählen Fernando Trueba und Javier Mariscal von den Höhen und Tiefen einer großen Liebe und verbeugen sich zugleich vor der kubanischen Musik im Allgemeinen sowie vor dem Komponisten Bebo Valdéz im Besonderen: In Verbindung mit der außergewöhnlichen Animationsoptik wird eine einfache Geschichte so zum beschwingt-sinnlichen Jazz-Erlebnis.

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