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    UFO In Her Eyes
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    UFO In Her Eyes
    Von Christian Horn

    „UFO In Her Eyes" ist eine jener Filme, die sich nur schwer einordnen lassen: eine eigentümliche Mischung aus grotesker Gesellschaftssatire, Drama und Komödie, ein mit Science-Fiction-Elementen versetzter Independentfilm in wechselnden Stimmungs- und Tonlagen. Regisseurin Xiaolu Guo („She, a Chinese"), die mit der deutschen Produktion ihren gleichnamigen Roman (dt.: „Ein UFO, dachte sie") verfilmt hat, liefert eine höchst eigenwillige Bestandsaufnahme zur gegenwärtigen Lage im Reich der Mitte. Sie lässt in einem entlegenen Dorf Tradition und Moderne aufeinanderprallen und nimmt dabei pointiert Chinas Hinwendung zum Kommunismus aufs Korn. Dabei folgt sie keiner klaren Handlungslinie, sondern verbindet lose unterschiedlichste Themen und absurde Ereignisse – mit äußerst kurzweiligem Ergebnis.

    Nach einem heimlichen Stelldichein mit dem Dorflehrer Lee (Z. Lan) sichtet die in einem Steinbruch arbeitende Bäuerin Kwok Yun (Shi Ke) ein unbekanntes Flugobjekt und verliert das Bewusstsein. Als die Frau zu sich kommt, entdeckt sie den schwer verletzten Amerikaner Steve Frost (Udo Kier), den sie in ihrem Haus medizinisch versorgt, bevor der Unbekannte spurlos verschwindet. Von beiden Vorkommnissen berichtet Kwok Yun der Dorfvorsteherin Chief Chang (Mandy Zhang), was eine Kette von Ereignissen auslöst. Zunächst taucht wegen der UFO-Sichtung ein Regierungsbeamter im Dorf auf und interviewt die Anwohner; zudem erkennt die Dorfvorsteherin die Vermarktungschancen, die das mysteriöse Ereignis bietet: In einem grotesken Akt der Lokalpolitik entstehen ein Vergnügungspark, eine Nachbildung der Oper von Sydney und ein überdimensioniertes Fünf-Sterne-Hotel. Plötzlich fließt Geld in das Dorf, Kwok Yun wird „Bäuerin des Jahres" und Touristenbusse verstopfen die Trampelpfade zwischen den Reisfeldern.

    Die Entwicklungen, die das südchinesische Dorf im Anschluss an die UFO-Sichtung durchlebt, stehen in keinerlei rationalem Verhältnis zum Ereignis selbst, sondern entbehren jeglicher Bodenhaftung. Xiaolu Guo überspitzt ihre Darstellung satirisch, die einmal in Gang gesetzte Vermarktungsmaschine mutiert im Nu zum Vielfraß ohne Maß – eine gerade in der Übertreibung durchaus treffende Illustration des Phänomens Turbo-Kapitalismus. Dass der chinesische Kommunismus längst dem Regelwerk „der Märkte" anheimgefallen ist, macht die Dorfvorsteherin bereits zu Beginn des Films deutlich. Sie konstatiert, dass China früher um die Sowjetunion gekreist sei und heute den USA folge - dementsprechend aufregend ist für die Dorfleute der Umstand, dass es mit Steve Frost einen waschechten Amerikaner (ironischerweise gespielt vom Deutschen Udo Kier) in ihre Gefilde verschlagen hat. Die Beziehung Chinas zum Westen und die rasanten Umwälzungen im Reich der Mitte bilden das Hintergrundrauschen der Geschichte.

    Doch die Exil-Chinesin Xiaolu Guo nimmt nicht nur die Veränderungen der chinesischen Lebenswelt in den Fokus, sondern wirft auch einen satirischen Blick auf die schlichten Verhältnisse im Dorf „Dreiköpfiger Vogel", in dem der gesamte Film spielt. Hier herrscht eine strenge soziale Kontrolle, der vor allem die unverheiratete Protagonistin zum Opfer fällt, da sie ohne Ehemann oder Kind nur geringes Ansehen genießt und ganz automatisch als „Schlampe" gilt – erst ihre Berühmtheit in Folge der UFO-Sichtung und die damit zusammenhängende Ehrung als „Bäuerin des Jahres" ändern ihren Status. Ihrem freien Willen kann Kwok Yun dennoch nicht folgen: So verliebt sie sich in einen Wanderarbeiter (Y. Peng Liu), der von den Lokalbehörden vertrieben wird, weil er als Fremdling schlicht nicht ins Bild passt – die Dorfvorsteherin hat eher eine Hochzeit Kwok Yuns mit dem geschiedenen Dorflehrer im Sinn, die sie mit viel Brimborium und ihrer Wiederwahl im Hinterkopf zu inszenieren versteht. Die Besitzer der ansässigen Kleinbetriebe, deren Geschäfte im Zuge der Entwicklungen im Dorf vor die Hunde gehen, bekommen zu hören, dass sie eben Opfer fürs Kollektiv bringen müssen und als der Dorflehrer seine Scheidung einreicht, heißt es: „Wenn alle solche Individualisten wären wie Sie, würde Chaos herrschen."

    Fazit: Mit „UFO In Her Eyes" kleidet Xiaolu Guo die Entwicklung Chinas zu einer der führenden Wirtschaftsnationen in eine groteske Tragikomödie. Dabei gerät die satirische Zuspitzung zuweilen so absurd, dass ein Realitätsbezug kaum noch zu erkennen ist, und die konsequent uneinheitliche Handlung wird nur von Hauptdarstellerin Shi Ke zusammengehalten.

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