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    High Heels - Die Waffen einer Frau
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    High Heels - Die Waffen einer Frau
    Von Gregor Torinus

    Wie alle Filme des spanischen Kultregisseurs Pedro Almodóvar ist auch der 1991 gedrehte „High Heels" im Herzen ein Melodram. In diesem Falle sind zudem Thrillerelemente festzustellen, die jedoch weniger dem Aufbau von Spannung dienen, als der Dramatisierung des Mutter-Tochter-Konflikts, der das eigentliche Zentrum des Films darstellt. Almodóvar wäre jedoch nicht Almodóvar, wenn er den Hauptstrang der Handlung nicht noch um eine Reihe an skurrilen Charakteren und Nebenschauplätzen anreichern würde, die sich nach und nach miteinander verknüpfen würde. Und was es eigentlich mit dem Titel des Films auf sich hat, erfährt der Zuschauer erst in der letzten Szene von „High Heels".

    Als Manuel, der Besitzer eines Fernsehsenders, in seiner Wohnung erschossen aufgefunden wird, gibt es drei Hauptverdächtige: Manuels Geliebte Isabel (Miríam Díaz Aroca) hatte kurz vor Manuels Tod noch mit ihm geschlafen. Anschließend bekam Manuel Besuch von seiner Frau Rebeca (Victoria Abril), mit der er eine Auseinandersetzung hatte. Tot aufgefunden wurde Manuel schließlich von Rebecas Mutter Becky (Marisa Peredes). Alle drei Frauen beteuern ihre Unschuld, doch der Untersuchungsrichter (Migue Bosé) ist entschlossen, die Wahrheit herauszufinden. Doch der Fall ist noch verstrickt als zunächst geahnt, denn Manuel ist auch der Ex-Liebhaber von Rebecas Mutter Becky, die inzwischen eine berühmte Sängerin ist. Rebeca wiederum arbeitet als Nachrichtensprecherin bei Manuels Sender, wo ihre Ansagen von Manuels Geliebter Isabel synchron in Zeichensprache übersetzt werden. Kurz vor dem Mord suchte Rebeca zusammen mit Manuel und ihrer Mutter eine Schwulenbar auf, in der Rebecas Bekannter, der Tranvestit „Letal" als Becky-Imitator auftritt. Nach seinem Auftritt hatte Letal Rebeca in seiner Umkleide verführt. Seither fehlt von Letal jede Spur. Seine wahre Identität ist nicht einmal Rebeca bekannt.

    „High Heels" ist ein typischer Almodóvar-Film: Knallbunt sind nicht nur die Farben der Tapeten, sondern auch die Charaktere. Ein arroganter Showstar (Becky), die ein Mauerblümchen (Rebeca) als Tochter hat. Ein schleimiger Medienmogul, der zuerst der Lover der Mutter und später der Ehemann der Tochter ist und zugleich ein Verhältnis mit deren direkter Arbeitskollegin hat. Ein souverän auftretender Untersuchungsrichter der noch immer zusammen mit seiner schwer gestörten Mutter lebt. Ein geheimnisvoller Transvestit, der auch mal Sex mit einer Frau hat, die ihrerseits nicht einmal seinen wahren Namen kennt. Hinzu kommen ein dubioser Undercover-Ermittler im Drogenmilieu, lesbische Knastschwestern und manches bunte Volk mehr.

    Der Ausnahmezustand ist bei Almodóvar stets die Normalität, mit großer Lust am Exzess schildert er seine Helden als schillernde Figuren, die entweder direkt im Rampenlicht oder ganz am Rande der Gesellschaft stehen. Es ist die Welt der „Movida Madrileña", einer kunterbunten Kulturbewegung, die sich nach Francos Tod in der spanischen Hauptstadt bildete und nicht zuletzt auch Schauplatz von Almodóvars Sozialisation war. Und auch ein weiteres Thema fehlt schon in diesem frühen Film nicht: Das Spiel mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten und verschiedenen gesellschaftlichen Rollen, das hier vor allem durch die Figur des Transvestiten Letal zeigt, der im Verlaufe der Handlung eine immer wichtigere Rolle zu spielen beginnt.

    Doch im Zentrum des Films steht die Beziehung Rebecas zu ihrer ebenso dominanten, wie egoistischen Mutter. Rebeca hatte ein Leben lang erfolglos versucht dieser Mutter nachzueifern und ist ihr in Hassliebe verbunden. Dabei ist es weniger der Neid auf Beckys große Karriere, als vielmehr ihr vergebliches Streben nach der Liebe ihrer Mutter, was Rebeca zur Verzweiflung treibt. Die Darstellung dieses Konfliktes ist großes Drama, in dem sowohl Marisa Peredes, als auch Victoria Abril ihr großes Talent unter Beweis stellen. Wie Almodóvar diese ausufernden Gefühle inszeniert, ist große Kitsch-Kunst im Geiste seines erklärten Vorbildes Douglas Sirk. Der im Hollywood der fünfziger Jahre zu Ruhm gekommene gebürtige Hamburger Sirk zählt mit seinen knallbunten Technicolor-Kitsch-Orgien auch zu den wichtigsten Einflüssen auf Rainer Werner Fassbinder, aber auch jüngerer Regisseure wie Todd Haynes und Francois Ozon. Wie bei Almodóvar erscheinen auch Sirks Melodramen fast wie in eine traumartige Parallelwelt entrückt. Doch während Sirk diese Form nutzte, um unterschwellige Kritik an der konservativen amerikanischen Gesellschaft zu üben, stellen Almodóvars Filme eine überzeichnete Liebeserklärung an seine Heimat dar.

    Fazit: „High Heels" zeigt wie so viele Almodóvar-Filme, das pralle Leben in der spanischen Hauptstadt Madrid. Im Vergleich zum Frühwerk des Regisseurs ist „High Heels" jedoch deutlich ernsthafter: Zwar wimmelt es auch hier von skurrilen Gestalten und Geschehnissen, im Zentrum steht jedoch ein Mutter-Tochter-Konflikt, der in seiner Emotionalität tief berührt.

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