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    Keep the Lights On
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Keep the Lights On
    Von Kevin Huber

    „Kill Your Darlings" – so lautet eine geläufige Regel im kreativen Schreiben. Das Prinzip dahinter ist einfach: Ein Autor, der aus ganz persönlichen Gründen sehr an einem Teil seiner Geschichte, etwa einer Szene oder einer Figur hängt, tut sich schwer damit, das entsprechende Handlungselement möglichst objektiv zu beurteilen. Das hat oft zur Folge, dass das geliebte Stück weniger gut oder weniger nützlich für die Gesamthandlung ist, als der Verfasser glaubt. Ira Sachs‘ „Keep The Lights On" ist einer dieser Fälle, wo der Rotstift besser einige Male öfter angesetzt worden wäre. Der Regisseur erzählt mit seinem Drama kaum verschlüsselt die autobiografische Geschichte von seiner Beziehung mit dem Schriftsteller Bill Clegg, die letztendlich an dessen Cracksucht schmerzhaft zerbrach. Diese persönliche Nähe zum Material ist für „Keep The Lights On" Segen und Fluch zugleich.

    Ende der 1990er Jahre lernt der Regisseur Erik (Thore Lindhardt) über einen Telefon-Dating-Service den jungen Verlagsanwalt Paul (Zachary Booth) kennen. Aus bloßem Sex wird schnell mehr, Paul verlässt schon bald seine Freundin und zieht mit Erik zusammen. Neun konfliktreiche Jahre liegen vor dem Paar: Paul driftet in die Cracksucht ab und kämpft auch nach einem Entzug immer wieder mit Rückfällen, die Eriks Liebe auf eine harte Probe stellen. Der muss sich bald zwischen seiner großen Liebe und dem eigenen Seelenheil entscheiden...

    Das Queer Cinema hat in den vergangenen Jahren einige erfreuliche Entwicklungen erlebt. Statt sich auf Nischen-Themen wie Coming-Outs, HIV oder Diskriminierung zu beschränken und Schwule und Lesben als Außenseiter darzustellen, skizzieren immer mehr Regisseure ihre homosexuellen Protagonisten als natürlichen Teil der gesellschaftlichen Mitte. Als wollte Ira Sachs diese Entwicklung noch einmal unterstreichen, reißt er in „Keep The Lights On" zu Beginn einige typische Queer-Themen an – Cruising, HIV, Coming-Out –, bevor diese vollständig aus der Handlung verschwinden und sich Sachs in ein Beziehungsdrama stürzt, in dem es ohne Weiteres auch um ein heterosexuelles Paar gehen könnte, so allgemeingültig sind die Probleme, die thematisiert werden.

    Die große Stärke von „Keep The Lights On" ist die Glaubwürdigkeit und Echtheit der hier offengelegten komplexen Gefühlszustände. Frei von Kitsch, Klischees oder Pathos fängt Ira Sachs („Married Life") die erdrückende Empfindung von Hilflosigkeit ein, die sich ergibt, wenn man einem geliebten Menschen dabei zusehen muss, wie er sich selbst zugrunde richtet. Maßgeblich sind dabei die darstellerischen Leistungen von Thure Lindhardt („Illuminati") und Zachary Booth („Dark Horse", „Der Biber"). Unterstützt von Sachs‘ entschlackter Inszenierung und den lebensnahen Dialogen entwickeln die beiden Hauptdarsteller eine bemerkenswerte Intimität: Sex-Szenen von dieser Authentizität gibt es im Kino selten zu sehen. Durch die hervorragende Chemie zwischen den beiden Darstellern erscheint die Liebe von Erik und Paul entwaffnend natürlich und frei von Sentimentalitäten, so dass der Schmerz der immer weiter voranschreitenden Entfremdung sich später voll entfalten kann.

    Trotz der spürbaren Nähe zu seinen Figuren lässt sich nicht leugnen, dass Sachs seine Geschichte allzu einseitig erzählt. Eriks geradezu heldenhafte Hingabe und die immer komplizierteren Gefühle gegenüber seinem Liebsten sind stets das Zentrum der Geschichte, während Pauls Empfindungen nur vergleichsweise vage angedeutet werden und er daher oft etwas kühl wirkt. Statt diese selbstzerstörerische Figur näher zu erforschen, schleichen sich gerade zum Ende des Films immer wieder Szenen ein, deren Bedeutung für die Gesamthandlung unklar bleiben – hier wurde Sachs Urteilsvermögen womöglich von der autobiografischen Natur seines Films getrübt. Anders als etwa Derek Cianfrance, der sich in seinem ähnlich intimen Beziehungsdrama „Blue Valentine" einer intuitiveren und letztlich wirkungsvolleren Erzählweise bedient, erzählt Sachs seine Geschichte zudem chronologisch. Die Folge ist eine stellenweise etwas abgehackt-episodische Form, die dem Erzählfluss nicht gut tut. Wenn sich die beiden Liebenden zum x-ten Mal streiten, nur um sich bald wieder zu vertragen, stellt sich dem Zuschauer die Frage, ob diese Beziehung nicht auch etwas kompakter und effektiver strukturiert hätte geschildert werden können.

    Fazit: Ira Sachs‘ berührend-intimes Porträt einer zerfallenden Beziehung überzeugt vor allem durch seine große Authentizität und seine beiden Hauptdarsteller. Getrübt wird der positive Eindruck jedoch von einer allzu einseitigen und etwas unfokussierten Erzählweise.

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