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    Berlin Telegram
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Berlin Telegram
    Von Michael Meyns

    Film als Therapie. Das ist ein Gedanke, der einem bei Leila Albayatys „Berlin Telegram“ des Öfteren in den Sinn kommt. Aspekte ihres eigenen Lebens, vor allem eine schmerzhafte Trennung mit anschließendem Ortswechsel, verarbeitet die französische Regisseurin und Musikerin zu einem Film, der sich einfacher Kategorisierungen entzieht. Die lose Geschichte ist kaum mehr als ein roter Faden, an den Albayaty zahlreiche lange Konzertszenen reiht, vor allem aber viele stimmungsvolle Aufnahmen ihrer Wahlheimat Berlin. Das hätte leicht zur uninteressanten Nabelschau werden können, doch meistens gelingt es der Regisseurin ihre persönlichen Erlebnisse auf interessante Weise künstlerisch zu verarbeiten.

    Nachdem ihr Freund sie überraschend verlassen hat, beschließt Leila (Leila Albayaty) nach Berlin zu ziehen, sich auf ihre Musik zu konzentrieren und ihre Erlebnisse in der neuen Stadt mit der Kamera aufzuzeichnen. Auf kleinen Bühnen tritt sie auf, lernt verschiedenste Menschen kennen, fährt durch die Stadt und schließlich auch in andere Länder. In Lissabon hat sie einen Auftritt, in Kairo besucht sie einen befreundeten Musiker, doch über allem steht der Versuch, sich selbst zu finden.

    Dank immer besserer Kameras, der Möglichkeit auf heimischen PCs relativ professionell schneiden zu können und vielfältiger Vertriebswege ist es inzwischen immer leichter, einen Film zu drehen. Doch was den Filmemacher freut, ist für den Zuschauer oft eine Qual, gerade wenn es um besonders persönliche Filme geht. Privates, oft auch intimes künstlerisch zu verarbeiten und für fremde Beobachter relevant und interessant zu machen ist ein schwieriger Drahtseilakt. Dass Leila Albayaty die Hauptfigur ihres Filmes Leila nennt, sollte man nicht als Zeichen verstehen, nun einen rein autobiographischen Film zu sehen. Zwar ist das Gerüst der Handlung - die Trennung, der Ortswechsel, die Musik und die Menschen, die sie in Berlin und anderswo trifft - an Albayatys eigene Erfahrungen und Erlebnisse angelehnt. Doch die stets spürbare künstlerische Überhöhung und Verfremdung macht ihren Film zu mehr als einer eitlen Nabelschau.

    Während die vielen Konzertaufnahmen zwar fraglos rein dokumentarisch sind, zeigt Albayaty darüber hinaus ein sehr persönliches Berlin, filmt oft minutenlange Einstellungen aus S-Bahn-Zügen, Autos oder Fernzügen, bei denen Landschaften und Gebäude, Brücken und Menschen vorbeiziehen und die von aus dem Off gesprochenen melancholischen Gedanken über das Leben unterlegt sind. Das ist fast zwangsläufig bisweilen grenzwertig kitschig und weinerlich und die Regisseurin kann die Balance zwischen substanziell und banal nicht immer halten. Doch auch wenn „Berlin Telegram“ manchmal so wirkt, als würde man im Tagebuch einer fremden Person blättern, gelingt es Albayaty dank eines guten Gespürs für Bilder, Töne und Atmosphäre immer wieder aus ihren persönlichen Erlebnissen einen universellen Film über das Verarbeiten einer Trennung zu drehen.

    Fazit: Leila Albayatys „Berlin Telegram“ ist zwar eine filmische Nabelschau, doch der jungen französischen Regisseurin gelingt es über weite Strecken ihres ersten langen Films, ihre persönlichen Erfahrungen künstlerisch zu überhöhen und damit sehenswert zu machen.

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