Mein Konto
    Fuck For Forest
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Fuck For Forest
    Von Lars-Christian Daniels

    Sex sells! Warum also nicht Pornofilme in der eigenen WG drehen, eine kostenpflichtige Internetseite ins Leben rufen und die Erlöse für die Rettung des Regenwaldes einsetzen? Klingt simpel, bringt in der Praxis aber letztlich doch mehr Probleme mit sich, als es den Umwelt-Aktivisten der Organisation „Fuck For Forest“ lieb sein kann. Das verdeutlicht der polnische Filmemacher Michal Marczak („Koniec Rosji“) in seiner gleichnamigen Dokumentation, die beim DOK.Fest in München ihre Deutschlandpremiere feierte. Der Regisseur stellt das ungewöhnliche skandinavische Umweltschutzprojekt vor und begleitet die Aktivisten auf einer erlebnisreichen Reise ins Amazonasgebiet. Marczak zeigt in seinem dritten Dokumentarfilm in Spielfilmlänge viel nackte Haut und zeichnet ein amüsantes Porträt einer kommunenähnlichen Gemeinschaft, die feststellen muss, dass der Fortbestand des Regenwaldes nicht von heute auf morgen mit entblößten Nippeln und ein paar Gruppensexfilmchen gesichert werden kann.

    Durch Sex die Welt retten – das ist das Ziel der fünfköpfigen Multi-Kulti-Organisation „Fuck For Forest“, deren Kernteam aus Tommy Hol Ellingsen, Leona Johansson, Natty Mandeau, Dan Devero und Kaajal Shetty besteht. Die fünf Öko-Aktivisten, die nachts Supermarkt-Abfalltonnen plündern und viele ihrer Kleider selbst basteln, vertreiben selbstgemachte erotische Fotos und Amateurfilme, um vom Erlös ein Stück Regenwald zu kaufen und einen am Amazonas beheimateten Ureinwohner-Stamm zu retten. Ihr Engagement für die Umwelt trifft nicht überall auf Verständnis: In Norwegen wurden die engagierten Regenwaldretter zu hohen Geldstrafen verurteilt, und auch im liberaleren Berlin, wo sie mittlerweile hauptsächlich aktiv sind, stempeln viele Mitbürger die Aktivisten vorschnell als durchgeknallte Kirmestruppe mit Spaß an Sex in der Öffentlichkeit ab. Die Kamera zeigt Tommy, Leona, Natty, Dan und Kaajal beim Pornodreh in ihrer WG, beim freizügigen Protestmarsch „SlutWalk“ und der abenteuerlichen Expedition nach Südamerika, die anders verläuft als geplant…

    Die inhaltliche Nähe zu Mladen Djordjevic‘ verbittertem Mockumentary-Schocker „Leben und Tod einer Pornobande“ wird schnell deutlich: Snuff-Szenen gibt es in „Fuck For Forest“ zwar keine, doch wie sein serbischer Kollege begleitet auch Michal Marczak eine schillernde Pornotruppe auf einer ungewöhnlichen Odyssee und spart dabei weder Hardcore-Sex noch baumelnde Geschlechtsteile aus. Wer ein Problem damit hat, Aktivist Dan dabei zuzusehen, wie er sich nach dem Sex mit der  Inderin Kajaal eine Mischung aus Blut und Sperma von den eigenen Fingern leckt, sitzt definitiv im falschen Film. Marczaks Dokumentation verkommt aber weder zur billigen Sexploitation-Unterhaltung noch zum einseitigen Werbefilm für die Truppe, sondern fällt erfreulich distanziert aus: Der polnische Filmemacher macht es dem Zuschauer nicht leicht, Sympathien für die fünfköpfige Gemeinschaft zu entwickeln, weil er Tommy, Leona, Natty, Dan und Kaajal genauso zeigt, wie sie nun mal sind: amüsant und extrem skurril, zugleich aber provokant und alles andere als pflegeleicht.

    Bei einem zufälligen Treffen in der U-Bahn oder auf den Straßen Berlins würde man den Aktivisten sicherlich eher schmunzelnd aus dem Weg gehen – da ist es umso überraschender, dass Marczak tatsächlich Bilder einfängt, in denen sich wildfremde Passanten nach anfänglichem Zögern spontan zu Aktfotos für die gute Sache bereit erklären. Wie differenziert Marczaks Beurteilung des Projekts ausfällt, zeigt aber nicht nur die erklärende, nie wertende Erzählstimme aus dem Off, sondern vor allem die Begegnung mit den südamerikanischen Ureinwohnern: Was als von Herzen kommende Initiative für die Rettung des Regenwalds gut gemeint ist, demaskiert der Filmemacher schon im nächsten Augenblick als naive, bei weitem nicht zu Ende gedachte Milchmädchenrechnung. Die blauäugige Herangehensweise seiner Protagonisten, die glauben, die Welt mit ein bisschen nackter Haut und vollem Körpereinsatz retten zu können, wird von den keineswegs auf den Kopf gefallenen Amazonasbewohnern schon mit einer Handvoll plausibler Einwände gnadenlos offen gelegt.

    Fazit: Ficken für den Regenwald – Michal Marczak beleuchtet in seiner Dokumentation ein amüsantes, letztlich aber nicht zu Ende gedachtes Umweltprojekt, das trotz des ehrenwerten Engagements seiner Hauptdarsteller zum Scheitern verurteilt ist. „Fuck For Forest“ fällt dabei nicht nur unterhaltsam, sondern auch angenehm differenziert aus.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top