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    Wish I Was Here
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Wish I Was Here
    Von Christoph Petersen

    Niemand hatte „Garden State“ wirklich auf der Rechnung, denn was soll bei dem Regie- und Autorendebüt eines Sitcom-Stars wie Zach Braff schon herauskommen? Doch dann entpuppte sich die bewegende Coming-of-Age-Tragikomödie (5 Sterne von FILMSTARTS) als eine der bisher größten Indie-Perlen des angebrochenen Millenniums! Und ihr Regisseur? Der kehrte vorerst zu seiner Hit-Serie „Scrubs – Die Anfänger“ zurück und ließ sich insgesamt fast zehn Jahre Zeit, bis er nun mit dem Drama „Wish I Was Here“ endlich auch wieder als Filmemacher in Erscheinung tritt. Um sich nicht den Zwängen einer Hollywood-Studio-Produktion unterwerfen zu müssen, sammelte Braff dabei mehr als die Hälfte des Sechs-Millionen-Dollar-Budgets von seinen Fans auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter ein, wofür der Multimillionär nicht nur Glückwünsche erhielt, sondern auch eine Menge Kritik einstecken musste. Aber das Problem ist gar nicht, dass sich der superreiche Braff sein Traumprojekt von seinen weniger betuchten Anhängern finanzieren ließ. Vielmehr hätte es dem hemmungslos überladenen Drehbuch von „Wish I Was Here“ ganz einfach gut getan, wenn ein Studioverantwortlicher noch mal drüber gelesen und den ein oder anderen überflüssigen Nebenhandlungsstrang herausgestrichen hätte.

    Der 35-jährige zweifache Familienvater Aidan Bloom (Zach Braff) kann es sich nur leisten, seinen immer weniger wahrscheinlich erscheinenden Traum vom Durchbruch als Schauspieler zu verfolgen, weil sich seine Frau Sarah (grandios: Kate Hudson) als Sachbearbeiterin bei den Wasserwerken für das Familieneinkommen abplagt und weil sein Vater Gabe (Mandy Patinkin) die Semesterbeiträge für die streng jüdische Privatschule der Kinder übernimmt. Doch dann kehrt bei Gabe der Krebs zurück und der pensionierte Molekularbiologie-Professor benötigt sein verbliebenes Geld für eine experimentelle Therapie. Zwar gibt es an der Schule auch Programme für Familien, die sich die Beiträge nicht leisten können, allerdings nicht für solche, die ihre Zeit mit Schauspielerei verplempern statt einem anständigen Beruf nachzugehen. Und weil Aidan seit seiner eigenen Highschool-Zeit eine tiefe Abneigung gegenüber öffentlichen Schulen hegt, bliebt dem ohnehin gestressten Vater nichts anderes übrig, als seinen Sohn Tucker (Pierce Gagnon) und seine Tochter Grace (Joey King) fortan selbst zu Hause zu unterrichten...

    Zach Braff tritt in seinem zweiten Film in eine Reihe von Til-Schweiger-Fallen, die er in „Garden State“ noch tunlichst vermieden hat: So gibt es diesmal Michael-Bay-Zeitlupen vor perfekt ausgeleuchteten Wüsten-Panoramen, die seine ansonsten durchaus ambivalente Figur (und damit ihn selbst) in ein unpassendes Heldenlicht tauchen. Zudem lassen einige Sequenzen vermuten, dass sie nur dazu dienen, den erneut grandios zusammengestellten Indie-Soundtrack zur Geltung zu bringen. Und zu guter Letzt hat Braff einer Reihe seiner Schauspieler-Freunde kurze Gastauftritte auf den Leib geschrieben und dabei offenbar kaum darauf geachtet, ob diese vom Erzählton her zum Rest des Films passen: So verkörpert „Scrubs“-Gaststar Michael Weston einen viel zu karikaturartigen Sexisten und die beiden Intermezzi, in denen sich Braff ausgerechnet mit Jim Parsons (der gerade erst einen neuen Eine-Million-Dollar-pro-Episode-Vertrag für „The Big Bang Theory“ abgeschlossen hat) über menschenverachtende Hollywood-Castings lustig macht, wirken eher weinerlich als bissig. Aber trotz dieser Fehltritte müssen wir einem wiederholt gegen „Wish I Was Here“ vorgebrachten Argument vehement widersprechen: Der Film fühlt sich nie an wie ein rein selbstbezogenes, nur aus der Eitelkeit seines Schöpfers entsprungenes Projekt, stattdessen fühlt man bei allen angeschnittenen Themen, dass sie Braff ehrlich am Herzen liegen.

    Und das sind eine ganze Menge: das Vatersein, ein gespaltenes Verhältnis zum jüdischen Glauben, der sterbende Vater, die für ihn zurücksteckende Frau, die sich an ihrem Glauben festklammernde Tochter, der zwischen Genie und Wahnsinn feststeckende Nerd-Bruder (Josh Gad), sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, das unbedingte Verfolgen des eigenen Traums trotz Familie, die Fantasien der Kindheit im Vergleich zu den Realitäten des Erwachsenseins und letztendlich nicht weniger als der Sinn des Lebens. Den meisten der entsprechenden Handlungsstränge ringt Braff tatsächlich herzzerreißende Szenen ab, etwa wenn Grace ihrem Großvater auf dem Sterbebett eine Schweißerbrille schenkt, damit er auf der Reise in das gleißende weiße Licht seine Augen nicht schließen muss und so im Totenreich seine bereits verschiedene Frau wiederfindet, aber auf wahrhafte Aha-Momente wartet das Publikum vergeblich. Und wie sollte es bei dieser schieren Masse an angestoßenen Ideen in nur 106 Minuten auch anders sein: Am Ende bleibt Braff trotz aller guten Absichten nur an der Oberfläche und bietet zur Auflösung der Konflikte lediglich eingängige Kalendersprüche statt tieferer Wahrheiten – und dass er absolut dazu in der Lage ist, sich auch bis zu diesen vorzugraben, hat er ja in dem deutlich fokussierteren „Garden State“ bereits bewiesen.

    Fazit: „Wish I Was Here“ bietet eine Reihe wunderbar warmherzige Momente – aber das ändert leider nichts daran, dass sich Zach Braff bei seiner zweiten Regiearbeit ansonsten ziemlich verzettelt hat.

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