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    Robin Hood
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Robin Hood
    Von Lars-Christian Daniels

    Die Zeiten haben sich geändert: Damals, als der begnadete Bogenschütze und „Rächer der Enterbten“ Robin Hood mit seinen Schergen den Sherwood Forest unsicher machte und seine Beute selbstlos den Bedürftigen überließ, richtete sich die Wut der Bürger noch gegen den skrupellosen Sheriff von Nottingham, der dem Volk mit immer höheren Steuern kaum genug Geld zum Überleben ließ. In Zeiten von Euro-Krise und drohenden Staatspleiten stehen hingegen Politik und Großbanken im Zentrum der Kritik – viele Steuerzahler zeigen kein Verständnis für steuerfinanzierte Bankenrettungen, während diese weiter mit Milliarden jonglieren. Genau hier setzt der junge Filmemacher Martin Schreier an: Der Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg erzählt in seinem gleichnamigen Film vom Raubzug einer modernen „Robin Hood“-Bande, die es nach einer Welle von Privatpleiten auf den Vorsitzenden der Deutschen Nationalbank abgesehen hat. Das Ergebnis ist ein zwar überraschungsarmer aber unterhaltsamer Thriller mit actiongeladenem Finale.

    Deutschland in naher Zukunft: Nach dem Zusammenbruch der EU ist das Land schwer angeschlagen. Weil die sozialen Sicherungssysteme überfordert sind, ist ein Großteil der Bevölkerung verarmt. Auch in der Bankenmetropole Frankfurt herrscht Ausnahmezustand: Tausende Kleinanleger wurden von dem einflussreichen Chef der Deutschen Nationalbank, Rainer van Kampen (Thomas Thieme), um ihre Ersparnisse gebracht, weil sie in Ramschimmobilien investierten und nun vollkommen mittellos dastehen. Die Polizei setzt den ehrgeizigen Sonderermittler Alex (Ken Duken) und seine Partnerin Sophie (Dagny Dewath) auf den mächtigen Vorstandsvorsitzenden an – doch trotz der erdrückenden Beweislast und dem großen öffentlichen Druck kommt es nicht zu einer Anklage, weil van Kampens politische Verbindungen zu weit reichen. Als sich auch noch Alex‘ Schwester Rebecca (Marilena Netzker), die aus ihrer Wohnung geschmissen wird, aus Verzweiflung das Leben nimmt und ihren Bruder darum bittet, sich nach ihrem Freitod um ihre Tochter zu kümmern, entschließt sich Alex zu einem radikalen Schritt: Er wird selbst ein Krimineller. Obwohl er noch im Polizeidienst ist, schleust er sich in die „Sanduhr-Bande“, die bei ihren Überfällen immer eine Sanduhr am Tatort zurück lässt, ein und raubt Filialen der Nationalbank aus. Seine Beute verteilt er unter den Armen...

    Ähnlich wie Regisseur Hans Weingartner in seiner häufig unterschätzten Mediensatire „Free Rainer“ entspinnt Filmemacher Martin Schreier bei seinem Langfilmdebüt ein extremes, angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre und Bewegungen wie „Occupy Wall Street“ aber keineswegs mehr unvorstellbares „Was wäre wenn“-Szenario. Die einleitenden und in der Folge immer wieder in Fernsehberichten eingestreuten Live-Bilder aus „Mainhattan“ (die übrigens in Stuttgart entstanden), wo bettelarme Bundesbürger auf Matratzen unter Brücken leben, sich von Lebensmittelspenden ernähren oder in der neu entstandenen „Hermann-Hesse-Siedlung“ gegen die Banken protestieren, entwickeln eine große Faszination und erinnern an populäre Katastrophen- und Endzeitfilme, vor denen sich „Robin Hood“ auch produktionstechnisch nicht zu verstecken braucht: Kameramann Markus Nestroy („Kaiserschmarrn“) liefert atemberaubende Hochglanzbilder und die bedrohliche Soundkulisse aus Donnerschlägen und den dröhnenden Bässen des Soundtracks bringt den Kinosessel förmlich zum Erbeben. Schreier, der gemeinsam mit Drehbuchautor Florian Schumacher („Dschungelkind“) auch das Drehbuch  zu „Robin Hood“ konzipierte, zieht den Zuschauer mit seiner hollywoodreifen Inszenierung des beklemmend realistischen Szenarios schnell in seinen Bann und legt von Beginn an ein flottes Erzähltempo vor.

    Sein Drehbuch lässt jedoch die letzte Raffinesse vermissen: Hat sich der moderne Rächer der Enterbten erst einmal in die Bankräuberbande um Anführer Ron (Matthias Koeberlin), Erik (David Steffen), Kim (Melanie Blocksdorf), Til (Vinzenz Kiefer) und den Profi-Hacker Sergeij (Stipe Erceg) eingeschleust, entwickelt sich „Robin Hood“ zu einer wendungsarmen Räuber-und-Gendarm-Geschichte, bei der sich mit zunehmender Spielzeit ein gewisser Style-over-Substance-Eindruck verfestigt. Hier erweist es sich auch als kontraproduktiv, dass Schreier mit der Brechstange ein Techtelmechtel zwischen Alex und seiner ahnungslosen Ex-Partnerin Sophie, die nach der verpatzten Anklage zur Bereitschaftspolizei strafversetzt wird, im Plot unterbringt: Nach einleitenden Schmusebildern auf der Couch hängt diese Liebesgeschichte fast eine Stunde lang in der Luft, so dass der große Moment, in dem Sophie endlich erkennt, dass sich ihr verbitterter Ex-Kollege hinter der Bankräuber-Maske verbirgt, nicht die erhoffte Wirkung erzielt. „Robin Hood“ weiß dennoch bis zum actiongeladenen Showdown zu unterhalten und fällt zudem erfreulich differenziert aus: Statt lediglich von einem stumpfen Rachefeldzug im Auftrag des ausgebeuteten Steuerzahlers zu erzählen, zeigt Schreier nämlich auch die Kehrseite der Medaille. Neben einigen Obdachlosen, die die rabiaten Methoden der Bande trotz der persönlichen Genugtuung scharf verurteilen, kommt beispielsweise auch ein traumatisierter Bankangesteller zu Wort, dessen Leben durch einen Überfall zum Wohle der Allgemeinheit schlagartig verändert wurde.

    Fazit: Martin Schreier inszeniert mit „Robin Hood“ einen adrenalinschwangeren und temporeichen Bankraub-Thriller, der sich vor amerikanischen Genrevorbildern nicht zu verstecken braucht. Der eine oder andere doppelte Boden hätte der etwas zu geradlinig ablaufenden Geschichte allerdings gut zu Gesicht gestanden.

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