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    Bros Before Hos
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Bros Before Hos
    Von Thomas Vorwerk

    Komödien der derberen Art haben schon längere Zeit Konjunktur. Während die Vorreiter, die Brüder Farrelly („Verrückt nach Mary“), immer mal wieder zurück ins Rampenlicht finden (zuletzt mit „Dumm und Dümmehr“), drehen Judd Apatow („Beim ersten Mal“), Adam McKay („Anchorman - Die Legende von Ron Burgundy“) und Co. in immer neuen Konstellationen Filme, die selbst bei geradezu inflationärem Output ihre Kosten meist mit Leichtigkeit wieder einspielen. In Holland, dem Filmland, das lange Zeit durch die Familie Flodder („Eine Familie zum Knutschen“) repräsentiert wurde, versteht man sich auf nicht hundertprozentig geschmackssichere Comedy ebenfalls, und nachdem der Überraschungs-Exportschlager „New Kids Turbo“ auch in Deutschland fast 500.000 Zuschauer in die Kinos lockte, folgt nun nach „New Kids Nitro“ mit „Bros Before Hos“ die neue Komödie von Steffen Haars und Flip Van der Kuil (oder kurz „Steffen und Flip“). Die „Persiflage“ auf  romantische Komödien fällt dabei aber nicht besonders treffsicher aus und ob das Ganze überhaupt witzig ist, das erweist sich mehr denn je als eine Frage des Geschmacks. Fest steht, dass die Kollision zwischen politisch unkorrektem Anarcho-Witz und einem der konservativsten Filmgenres überhaupt nicht automatisch einen „Brüller“ zum Ergebnis hat.

    Als etwa Zehnjährige haben Max (Tim Haars) und sein Adoptivbruder Jules (Daniel Arends) einen Pakt geschlossen: „Bros before Hos“. Die Freundschaft zwischen den ungleichen Brüdern soll für alle Zeiten wichtiger sein als irgendein „Beziehungsmist“ mit Frauen, denn wie es ihnen der Vater beigebracht hat, als er die Mutter aus dem Haus warf: „Alle Frauen sind Drecksnutten. Das Einzige, wofür sie gut sind, ist ficken.“ Diese (ganz am Schluss vom vereinsamten Vater revidierte) Lebensweisheit weiß insbesondere Jules gut umzusetzen, der in seinem Supermarkt-Job gern im Pfandflaschenlager die blutjungen Praktikantinnen „einreitet“, ehe er sie zu noch unappetitlicheren Jobs abkommandiert. Max indes „lebt seinen Traum“: er schlurft in Adiletten zur Videothek gleich unter seiner Wohnung und schaut bevorzugt seinen Lieblingsfilm „Rambo“, während seine Arbeitszeit verstreicht und sich nur ab und zu ein Kunde in den Laden verirrt. Auf diese Weise lernt er auch die Psychiatrie-Pflegerin Anna (Sylvia Hoeks) kennen und verliebt sich zum ersten Mal in seinem Leben - doch damit beginnt das große Problem, denn aktuell verlustiert sich ausgerechnet Jules mit Anna (er leugnet, dass sich dies zu einer Beziehung auswachsen könnte): Der alte Pakt und die Liebe könnten die Brüder entzweien.

    Beim „Parodieren“ der romantischen Komödie klammert sich das Regie-Duo an die konventionellsten (und oft reaktionärsten) Merkmale des Genres, wie etwa in jenen Montagesequenzen, die mit glücklichen Bildern (Kirmesbesuch) verdeutlichen, dass Max und Anna „füreinander geschaffen“ sind (schließlich haben sie denselben Lieblingsfilm…). Die Distanzierung von den oft klebrig-süßen RomCom-Zielscheiben erfolgt dann durch brachiale Einschübe – etwa wenn sich Max nach reichlichem Alkoholgenuss mehrfach auf dem Rummelplatz erbrechen muss. Das wiederum ändert an der Harmonie zwischen den beiden Turtelnden nichts, denn die Frauenfiguren in „Bros before Hos“ ordnen sich gänzlich unter. Das ist auch in den meisten Romantikfilmen so, aber hier zeigen die Frauen zusätzlich allenfalls rudimentäre Spuren von Intelligenz. Die Supermarktpraktikantinnen lassen sich wie der letzte Dreck behandeln und werfen Jules dennoch schmachtende Blicke zu; Anna sitzt wenige Meter daneben, während Jules auf frauenverachtende Weise den seiner Meinung nach korrekten Umgang mit „Schlampen“ deklamiert; Suzanne alias „Püppi“ (Jennifer Hoffman) verhält sich noch am ehesten nachvollziehbar, wird aber als eine unerträgliche „Zicke“ dargestellt, weil sie ihren Freund René (Henry Van Loon) ermahnt, die Klobrille wieder herunterzuklappen - während man analog Max und Jules dabei sieht, wie sie willentlich den Fußboden einer öffentlichen Toilette einnässen, als hätten sie den Auftrag, eine Rasenfläche zu gießen.

    Beim Finale ist „Bros Before Hos“ schließlich einfallsloser als die hinterletzte aller romantischen Komödien, die man ja vermeintlich veräppeln will. Da soll es wohl besonders witzig sein zu sehen, was Anna und „Püppi“ ihren Vollpfosten-Freunden alles verzeihen. Und angesichts der ungehemmt frauenfeindlich über die Stränge schlagenden Männer ist es auch auf unschöne Weise passend, dass die einzigen besonderen Fähigkeiten, die man weiblichen Personen zuspricht, sich hier auf die filigrane Körperbeherrschung (insbesondere im Unterleib) beschränken. Und wenn man erlebt, wie die vermeintlichen „Helden“ sich mit dem Fremdwort „Körperhygiene“ arrangieren, fällt es umso schwerer zu verstehen, wie die Eroberungen sich vom nichtexistenten „Charme“ der Schürzenjäger ein ums andere Mal einwickeln lassen. Die Masche der Brüder wird in einer längeren Montagestrecke vorgeführt: Max spielt Jules gegenüber den Traurigen, der angeblich von seiner Freundin verlassen wurde, sofort tauchen zwei interessierte und mitgefühlsbereite junge Frauen auf, man bestellt vier Long Island Ice Tea, tanzt ein wenig und kurz darauf folgt dann symptomatisch jeweils eine Einstellung, in der eine Frau ihren Slip über die Knie nach unten zieht (abgesehen von zwei offensichtlich unechten Penissen gibt es im Film übrigens erstaunlicherweise keinerlei Nacktheit). Die Welt, in der „Bros before Hos“ spielt, entspringt definitiv einer seltsamen, kruden Männerphantasie.

    „Liebe“ ist, wenn Frauen an phallischen Videospielpistolen herumlecken, unter „Nostalgie“ versteht man verkleisterte alte Herrenmagazine und die Definition von „Nächstenliebe“ erschöpft sich darin, dass die (immerhin empathiefähige) Krankenpflegerin Anna ihrem gewaltbereiten Lieblingspatienten Jordy (Huub Smit) hin und wieder eine Tüte voller harter Pornofilme mitbringt, was ihn zumindest kurzfristig davon abhält, dem Nächstbesten eine Schere oder sonst einen herumliegenden Gegenstand in die Schulter zu rammen. Das Traurigste an diesem Film ist, dass er abgesehen von den Schockeffekten, also etwa der politisch unkorrekten Zurschaustellung von Behinderten oder dem Verlesen von anrüchigen Filmtiteln wie „Dornmöschen“ und „Schindler's Fist“ vor einer Großmutter mit ihrer kleinen Enkelin, erstaunlich wenig Humor zu bieten hat. Die angekündigten „Körperflüssigkeiten“ bestehen zu 50 Prozent aus Erbrochenem, die Witze selbst sind (in der deutschen Synchronisation jedenfalls) gegen naheliegende Opfer wie Reiner Calmund, Gina Wild und Wayne Carpendale gerichtet und zeugen nicht eben von Kreativität. Manchmal wird man aber tatsächlich überrascht und dann wird das Lachen zum notwendigen Selbstschutz. Das lässt sich mit einem der (nicht nur in dieser Hinsicht) besten Gags des Films demonstrieren:

    „Kennt ihr den Film 'Flucht von Alcatraz'?“

    „Und ob, Mann! Das ist mein Lieblingsfilm! Mit Whoopi Goldberg!“

    Fazit: Wer der Meinung ist, dass man sich gewisse Dinge „schöntrinken“ kann (oder muss), der sollte sich nicht in nüchternem Zustand in diesen Film wagen. Komplett losgelöst von Kategorien wie Intelligenz und Geschmack im herkömmlichen Sinn mag „Bros Before Hos“ ein riesiges Vergnügen sein.

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