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    Elser
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Elser
    Von Carsten Baumgardt

    Und immer wieder die Nazis! Das deutsche Kino arbeitet sich ständig am Dritten Reich und seinen Protagonisten, seinen Opfern und seinen Gegnern ab. Auch für Regisseur Oliver Hirschbiegel ist das ein zentraler Themenkomplex. Er startete seine Kinokarriere einst mit zwei sensationellen Hits („Das Experiment“, „Der Untergang“), aber danach ging es 10 Jahre lang meist bergab, ehe er mit der kurios vermurksten Lady-Di-Schmonzette „Diana“ einen Tiefpunkt erreichte. Nun kehrt er zur Epoche seines größten Erfolges „Der Untergang“ zurück und widmet sich einmal mehr dem Nationalsozialismus. In dem Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Elser“ wählt er aber eine komplett andere Herangehensweise und Perspektive als bei seinem krachenden Hitler-Bunker-Reißer, in dem Bruno Ganz als kleiner Diktator alle schauspielerischen Register zog. Bei seiner Aufarbeitung des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller durch Georg Elser wählt Hirschbiegel nun die leisen Töne und eben nicht das große Spektakel. Statt um die „Führerdämmerung“ geht es unter anderem um das Mitläufertum im Dritten Reich, was weniger Gelegenheit zum Historienspektakel bietet. Herausgekommen ist ein routiniert gespieltes und inszeniertes Drama, mit dem der Regisseur zumindest wieder einen Schritt nach vorne macht.

    8. November 1939: Der Schreiner Georg Elser (Christian Friedel) legt mühsam letzte Hand an, dann ist es vollbracht: Seine selbstgebaute Bombenkonstruktion ist im Münchner Bürgerbräukeller platziert und scharf gemacht. Elser macht sich auf die Flucht. Als der Sprengstoff zündet, ist er bereits in Konstanz am Bodensee und wird an der Schweizer Grenze wegen auffälligen Verhaltens festgesetzt. Acht Menschen kommen bei der Explosion ums Leben, das eigentliche Ziel, Adolf Hitler (Udo Schenk), hat jedoch überlebt, weil der „Führer“ die Veranstaltung 13 Minuten vor der verheerenden Detonation verlassen hatte. Elser wird nach Berlin gebracht und von Reichskriminaldirektor Arthur Nebe (Burghart Klaußner) und Gestapo-Chef Heinrich Müller (Johann von Bülow) verhört. Zwar gesteht Elser unter Folter die Tat, will aber als Einzeltäter gehandelt haben, was nicht ins Weltbild der Nazis passt. Durch die Festnahme von Elsers Geliebter Elsa (Katharina Schüttler) bauen die Peiniger weiter Druck auf.

    „Elser“ besteht abgesehen von einem kurzen Prolog aus zwei Handlungssträngen. Zum einen geht es um das Attentat 1939 und die Folgen, zum anderen führen uns Hirschbiegel und seine Drehbuchautoren zurück in das Jahr 1932 und erzählen von Elsers (un)politischer Vergangenheit sowie vor allem von seiner unglücklichen Liebesbeziehung zur verheirateten Elsa. Die regelmäßigen Wechsel zwischen den beiden Ebenen erweisen sich dabei als nicht besonders produktiv. Im Gegenteil: Der Erzählfluss (insbesondere die Dynamik von Haft und Verhör nach dem Anschlag) leidet zuweilen unter den Unterbrechungen. Dennoch sind die kammerspielartigen, intensiven Konfrontationen zwischen dem Nazi-Duo und Elser die spannendsten Szenen des Films. Der Blick in die Vorgeschichte erweist sich indes als weniger gelungen. Während Elsers erst vage Abneigungen gegen die immer mächtiger werdenden Nationalsozialisten und seine ebenso kaum artikulierten Sympathien für den kommunistischen Roter Frontkämpferbund immerhin Ansätze einer Erklärung dafür bieten, wie ein graumäusiger Mitläufer dazu kommt, ein Attentat auf Hitler zu planen und sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, lenkt das Liebesdreieck mit Elsa und ihrem ekelhaften Saufbold-Gatten Erich (Rüdiger Klink) immer wieder vom dramatischen Kern ab.

    Die große, unglückliche Liebe zu Elsa scheint mit dem Georg, der plötzlich einen wahnwitzigen Attentatsplan fasst, kaum etwas zu tun zu haben, dafür ist sie viel zu sehr in Kinoklischees entrückt: Der Film in seinem sepiafarbenen Retrolook wird alsbald von einem Hauch Romantik umweht – Musik und Tanz inklusive. Das ist geradezu banal, am reizvollsten ist dabei noch der Seitenblick auf die Stimmung in Elsers Heimatort Königsbronn. Ganz anders dagegen die Verhörszenen auf der anderen Handlungsebene, hier geht Hischbiegel differenziert und subtil vor – und erzielt damit eine schmerzhaft-emotionale Wirkung. Er lässt das Publikum auch an der Psychologie der Folterer teilhaben, ohne in Klischees zu verfallen. Die skrupellosen Verhörspezialisten sind sich irgendwann tatsächlich sicher, dass Elser ein ideologisch standfester Einzeltäter ist, doch ihre Position ist ebenso klar: „Die Wahrheit bestimmen wir!“ – ein ebenso treffender wie gruseliger Satz.

    Hauptdarsteller Christian Friedel („Das weiße Band“) mag nicht das extrovertierte Charisma eines Klaus Maria Brandauer besitzen, das der österreichische Vollblutmime in seinem selbstinszenierten „Georg Elser – Einer aus Deutschland“ (1989) an den Tag legte, liefert aber eine gute Leistung ab. Seine Zurückhaltung, die auch durch Folter nicht wirklich aufzuweichen ist, passt zu der widersprüchlichen Konsequenz eines eigentlich typischen Mitläufers, der kühn alles gewagt (und verloren) hat. Er winselt nicht, er jammert nicht, er klagt nicht an. Er kennt sein Schicksal. Sein größter Dienst an der Menschheit blieb ihm allerdings verwehrt - tragischerweise beförderte er stattdessen acht unschuldige Zivilisten ins Jenseits. Auf der anderen Seite des Verhörtisches ergibt sich ein interessantes Spannungsfeld zwischen Burghart Klaußners („Das weiße Band“) eher moderatem Nebe und dem von Johann von Bülow („Das Fremde in mir“) gespielten Gestapo-Hardliner Müller. Ihre Meinungsverschiedenheiten spielen sich oft auf einer unterschwelligen Ebene ab – diese Subtilität fehlt dem Film an anderer Stelle.

    Fazit: Oliver Hirschbiegels Drama über Georg Elser und sein fehlgeschlagenes Attentat auf Adolf Hitler besticht durch intensive Verhörszenen, hat aber auch deutliche erzählerische Schwächen.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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