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    Istanbul United
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Istanbul United
    Von Christian Horn

    Die drei größten Fußballclubs aus Istanbul heißen Galatasaray, Fenerbahçe und Beşiktaş. Berüchtigt sind die Vereine insbesondere für die bittere Rivalität der Fans untereinander, die nicht selten gewaltsame Auseinandersetzungen verursacht, bei denen es meistens Verletzte und manchmal sogar Tote gibt. Im Sommer 2013 schlossen sich die verfeindeten Fanlager jedoch unter dem Namen „Istanbul United“ zusammen, um im Zuge der Gezi-Proteste Seite an Seite gegen den ungeliebten Premierminister Erdogan zu demonstrieren. Farid Eslam und Oliver Waldhauer entwerfen in ihrem nach diesem Phänomen benannten Dokumentarfilm zunächst ein Porträt der Fußballkulturkultur in Istanbul, bevor sie die Proteste mit Camcorder- und Handymaterial begleiten. Die Verbindung zwischen beiden Teilen bleibt dabei eher lose, weswegen es gerade dem nicht ausreichend vorgebildeten Zuschauer schwerfallen dürfte, alles zu erfassen. Wer sich für die Materie interessiert, bekommt aber einen interessanten Einblick in eine außergewöhnliche Bewegung geboten, die auch immer noch ein brisantes Thema ist: Für 35 damals protestierende Fußballfans forderte die Staatsanwaltschaft Anfang September 2014 lebenslange Haftstrafen.

    Was Ende Mai 2013 als eine Demonstrationen gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Istanbuler Taksim-Platz und die Entfernung einiger Bäume im angrenzenden Gezi-Park begann, weitete sich binnen weniger Tage zu landesweiten Protesten in der Türkei aus. Die Gezi-Proteste richteten sich dabei gegen die autoritäre Regierung Erdogan, deren Polizisten mit Tränengas und aller Härte gegen die Bevölkerung vorgingen. Der Welle der Entrüstung schließen sich bald auch die Fans der drei großen Istanbuler Fußballvereine Galatasaray, Fenerbahçe und Beşiktaş an, deren eigentlich innig verfeindete Ultra-Gruppen sich als „Istanbul United“-Block am Protest beteiligten. Mit drei Protagonisten, darunter Fans verschiedener Clubs und ein Sportjournalist, zeichnet die Doku diese Entwicklung nach, mit der die Fußballfans im Vorfeld selbst wohl am wenigsten gerechnet hätten.

    „Istanbul United“ besteht aus zwei Teilen mit annähernd gleicher Laufzeit. In der ersten Filmhälfte wird mit Hilfe von Interviews sowie Aufnahmen aus Fußballstadien und von Hooligan-Straßenschlachten dem Zuschauer ein Eindruck der rivalisierenden Fußballclubs in der Bosporus-Metropole vermittelt. Der zweite Teil widmet sich den Gezi-Protesten, wobei die politischen Hintergründe keine Rolle spielen. Gefilmt wurden die beiden Teile allerdings in umgekehrter Reihenfolge, denn die Regisseure fanden das Thema ihres Langfilmdebüts quasi auf der Straße, als sie die Demonstrationen in Istanbul mit der Kamera begleiteten. Abseits der klassisch gefilmten Interviews sind daher auch viele Bilder sehr direkt und rau. Es wird deutlich, dass diese ohne große Filmtechnik inmitten der Proteste entstanden. So werden auch Verletzte oder der Einsatz von Tränengas hautnah dokumentiert. Hinzu kommen Amateuraufnahmen mit Smartphones und Videos in YouTube-Ästhetik, die auch dem Umstand rechnen tragen, dass die Protestwelle ausgiebig auf sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter kommentiert wurde. Am Ende des Films steht ein kleines Fazit der Ereignisse, wobei eine analytische Betrachtung der Protestwelle ebenso ausbleibt wie eine zwingende inhaltliche Verbindung der beiden Filmhälften.

    Fazit: „Istanbul United“ ist eine mit einfachen Mitteln gefilmte Doku, die sich mit der Istanbuler Fußballkultur und den Gezi-Protesten beschäftigt.

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