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    Mein Herz tanzt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Mein Herz tanzt
    Von Katharina Granzin

    Eran Riklis („Lemon Tree“) ist mit „Mein Herz tanzt“ ein ebenso leichtgängiger wie nachdenklicher Film gelungen, in dem er eine bittersüße Beziehungskrise mit offenem Ende stellvertretend für die israelisch-palästinensische Dauermisere präsentiert. Sayed Kashua, ein Araber mit israelischem Pass, hat für das Drehbuch zwei seiner Romane stimmig zusammengeführt und den Stoff zudem mit humoristischen Elementen angereichert. So beginnt „Mein Herz tanzt“ als leicht überdrehte arabische Familienkomödie in der Tradition der in Israel sehr bekannten Fernsehserie „Avoda aravit“, für die auch Kashua als Autor tätig ist. Aber dabei bleibt es nicht. Während gerade Fans von „Avoda aravit“ aufgrund des Wiedererkennungseffekts zunächst in Sicherheit gewogen werden, endet Riklis‘ Film schließlich als philosophisch angehauchtes Melodram, nachdem der Regisseur zwischendurch auch noch eine Coming-of-Age-Story und eine Liebesgeschichte ohne Happy End erzählt hat. Dass dieser ziemlich gewagte Genre-Mix tatsächlich funktioniert, ist dabei vor allem dem durchgängig wunderbar lakonischen Erzählton zu verdanken.

    Der junge Eyad (Tawfeek Barhom), der in einem kleinen arabischen Dorf in Israel aufwächst, fällt schon als Kind wegen seiner überdurchschnittlichen Intelligenz auf. Als Teenager wird er als erster Araber überhaupt in ein jüdisches Eliteinternat in Jerusalem aufgenommen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist Eyad voll integriert, hat mit Naomi (Danielle Kitzis) eine nette Freundin und einen Nebenjob als Gesellschafter für den gleichaltrigen, an Multipler Sklerose erkrankten Yonatan (Michael Moshonov). Doch wie alle seine neuen Freunde ist auch Naomi Jüdin und die beiden müssen ihre Gefühle geheimhalten, da ihnen klar ist, dass weder Mitschüler noch Eltern die Beziehung gutheißen würden. Das geht auf Dauer nicht gut. Um einen folgenschweren Konflikt zu vermeiden, geht Eyad von der Schule ab, macht die Abiturprüfungen als Externer und besteht sie für den zunehmend bewegungsunfähigen Yonatan gleich mit. Schließlich trifft Eyad eine radikale Entscheidung, die sein gesamtes bisheriges Leben in Frage stellt…

    Riklis erzählt die erstaunlichen Wandlungen des jungen Eyad mit einer ebenso erstaunlichen filmischen Gelassenheit. Sehr wenige, beiläufig eingestreute Szenen genügen ihm, um zu zeigen, in welchem Ausmaß die arabischen Bürger in Israel alltäglichen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Als Eyad einmal zum Spaß auf der Straße mit seiner Freundin arabisch spricht, wird er sofort von einem Polizisten zur Überprüfung der Personalien festgesetzt. Als er Arbeit sucht, bekommt er immer nur Jobs als Tellerwäscher - und erst, als er sich einen jüdischen Vornamen zulegt, wird er direkt als Kellner eingestellt. Doch Eyad verzichtet darauf aufzubegehren und auch Riklis vermeidet jeden kämpferischen Ton. Der Protagonist hat als Kind am Beispiel seines Vaters gesehen, wie dessen politisches Engagement nur dazu führte, dass er aus seinem Leben nichts machen konnte. Eyad aber will etwas erreichen und das ist eigentlich ganz einfach: Er entscheidet sich dagegen, weiter Araber zu sein.

    Riklis und Kashua erzählen von dieser atemberaubend-radikalen Entscheidung ohne jedes Pathos. Ganz im Gegenteil scheint sie sich gleichsam zwangsläufig aus der Filmhandlung zu ergeben. Zugleich bewirkt diese beiläufige, geradezu stoische Erzählhaltung, dass die grotesk scheinenden Verhältnisse zwischen Israelis und Palästinensern im Nachhinein beim Zuschauer eine nur noch größere Beklemmung auslösen. Am Schluss hat nicht nur der Protagonist, sondern auch der Film einen sehr langen Weg zurückgelegt, der weit, weit weg führte von den komödiantischen Anfängen im scheinbar so harmonischen dörflichen Familienidyll.

    Fazit: Regisseur Eran Riklis behandelt die existenziellen Fragen des Lebens mit einer seltenen Beiläufigkeit – und erzielt so eine viel stärkere Wirkung, als er es mit dem erzählerischen Holzhammer je könnte.

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