Mein Konto
    A Bigger Splash
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    A Bigger Splash
    Von Michael Meyns

    Bereits 2009 hinterließ der sizilianische Regisseur Luca Guadagnino mit seinem sinnlichen Drama „I am Love“ bleibenden Eindruck, nun legt er mit „A Bigger Splash“ einen erneut überaus erotischen Nachfolger voller sexueller Abgründe vor. Der dramatische Beziehungsreigen ist ein loses Remake von Jacques Derays 1969er-Kultklassiker „Der Swimmingpool“ mit Alain Delon und Romy Schneider (der 2003 schon François Ozon zu seinem eigenen „Swimming Pool“ inspirierte), während der Titel auf David Hockneys legendäres Gemälde von 1967 verweist, jenes Sinnbild für hedonistische Exzesse in und um einen sonnendurchfluteten Pool. Die ersten 30, 40 Minuten von „A Bigger Splash“ sind dann auch atemberaubend sexy, bevor Guadagnino sich in zunehmend seichte erzählerische Gewässer begibt.

    Paul (Matthias Schoenaerts) und Marianne (Tilda Swinton) glauben, auf der kleinen sizilianischen Insel Pantelleria ein ruhiges Plätzchen gefunden zu haben. Stille ist es, was sie suchen: Die Sängerin Marianne muss sich von einer Stimmbandoperation erholen und gibt kaum ein Wort von sich. Doch dann platzt Mariannes Ex-Produzent und vor allem Ex-Lover Harry (Ralph Fiennes) ins Paradies und sorgt mit seiner von Drogen und Alkohol befeuerten Energie für Unruhe. Er hat auch noch seine halbwüchsige Tochter Penelope (Dakota Johnson) mitgebracht, der das lasziv-sinnliche Leben auf der Insel sichtbar gefällt. Das Quartett gerät in einen Strudel aus Erinnerungen und Begierden, es kommt zu tödlichen Spannungen...

    Ganz still ist es am Anfang von „A Bigger Splash“. Paul und Marianne sprechen kein Wort, liegen nackt am Pool, lieben sich innig im Wasser: Sie sind das Sinnbild einer harmonischen Beziehung. Ein Anruf stört jedoch bald den Frieden und von dem Moment an, in dem er das erste Mal auftritt, beherrscht Ralph Fiennes („Der englische Patient“, „Schindlers Liste“) das Geschehen. Der Brite legt hier jede distinguierte Zurückhaltung ab und frönt bei seinem atemberaubenden Auftritt dem Exzess. Sein Harry ist dauerhaft bedröhnt, er rast gleichsam durch den Film - überschwänglich, exaltiert, von seiner eigenen Brillanz als Musikproduzent ebenso überzeugt wie von seiner Unwiderstehlichkeit. Mit seinem Auftauchen ist das Idyll beendet, nach und nach offenbart Regisseur Guadagnino nun eine komplexe Figurenkonstellation.

    Harry hat Marianne einst verlassen, um sie vor seinen Eskapaden zu schützen und sie gleichsam an Paul vermittelt. Seine Egomanie ist kaum zu fassen und wird von Ralph Fiennes' unglaublich affektierter Performance noch akzentuiert. Diese doppelte Selbstverliebtheit ist aber zugleich auch sinnlich und cool – als wäre man zurück in den späten 60er Jahren. Der Pool, das Haus, die (spärliche) Kleidung, die Sonnenbrillen, dazu der Sound der Zeit mit Musik von den Rolling Stones bis Popol Vuh: Guadagnino etabliert die faszinierende Stimmung einer freizügigen, genusssüchtigen und zügellosen Welt. Bei allen atmosphärischen Stärken gelingt die bei der Konstellation geradezu unvermeidliche dramatische Eskalation erzählerisch dann jedoch nicht ganz überzeugend.

    Auch wer Jacques Derays Original nicht kennt, durchschaut schnell, worauf das Geschehen hier hinausläuft, zumal Matthias Schoenaerts („Der Geschmack von Rost und Knochen“) eine viel zu schwache Position im erotischen Quartett einnimmt. Ganz anders als einst beim Selbstvertrauen, Coolness und Sex verströmenden Alain Delon ist sein Paul zurückhaltend, ja geradezu schüchtern, was es nicht einfach macht, ihn als eifersüchtigen Liebhaber ernstzunehmen. Er schaut den Dingen zu, ist dabei jedoch für vieles blind. Er verkörpert in gewisser Weise die Passivität der Upperclass, diesen Schluss legen auch die von Guadagnino etwas willkürlich eingestreuten Einstellungen von Flüchtlingen nahe, die auf der Insel in Aufnahmelagern hausen.

    Der mit den Flüchtlingsbildern angedeutete Kontrast zwischen der Selbstbezogenheit der Privilegierten am Pool und den wahrhaft existenziellen Problemen in der Welt um sie herum, wird vom Regisseur allerdings kaum vertieft. Vielmehr verfällt er selber zunehmend dem Reiz der von ihm selbst so verführerisch inszenierten Oberfläche. Die Abgründe, die Ralph Fiennes mit seinem Porträt eines exzessiven und exaltierten, aber im Kern verletzlichen Mannes andeutet, sind in der Geschichte selbst immer weniger zu finden und so verliert auch die verhängnisvolle Viererbeziehung zwischen Sex und Tod schließlich deutlich an Spannung.

    Fazit: Luca Guadagninos sinnliches Erotikdrama „A Bigger Splash“ lässt nach einem brillant-mitreißenden ersten Drittel nach, aber vor allem dank eines entfesselt aufspielenden Ralph Fiennes bleibt es auch dann noch sehenswert.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top