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    Sand Dollars
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Sand Dollars
    Von Christoph Petersen

    In „Paradies: Glaube“ stellte Ulrich Seidl vor einigen Jahren seine Protagonistin, eine Sextouristin in der Dominikanischen Republik, bis weit über die Schmerzgrenze des Publikums hinaus bloß: eine in seiner Gnadenlosigkeit kraftvolle, dabei aber nur wenig Zwischentöne zulassende Abrechnung! In dem ebenfalls in der Dominikanischen Republik gedrehten „Sand Dollars“ steht nun erneut eine Sex- bzw. Liebestouristin im Zentrum, aber damit enden die Gemeinsamkeiten mit „Paradies: Glaube“ auch schon, denn das chilenische Regie-Duo Israel Cárdenas und Laura Amelia Guzmán verzichtet auf jegliche Anklage gegenüber seinen Figuren: Die wohlhabende französische Großmutter Anne (Geraldine Chaplin) ist ehrlich an der jungen Noeli (Yanet Mojica) gelegen, mit der sie nun schon seit drei Jahren eine Beziehung führt, die natürlich nur wegen Annes regelmäßigen (Geld-)Geschenken weiterbesteht, selbst wenn das so direkt nie ausgesprochen wird. Immerhin hat Noeli einen festen Freund (Ricardo Ariel Toribio), den sie gegenüber ihrer drei Mal so alten Gönnerin als ihren Bruder ausgibt.

    Der völlig geradlinig erzählte „Sand Dollars“ mag im ersten Moment ein wenig simpel wirken, ist auf den zweiten Blick aber sehr viel komplexer als die meisten Filme zu diesem Thema, die in der Regel mit einer Agenda aufwarten und dieser notfalls auch die ein oder andere angebrachte Nuance opfern (neben „Paradies: Glaube“ ist das sicherlich auch ein möglicher Vorwurf an Laurent Cantets „In den Süden“). Bei Cárdenas und Guzmán gibt es hingegen weder Täter noch Opfer, stattdessen stecken hier alle in einem komplexen Netz aus emotionalen, wirtschaftlichen und existenziellen Abhängigkeiten, die nie grob ausgestellt, sondern wie nebenbei und sehr subtil mit herausgearbeitet werden. Im Zentrum steht eine ungleiche Liebesbeziehung, getragen von zwei grandiosen Darstellerinnen: auf der einen Seite die wunderbare Geraldine Chaplin („Doktor Schiwago“, „Nashville“) in ihrer besten Rolle seit „Sprich mit ihr“, und auf der anderen die Newcomerin Yanet Mojica, die Noeli mit entwaffnender Natürlichkeit verkörpert. Gerade weil hier niemand didaktische Absichten verfolgt, entwickelt das zwangsläufige Scheitern der unmöglichen Dreiecksbeziehung einen umso heftigeren Punch.

    Fazit: Mit extremer Präzision erzähltes Drama mit zwei herausragenden Hauptdarstellerinnen, in dem nichts naiv romantisiert, aber auch niemand verurteilt wird.

    Wir haben „Sand Dollars“ auf dem „14 Films Around The World“-Filmfestival im Berliner Kino in der Kulturbrauerei gesehen.

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