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    Auerhaus
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Auerhaus

    Zwischen Nostalgie und Tristesse

    Von Michael Meyns

    Bov Bjergs Roman „Auerhaus“ war ein massiver Hit, seit seinem Erscheinen 2015 wurde er mehr als 250.000 Mal verkauft. Zumindest ein Teil seines Erfolgs verdankt die in den Achtzigern angesiedelte Geschichte dabei sicherlich auch einer starken nostalgischen Note. Angesichts solch vieler Leser, die natürlich auch potenzielle Kinobesucher sind, wurde recht bald eine Verfilmung angegangen. Bei der hat Neele Leana Vollmar Regie geführt, die bislang unter anderem auch für zwei grandiose Teile der „Rico, Oskar und...“-Reihe verantwortlich zeichnet. In „Auerhaus“ arbeitet sie nun zwar mit etwas älteren Akteuren zusammen, aber am Ende sind es trotzdem in erster Linie die Schauspieler im Teenageralter, die überzeugend die Tristesse des Aufwachsens auf dem Dorf in den Achtzigern darstellen. Dramaturgisch bleibt „Auerhaus“ hingegen so flach wie die endlosen Felder, die das württembergische Kaff der jugendlichen Protagonisten umgeben.

    Höppner (Damian Hardung), Frieder (Max von der Groeben), Vera (Luna Wedler) und Cäcilia (Devrim Lingnau) wachsen irgendwo in der württembergischen Provinz auf. Echte Freunde sind sie nicht wirklich, dennoch bilden sie schon bald eine Zweckgemeinschaft. Denn nachdem Frieder einen Selbstmordversuch unternommen hat, soll er nicht mehr bei seinen Eltern wohnen, aber auch nicht allein bleiben. Kurzentschlossen wird im baufälligen Haus von Frieders Großvater eine WG gegründet, in der das Quartett fortan lebt, trinkt, liebt und auf das Ende der Schulzeit wartet…

    Vier schwäbische Jugendliche gründen eine Anti-Selbstmord-WG...

    „Auerhaus“ spielt im Herbst 1983, zu einer Zeit also, als die alte Bundesrepublik besonders grau und trist war. Die Lehrer trugen Cordjacketts, die Jugendlichen Blousons aus Ballonseide. Pizzaläden hießen oft sinnigerweise „Pizza Troja“ und aus dem Radio erklang „Our House“ von Madness, woraus sich auch der verballhornte Titel „Auerhaus“ ableitet. Neele Leane Vollmar fährt in ihrem Film die volle Dosis 80er Jahre auf, Tristesse Royale sozusagen, eingefangen in Bildern, die nicht nur wegen der Jahreszeiten Herbst und Winter grau in grau sind.

    Die Geschichte entfaltet sich aus der Sicht von Höppner, wobei man kaum von einer Geschichte sprechen kann: Zwar beginnt „Auerhaus“ mit einem gescheiterten und endet mit einem erfolgreichen Selbstmordversuch, auf den der Erzähler gleich selbst zu Beginn verweist – doch was dazwischen passiert, ist weniger eine filmische Dramaturgie als eine literarische Zustandsbeschreibung. Der Langeweile der Existenz auf dem Dorf haben die Jugendlichen wenig mehr entgegenzusetzen als den ungefähren Wunsch, ihre Heimat so bald wie möglich hinter sich zu lassen. Höppner aus dem ganz pragmatischen Wunsch, durch eine Flucht nach West-Berlin der Einberufung zur Bundeswehr zu entgehen.

    ... und natürlich kommt dabei irgendwann auch die Liebe ins Spiel.

    Es gab in der alten Bundesrepublik zwar die Wehrpflicht, doch da in West-Berlin keine Truppen stationiert waren, konnte man mittels Umzug in die damals noch abgeschottete Enklave dem Dienst an der Waffe entgehen. Solche und weitere Details mit einem gehörigen Nostalgiefaktor werden wohl vor allem diejenigen Zuschauer ansprechen, die die Achtziger selbst hautnah als Jugendliche miterlebt haben – und zwar vor allem dann, wenn sie selbst in einem Kaff aufgewachsen sind. Ob auch heutige Teenager Interesse daran haben, wie noch ihre 80er-Jahre-Vorgänger die Zeit totschlugen, muss sich hingegen zeigen.

    Denn als zeitlose Erzählung über die Nöte des Älterwerdens, die erste Liebe oder die Einsamkeit in der Gesellschaft überzeugt „Auerhaus“ nur bedingt, allzu dünn und fahrig wirkt dafür die Geschichte. Die größte Stärke sind daher die jungen Schauspieler, allen voran Max von der Groeben. In den „Fack ju Göhte“-Filmen war er noch der Klassenclown, hier überzeugt er als latent selbstmordgefährdeter Frieder, der sich manchmal im Minutentakt zwischen Euphorie und Melancholie bewegt. Schade, dass ihm und den anderen Darstellern nicht mit etwas mehr dramatischem Unterbau geholfen wurde, der aus „Auerhaus“ mehr gemacht hätte, als eine am Ende noch immer sehr literarische, allzu stillstehende Zustandsbeschreibung.

    Fazit: Ein von der Tristesse der 80er Jahre geprägter Film, der in erster Linie durch seine jugendlichen Darsteller überzeugt, inhaltlich dagegen allzu sehr auf der Stelle tritt.

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