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    Unter deutschen Betten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Unter deutschen Betten
    Von Antje Wessels

    Die Schlagerbranche erlebt in den vergangenen Jahren vor allem dank Helene Fischer einen regelrechten Image-Boost: Ihr Album „Farbenspiel“ verkaufte sich bisher mehr als zwei Millionen Mal und befindet sich seit 156 Wochen (!) in den deutschen Charts. Aber weil der Kontrast zwischen den vordergründig von Liebesglück trällernden Musikern und dem knallharten Business dahinter so krass ist, hört man immer wieder, wie mächtig es hinter den Kulissen der Branche oft kracht. Damit ist das Schlagermetier natürlich ein gefundenes Fressen, um sich darüber lustig zu machen – wie zum Beispiel in „Im weißen Rössl – Wehe, du singst!“, in dem sämtliche Klischees der Branche bedient werden, nur um sie anschließend sofort wieder ad absurdum zu führen. Auch Regisseur Jan Fehse widmet in seiner Bestseller-Verfilmung „Unter deutschen Betten“ den Seitenhieben auf die Piefigkeit des Schlagerbetriebs überraschend viel Platz – überraschend, weil es ja eigentlich um die Erlebnisse der polnischen Putzfrau Justyna Polanska gehen soll (unter dem Pseudonym ist 2011 das titelgebende Enthüllungs-Sachbuch erschienen). Dieser unerwartete Schwenk wirkt zunächst ein wenig unentschlossen, doch mit der Zeit eröffnen sich dem Zuschauer erstaunliche Parallelen zwischen den ersten Blick so verschiedenen Berufszweigen.

    Die glanzvollen Zeiten von One-Hit-Wonder Linda Lehmann (Veronica Ferres) liegen längst hinter ihr. Trotzdem feilt die Schnulzensängerin gewissenhaft an ihrem Comeback, das natürlich prompt in die Hose geht: Auf der großen Bühne einer von Oliver Pocher moderierten Schlagershow lässt sie sich von ihrem fremdknutschenden Freund und Produzent Friedrich (schmierig: Heiner Lauterbach) ablenken und legt vor laufender Kamera eine Bruchlandung hin. Als Friedrich sie anschließend auch noch für eine Jüngere verlässt und sie aus seinem Haus wirft, steht das einstige Schlagersternchen plötzlich auf der Straße. Um eine neue Single aufnehmen und das Ruder so noch einmal rumreißen zu können, freundet sich Linda mit ihrer ehemaligen Putzfrau Justyna (Magdalena Boczarska) an. Der Deal: Linda hilft der aufgrund eines gebrochenen Arms behinderten Justyna bei der täglichen Arbeit und erhält im Gegenzug den Schlüssel für das Aufnahmestudio ihres Ex-Freundes. Zwar erweist sich die verwöhnte Linda zunächst als völlig ungeeignet, doch zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft, in der beide feststellen: Im Grunde hat doch jeder dieselben Probleme…

    In dem (Sachbuch-)Bestseller „Unter deutschen Betten – Eine polnische Putzfrau packt aus“ geht es um die Enthüllungen der osteuropäischen Reinigungskraft Justyna Polanska, die über viele Jahre lang in Deutschland für die Reichen und Schönen geschuftet hat. Geschrieben hat das Buch der Sachautor Holger Schlageter, die wahre Identität von Justyna Polanska ist bis heute nicht gelüftet. Zumindest in der Kinoadaption erhält Justyna nun aber erstmals ein Gesicht. Die Polin Magdalena Boczarska ist in ihrer Heimat ein Serienstar und war hierzulande bislang noch nicht auf der großen Leinwand zu sehen. In „Unter deutschen Betten“ verkörpert sie das sukzessive Auftauen gegenüber ihrer schlagersingenden neuen Kollegen nun mit einer solchen Leichtigkeit, dass ihr selbst neben der überlebensgroß aufspielenden Veronica Ferres sämtliche Sympathien zufliegen.

    Der „Das Superweib“-Star spielt hingegen vollkommen entfesselt drauflos – das hat den einen oder anderen Rohrkrepierer zur Folge, etwa wenn die vollständig in Latex gekleidete Linda so lange in einer Hundeklappe stecken bleibt, bis sich der Gag aber auch wirklich ganz sicher totgeritten hat. Aber meistens findet Ferres bei ihrer zwischen ungeheuer naiv, treudoof und exzentrisch chargierenden Performance die Balance zwischen dem geradeheraus Albernen und den darunter verborgen liegenden Gefühlen. Zwischen den großzügig eingestreuten Seitenhieben auf das von Neid, Missgunst und Geldgeilheit zerfressene Schlagerbusiness (die Dialoge zwischen ihr und Produzenten bestehen nur aus leeren Worthülsen, mit denen man jemandem Honig ums Maul schmiert, wenn man gerade etwas von ihm will) geht es auch um den allgemein im (Wirtschafts-)System steckenden Zynismus: Egal ob Schlagersängerin oder Putzfrau, zu gebrauchen sind beide Frauen nur so lange, wie sie ihren Job erfüllen können.

    Die Diskrepanz zwischen der schillernden Schlager-Queen und der unscheinbaren Haushaltshilfe könnte auf den ersten Blick größer kaum sein, man möchte schon fast von einem Culture Clash sprechen. Aber letztendlich versuchen beide Frauen in erster Linie, den schönen Schein zu wahren: Linda ihren eigenen und Justyna eben den ihrer Arbeitgeber. Dass Linda während ihrer Zeit als Aushilfs-Putzfrau den Wert wahrer Freundschaft erkennt und ihrer eigenen Branche im Finale mit einer seichten Unplugged-Freundschafts-Hymne den Kampf ansagt (eben weil sie die Rechte an dem Song für sich behält), ist zwar alles andere als originell, aber zum Ausgleich schlagen die Drehbuchautorinnen Lucy Astner („Der Nanny“), Judith Bonesky und Mira Thiel („Gut zu Vögeln“) einen stimmigen Erzählbogen von den fiktiven Ereignissen des Films hin zum realen Erscheinen des Buchs: In „Unter deutschen Betten“ werden wir nämlich Zeuge, wie die von Justyna verfassten Beobachtungen überhaupt erst an die Öffentlichkeit gelangen. Ein seichtes Happy End, aber ein augenzwinkerndes Spiel mit der halb-sachbuchartigen Natur des Buches.

    Fazit: Regisseur Jan Fehse driftet in seiner von dem (Sachbuch)-Bestseller „Unter deutschen Betten“ inspirierten Komödie zwar immer mal wieder arg ins Klamaukige ab, aber das Herz hat der Film trotzdem am rechten Fleck und die zwei grundverschiedenen Hauptdarstellerinnen Veronica Ferres und Magdalena Boczarska ergänzen sich gegenseitig ganz hervorragend.

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