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    Tatort: Feierstunde
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tatort: Feierstunde
    Von Lars-Christian Daniels

    Jan Josef Liefers („Da muss Mann durch“) und Axel Prahl („Alles inklusive“) liegen mit ihrem megapopulären „Tatort“ aus Münster unangefochten an der Spitze der Erfolgsskala – kein anderes Ermittlerteam holt auch nur ansatzweise so starke Quoten wie die beiden Publikumslieblinge. Auch wenn bei ihrem vorigen „Tatort: Ein Fuß kommt selten allein“ ein erneuter Zuschauerrekord ausblieb, schalteten wieder fast 13 Millionen Menschen die Krimikomödie aus Westfalen ein (zum Vergleich: Die Kollegen aus der Schweiz holten mit dem „Tatort: Freitod“ zuletzt gerade mal die Hälfte). Mit Lars Jessens treffend betiteltem „Tatort: Feierstunde“ feiern Liefers und Prahl nun Jubiläum: Das Duo geht zum 30. Mal gemeinsam auf Täterfang. Das war für den federführenden WDR Grund genug, in Münster zwei Wochen vor der TV-Premiere ein großes Open-Air-Screening mit 3.500 gespannten Fans zu veranstalten – aber wird der Jubiläumskrimi den hohen Erwartungen auch gerecht? Zumindest zum Teil: „Feierstunde“ ist ein erfreulich klamaukfreier und durchaus spannender „Tatort“, der aber unter der konstruierten Geschichte und eindimensionalen Figuren leidet.

    Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) schwebt im siebten Himmel: Dem Gerichtsmediziner wurden drei Millionen Euro Fördergeld für ein prestigeträchtiges Forschungsprojekt genehmigt. Der deutlich weniger renommierte Juniorprofessor Harald Götz (Peter Jordan) hingegen guckt in die Röhre: Er hatte sich ebenfalls für die Finanzspritze beworben, um an einem Medikament forschen zu können, das seiner schwerkranken Gattin das Leben retten würde. Kurz darauf findet Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl), der bei seinen Ermittlungen in Münster von Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) und Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) unterstützt wird, die Frau erschossen in ihrem Rollstuhl. Mord oder Selbstmord? Thiel heftet sich an die Fersen von Götz, der am Tatort gesehen wurde. Doch der verbitterte Wissenschaftler, der der Psychologin Dr. Corinna Adam (Oda Thormeyer) kranke Rachephantasien gestanden hat, verfolgt einen finsteren Plan: Er sprengt Boernes Feierstunde in einer Gaststätte, zu der auch Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) eingeladen ist, und nimmt die Gäste als Geiseln...

    Den ersten Schock muss das Publikum schon nach zwei Minuten verkraften: Götz brennen nach einer Therapiesitzung die Sicherungen durch und er streckt den überraschten Boerne auf dessen eigener Dankesrede mit zwei Schüssen in Brust und Bauch nieder. Der Professor in Lebensgefahr? So neu ist diese Idee nicht – doch wenngleich die brutale Auftaktsequenz sich kurz darauf als Tagtraum des späteren Geiselnehmers entpuppt, darf der Zuschauer in diesem „Tatort“ einmal mehr um die Gesundheit des eitlen Forensikers zittern. Götz vergiftet Boerne nämlich anschließend auf dessen Feier – und je länger die Geiselnahme in der abgeriegelten Gaststätte dauert, desto schlechter ist es um den Professor bestellt. Zeit für ein paar Gags bleibt natürlich trotzdem: Aufgrund einer Lähmung des Zungenmuskels kann sich Boerne von Minute zu Minute schlechter artikulieren – Jan Josef Liefers hat in seiner Paraderolle sichtlich Spaß an diesem tückischen Handicap und sorgt mit seinem Gelalle für den einen oder anderen Lacher. Ansonsten hält sich Drehbuchautorin Elke Schuch („Großstadtrevier“) aber spürbar zurück: Anders als in seichten Schmunzelkrimis wie „Tatort: Mord ist die beste Medizin“, dessen Wiederholung (!) in der Sommerpause siebeneinhalb Millionen Zuschauer vor die TV-Geräte lockte, ist der Klamauk niedrig dosiert.

    Schuch folgt nur einleitend dem gewohnten Whodunit-Prinzip: Es klärt sich überraschend schnell, ob Götz‘ Gattin sich selbst das Gesicht weggepustet oder ob ihr Mann dabei nachgeholfen hat. Dessen Motiv für die Geiselnahme fällt allerdings reichlich dünn aus: Der von Kollegen und Förderern enttäuschte Wissenschaftler möchte den Geiseln am Beispiel des vergifteten Boerne demonstrieren, wie schlecht es seiner schwerkranken Frau zuletzt ging – das wirkt konstruiert und wird auch nicht in letzter Konsequenz durchgezogen. Peter Jordan (von 2008 bis 2012 sechsmal an der Seite von Mehmet Kurtulus im Hamburger „Tatort“ zu sehen) neigt gelegentlich zum Over-Acting, und die Tatsache, dass der Geiselnehmer sich immer wieder Auszeiten nimmt, in denen vor allem Boerne und „Alberich“ unbeobachtet tun und lassen können, was sie wollen, trägt auch nicht zur Glaubwürdigkeit des Geschehens bei. In einigen  dieser Momente ist der Krimi nah dran am thematisch ähnlich gelagerten, schwachen Bremer „Tatort: Hochzeitsnacht“ von 2012 oder dem Hamburger „Tatort: Frohe Ostern, Falke“, mit dem Hauptdarsteller Wotan Wilke Möhring zu Ostern 2015 Schiffbruch erlitt.  

    Seine stärksten Momente hat der 994. „Tatort“ im Mittelteil – eine späte Wendung, die die Dinge noch einmal in ein anderes Licht rückt, wirkt aber eher überambitioniert, als dass sie für die erhoffte Verblüffung sorgen würde. Dennoch ist der von Regisseur Lars Jessen („Mord mit Aussicht“) souverän inszenierte Jubiläumskrimi einer der besseren Fälle mit Thiel und Boerne, weil die Spannungskurve nie in den Keller sackt und das Ermittlerteam sich auf die Arbeit konzentriert, statt platte Zoten durchzukauen: Der von schlimmen Rückenschmerzen geplagte Thiel diniert nicht nur mit der undurchsichtigen Psychologin Dr. Corinna Adam (Oda Thormeyer, „Homevideo“), sondern gerät auch in „Verhandlungssache“-Manier mit dem humorlosen SEK-Leiter aneinander, während die kleinwüchsige „Alberich“ unverhofft von einer noblen Geste ihres arroganten Chefs erfährt und ihm tapfer das Händchen hält. Auch Staatsanwältin Klemm und Nadeshda Krusenstern, die im „Tatort: Erkläre Chimäre“ zur Kommissarin befördert wurde, zeigen sich so aktiv wie lange nicht – einzig Herbert „Vaddern“ Thiel (Claus D. Clausnitzer) bestätigt einmal mehr seinen Status als fleischgewordener Running Gag, der schon seit Jahren nicht mehr witzig ist.

    Fazit: Gelungener Jubiläumskrimi für Thiel und Boerne, der trotz einiger effektiver Spannungsmomente aber nicht zu den stärksten Fällen des beliebtesten aller „Tatort“-Teams zählt.

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