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    Tenet
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    Kino:
    Anonymer User
    4,0
    Veröffentlicht am 29. August 2020
    TENƎꓕ: Ein Essay


    TENƎꓕ ist ohne Zweifel Christopher Nolans ambitioniertestes Projekt, und das will was heißen, wenn man in seiner Filmographie Werke wie The Dark Knight, Inception oder Interstellar zu stehen hat. Über zehn Jahre hat der populäre Regisseur über die zentralen Grundmotive dieses Films gegrübelt, bevor er sich für weitere fünf Jahre ans Drehbuch setzte. Warner Brothers machte Nolans Gigantomie mit einem Budget von 225 Millionen US Dollar zum teuersten Originalfilm der Filmgeschichte, und geht damit Risiken ein, die auch ohne einer globalen Pandemie nicht gerade gering wären.


    Immerhin konnte Warner seine Marketing-Millionen sparen, bewarb doch das Internet den Film besser als es jedes Studio hätte tun können. Tenet hätte Leuchtturmsymbolik, sei der Retter der ganzen Filmindustrie und allein schon wegen Christopher Nolan der heilige Gral der Filmgeschichte. Neben der Wiederbelebung der Kinos erhoffte man sich selbstverständlich einen anspruchsvollen Film, welcher die Hirne der Zuschauer schmelzen wird. Und was soll man sagen?
    Nach einem knapp zwei monatigen Verschiebungskrimi, kommt der Film tatsächlich in die Kinos und polarisiert sofort, natürlich, es ist ja ein Nolan Film.


    Es stellt sich heraus, dass Tenet sämtliche Erwartungen übertroffen hat, der Film ist verworrener und komplizierter wie man es sich nichtmal im Traum vorstellen können. Niemand, absolut niemand, kann von sich behaupten diesen Film nach dem verlassen des Saals verstanden zu haben, sei es akustisch oder (wie die Meisten) inhaltlich.

    Christopher Nolan wirft mit diesem Film dem Zuschauer ein Puzzle hin, dessen Entschlüsselung offensichtlich nur er selbst mächtig zu sein scheint.


    Dass der Zuschauer auch gar nicht die Aufgabe hat den Film zu entschlüsseln, macht Nolan schon am Beginn der Exposition mit dem Ausdruck: „Versuchen Sie es nicht zu verstehen, fühlen Sie es“ deutlich. Gefühlt die ganze Filmwelt stürzt sich jetzt auf dieses Zitat, doch sollte man sich von diesem Satz nicht angegriffen fühlen, man sollte ihn verinnerlichen. Viel zu viele Menschen versuchen den Film nachvollziehen und vergessen dabei ihn zu interpretieren, sie wollen den Film mehr verstehen und verweigern sich ihn zu fühlen.


    Diese Reaktion ist wohl dem menschlichen Trotz zu verdanken, der gerade in unserer heutigen Gesellschaft verstärkt wird, und befiehlt stets das genaue Gegenteil von dem zu tun was einem gesagt wird.

    Der postmoderne Mensch will nicht zugeben, dass andere (etwas anderes!) schlauer ist als er selbst, will sich nicht einer Autorität unterordnen, vor allem einem Film nicht. Filme sind in dieser Sicht wie Nutztiere für den Menschen: Es gibt sie jeder Art, die die uns bewegen, befriedigen oder belehren. Aber eins dürfen sie nicht, sie dürfen nicht schlauer als sein als wir.
    Nolan versucht mit Tenet diese Grenze zu sprengen - und hagelt sich dafür reihenweise Kritik ein, der Film wird regelrecht zerrissen. Und warum? Weil wir verstehen wollen, anstatt zu fühlen.


    Durch die sture Konzentration auf das Zusammensetzen der Geschichte, verlieren wir die zentralen Motive des Films aus den Augen. Wir verkennen, dass Tenet ein starkes Plädoyer für die atomare Abrüstung ist, wir erfassen nicht dass Tenet ein kräftiges Zeichen für Maßnahmen gegen den Klimawandel ist.

    Nach Interstellar ist Tenet Nolans zweiter Film, in dem die Welt durch den Klimawandel untergeht, und das ist in Tenet keine kleine Randnotiz, sondern ein tiefes Dilemma, welches Protagonisten und Antagonisten definiert und polarisiert.


    Der Film kritisiert, dass wir, die Menschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, den Klimawandel freien Lauf gewähren lassen, Ozeane und Flüsse verdrecken und verrecken lassen und die Erde schließlich aufs Sterbebett bringen. Unsere Nachfahren, Tenet spricht von „einigen Generationen in der Zukunft“, werden vor den von uns irreversibel Naturellen Ruinen stehen, aber zum Glück entwickeln sie eine Technik, die sie aus der Misere bringt: Die Inversion.

    die Menschen können einfach die Zeit zurückdrehen und die Fehler der Vergangenheit verhindern. Das ist genau diese Technik von der wir auch unserer realen Welt allzu oft hören. Personen, die die Gefahr des Klimawandels versuchen kleinzureden, werden oft mit den Worten zitiert „Die Leute in der Zukunft werden schon irgendwas erfinden was den Klimawandel aufhalten wird“. Tenet entwirft eine mögliche Technik (Inversion), die das bewerkstelligen könnte, wobei die Gefahr besteht, dass die Inversion dazu missbraucht werden könnte um die Menschheit zu vernichten.

    Die Menschen der Zukunft haben also eine Technik erfunden, mit der sie gleichzeitig die Welt retten aber auch zerstören können, doch sind sie gezwungen die Inversion einzusetzen, um wenigstens den Hauch einer Chance auf ein Überleben zu haben, andernfalls wird der Klimawandel für sie die Vernichtung des Planeten übernehmen.

    Dieses komplexe Dilemma verstehen die meisten Kinogänger nicht. Und warum? Weil sie versuchen etwas zu verstehen was gar nicht zu verstehen ist, sie versuchen ein Paradoxon zu entschlüsseln und vergessen dabei die Definition eines Paradoxon.

    Zu viele Menschen versuchen zu viel zu verstehen und fühlen dabei zu wenig.


    Zugegeben, es gibt noch einen anderen Aspekt der das Verinnerlichen der Klimakatastrophe als zentralen Handlungspunkt erschwert, nämlich die eklatanten handwerklichen Fehler des Films. Dabei ist ausdrücklich nicht die reine Geschichte, oder die Brillanten Schauwerte gemeint, sondern die Narrative und der Schnitt.


    Tenet lässt sich grob in zwei unterschiedlich lange Teile einteilen. Die erste Teil umfasst ungefähr die ersten 60 Minuten, der zweite die restlichen 90 Minuten bis zum Ende. Der erste Teil ist eine Mischung aus Inception und Game of Thrones Staffel 7, nur schwächer.


    Der Protagonist wird in die Welt von Tenet eingeführt, bekommt die Spielregeln erklärt und sucht sich wie in Inception sein Team zusammen damit es nach dem Ende des ersten Teils, welcher mit einer Mid-Act-Climax eingeleitet wird, im zweiten Teil ordentlich krachen kann. Trotz dem ähnlichen Aufbau, kommt Tenets Exposition keinesfalls an die von Inception ran, denn Tenet ist deutlich komplexer und vielschichtiger, es gibt viel mehr zu erklären, dabei verbittet sich der Film die Spielregeln eindeutig zu erklären. Das was erklärt wird, wirkt erzwungen und unübersichtlich. Das Problem liegt darin, dass der Plot hier im Grunde noch ganz simpel ist, die Handlung ist noch nicht vertrackt, die Inversion spielt noch keine Rolle. Hier muss man nichts verstehen, weil es im Prinzip nichts zu verstehen gibt, doch wird das Verfolgen der Handlung absichtlich behindert, in dem man durch Inszenierung und Schnitt den (noch) simplen Plot unnötig verkompliziert.

    Die Figuren reisen wild hin und her, die Übergänge zwischen den Szenen existieren quasi gar nicht. Man springt in voller GoT S7 Manier von Handlungsort zu Handlungsort, quer über die ganze Welt. Schwach geschnittene Montagen lassen nicht den Eindruck erwecken, dass zwischen den Szenen viele Tagen vergangen sind.

    Dazu kommt, dass die Hauptfigur schwach geschrieben ist, was John David Washingtons natürliches Charisma nur bedingt übertünchen kann.

    Es scheint, als hätte sich Nolan beim Schreiben mehr auf das Austüfteln der vertrackten Geschichte des zweiten Teil und der Unterbringung seiner eindringlichen Gesellschaftskritik (Klimakatastrophe!) gekümmert und den ersten Teil als notwendiges Übel zwecks Exposition angesehen. Es ist verständlich, wenn einige Zuschauer hier abschalten oder darauf schließen, wenn es Fehler im ersten Teil gibt, muss es auch welche im zweiten Teil geben - aber das ist ein Trugschluss. Schon bald wird deutlich, dass der erste Teil lediglich als Set Up für das Pay Off Massaker im zweiten Teil dient.


    Hier werden alle Kritikpunkte des ersten Teils wieder ausgebügelt, die Inversion beginnt zu eskalieren, und doch schreckt auch der zweite Teil einige Zuschauer ab, werden doch hier vermeintliche Plot Holes entdeckt, dem Film vorgeworfen inkohärent zu sein und sich nicht an seine eigenen Spielregeln zu halten. Der einzige Fehler liegt darin, dass sich diese Kritiker selbst nicht an die einzige relevante Spielregel halten, die der Film aufstellt: „Versuchen Sie nicht es zu verstehen, fühlen Sie es“. Es ist keineswegs faul von Nolan sich auf dieser Aussage auszuruhen, es ist faul sie zu verschmähen.


    Man muss tatsächlich der Aussage folgen und versuchen es nicht zu verstehen, sondern zu fühlen. Dass hat nichts mit Entmündigung seitens des Films zu tun, sondern ist eine wichtige Warnung. Würde man nämlich noch im Saal, während der Film läuft, versuchen die Handlung zu entschlüsseln und zu verstehen, würde einem schnell durch Reizüberflutung die Birne rauchen, es würde zu Black Outs und Missverständnissen kommen, an deren Ende das vorschnelle Fazit „Film=Dumm“ steht.
    Die Aussage hat auch nichts mit Verschleiern von Plot Holes zu tun, denn die verworrene Handlung ist bereits vollends entschlüsselt, im Internet verbreiten sich gerade Timelines und Handlungszusammenfassungen schneller als das Coronavirus.


    Stattdessen muss man sich einfach zurücklehnen und den Film genießen, ihn fühlen, dann würde man erfolgreich die wahren Themen (Atomare Abrüstung&Klimawandel) aus dem Film erfolgreich herauserxerzieren können. Tenet ist wie erwartet anspruchsvoll, aber nicht nur das, er ist auch so unglaublich intelligent wie es kaum ein anderer Film ist.


    Man versteht also mehr, wenn man nicht versucht etwas zu verstehen.


    Diese Erkenntnis wird sich sicherlich in den nächsten Wochen/Monaten/Jahren durchsetzen, denn wie Interstellar ist Tenet seiner Zeit voraus, beide Filme sind wie guter Wein, sie reifen mit der Zeit. Der Grund warum sie so gut reifen ist schauerlich: Beide Werke warnen ausdrücklich vor der Gefahr des Klimawandels und rufen zum sofortigen Aktivismus auf. Wenn wir jetzt nicht handeln, dann wird unsere Zukunft wie in Interstellar oder Tenet dargestellt aussehen. Die Filme scheiterten an ihrer eigenen Intelligenz, das Publikum war fasziniert von dem Spiel mit der Zeit in den beiden Filmen, von der Emotionalität in Interstellar, von den Schauwerten in Tenet, das Publikum war so stark fasziniert von der Einzigartigkeit dieser Werke, dass es abgelenkt war von dem eigentlichen Grundmotiv. Die Zuschauer erkannten heute wie damals nicht, dass Christopher Nolan fast schon mit einem Megaphon bewaffnet vor der Leinwand stand und den Saal anschrie: „UNTERNIMMT WAS! DIE ZEIT LÄUFT AB!“.


    Aber je brachialer die Zukunft auf uns zu rennt, je dünner unsere Luft wird, je seltener wir die Augen vor dem Klimawandel schließen können, desto mehr erkennen wir die Wahrheit hinter und den Wert von Interstellar und Tenet.


    Was TENƎꓕ anbelangt, bleibt nur zu sagen, dass dieser Film ein Meisterwerk ist. Er ist zwar ein handwerklich durchwachsenes Meisterwerk, aber dafür ideell umso reicher.

    Man muss ihn nur verstehen.
    postulatio
    postulatio

    3 Follower 4 Kritiken User folgen

    1,5
    Veröffentlicht am 29. August 2020
    Krude Story, jede Menge pseudowissentschaftliches Gefasel, 60 Minuten zu lang - mit Abstand schlechtester Nolan bisher. 5 Sterne? Was hat euch denn geritten @Filmstarts?
    Mithril333
    Mithril333

    4 Kritiken User folgen

    4,0
    Veröffentlicht am 29. August 2020
    Insgesamt gesehen freue ich mich, wie viele andere auch, wenn Nolan mal wieder sein Überwältigungskino abliefert, was er nach wie vor in schöner Regelmäßigkeit tut. Dieses Mal bin ich aber weniger d'accord als bei seinen letzten Streifen. Das Problem an dem Film ist nicht die Komplexität, nein es ist, und das ist merkwürdig, da Nolan ja einem selbst einen schwarzgeflügelten Superhelden als Menschen, mit dem man gerne mitfühlt, nähergebracht hat, die offensichtlich nicht für nötig erachtete Nähe zu den Protagonisten. Alles andere kann er im Schlaf, Kamera, Schnitt, Musik, Geschichte, immer mit Botschaft, nie Selbstzweck, nie dämlich. Überwältigt einen, auch diesmal. Aber mitgenommen im Sinne von mitfiebern, nein das nicht. Die Charakere sind ein bisschen wie Schablonen allerdings unscharf. Und die Action, hmm, irgendwie doch nicht so never seen before, vor allem der Endkampf wirkte ein bisschen so wer schiesst hier eigentlich auf wen und warum ? Überkonstruiert. Trotzdem, ein sehr sehenswerter Film, das Jammern auf hohem Niveau.
    Kino:
    Anonymer User
    2,5
    Veröffentlicht am 29. August 2020
    „Tenet“ ist ein simpler Actionthriller, der aufgrund seiner wirren Erzählstränge nicht viel Spaß bereitet und durch das Spiel mit dem Zeit-Raum-Kontinuum auch keine größere Sinnhaftigkeit erlangt.

    Am Morgen des 26. Oktober 2002 stürmten russische Spezialeinheiten das Moskauer Dubrowka-Theater. Terroristen hatten zweieinhalb Tage zuvor 850 Theaterbesucher als Geiseln genommen. Die Spezialeinheiten leiteten zuvor ein bis heute unbekanntes Gas in das Theater, um die Angreifer unschädlich zu machen. Das Gas führte aber wohl auch dazu, dass 125 Geiseln an den Folgen einer Vergiftung starben. Mit diesem geschichtlichen Exkurs sind zugleich die ersten Minuten von Christopher Nolans „Tenet“ in einem Opernhaus in Kiew beschrieben. Mit der Haupthandlung hat dies noch nicht viel zu tun. Dem aufmerksamen Zuschauer wird aber bereits in diesen Szenen klar, dass das herkömmliche Zeit-Raum-Gefüge in diesem Film nicht gilt.

    Große Hoffnungen liegen auf „Tenet“. Als erste großer Blockbuster startet er in den europäischen und später auch amerikanischen Kinos. Ob die 225 Millionen Dollar, die das Megaprojekt gekostet haben soll, trotz der weltweiten Coronabeschränkungen wieder eingespielt werden können, ist ungewiss. Der Zuschauer darf gleichwohl nicht hoffen, in die Vor-Corona-Zeit zurückgeholt zu werden. „Tenet“ passt erstaunlich gut in die heutige Zeit: Von „Lockdowns“ ist die Rede. Die Charaktere tragen mitunter Gasmasken, ohne die ihre Lungen nicht überleben könnten. Es herrscht Ausnahmezustand.

    Wenn Christopher Nolan einen neuen Film herausbringt, über dessen Handlung im Vorfeld quasi nichts bekannt ist, wird allgemein nicht mehr erwartet als der große Wurf, der ihm mit Filmen wie „Inception“ oder „Memento“ durchaus gelang. Independentkino war dies vielleicht noch zu Zeiten von „Memento“. Spätestens seit „Batman Begins“ ist Nolans düstererer belehrender Erzählstil Mainstream. Spätestens jetzt wird aber klar: Die Magie ist verschwunden. „Tenet“ kommt nicht an die eben bezeichneten vorherigen Werke heran. Selbst wenn verblüffende Ähnlichkeiten zu „Inception“ und „Interstellar“ auszumachen sind; Christopher Nolan liefert nichts weiter als einen soliden Actionthriller. „Tenet“ könnte auch aus der Hand von Michael Bay stammen. Allerdings macht „Tenet“ so viel weniger Spaß als etwa der letzte Bay-Film „6 Underground“. Inhaltlich geht es dagegen in beiden Filmen um nicht mehr oder weniger, als die Welt vor einem mächtigen Oligarchen zu retten. Dabei greift man gewaltig in die Mottenkiste: spoiler: Der böse, größenwahnsinnige und verrückte Oligarch ist Russe. Die Helden des Films verkörpern den Westen. Es herrscht kalter Krieg. Aufgerüstet wird zwar nicht mit Atombomben, wohl aber mit anderen Gerätschaften, die das Leben auf der Welt in einem Augenblick vernichten könnten. Gepaart wird dieser Erzählstrang mit einer bemitleidenswerten Frau, die in den Händen ihres Ehemanns gefangen ist und um ihr Kind bangt. Um aus ihrer Zwangslage herauszukommen sind ihr alle Mittel recht. Sie nimmt sogar in Kauf, dass die gesamte Menschheit vernichtet wird. Irgendwie seltsam!


    Ganz so simpel kann die Handlung von „Tenet“ dann aber doch nicht beschrieben werden. Denn Nolan erklärt ganz nebenbei noch, wie die dem Normalmenschen bekannten physikalischen Grundsätze aus dem Angeln gehoben werden. spoiler: Die physikalische Entropie von Objekten ist in der Zukunft umkehrbar, sodass sie temporal invertieren. Um es ganz simpel zu erklären: Prozesse werden umgekehrt. Dies ermöglicht es nicht nur, Kugeln in eine Waffe „zurückzuschießen“. Vielmehr kann die Zeit umgedreht werden, sodass für invertierte Personen die Zeit rückwärts läuft und sich die Welt auch rückwärts bewegt.
    Nolan will das ermöglich, was sich zur Zeit wohl viele wünschen: In die guten alten Zeiten zurückzukehren und die Welt dort in Ordnung zu bringen, wo sie aus den Angeln geriet. Dann müssten wir vielleicht heute nicht mit Maske im Kino sitzen.

    Wer als Zuschauer versucht, diese neue Weltordnung nachzuvollziehen, hat Pech gehabt. Ich sehe schon, wie Fans in Internetforen den Film in seine Einzelbestandteile zerlegen und engagiert aufzeigen, wie logisch und nachvollziehbar das alles sein soll. Dieses mal wird die Rechnung aber nicht aufgehen. Zu viele Widersprüche kommen während des Films zum Vorschein. Dabei entlarvt sich der Film selbst, wenn eine Entropieexpertin zu der schlicht als „Protagonist“ bezeichneten Hauptperson, gespielt von John David Washington, sinngemäß sagt: „Versuchen Sie es nicht zu verstehen. Fühlen Sie es einfach.“

    Bereits bei „Inception“ waren nicht alle begeistert von Nolans „Erklärungskino", bei dem der Zuschauer sich gefälligst einmal anstrengen soll, um die wirren Erzählstränge zusammenzubringen. Anders als bei „Inception“ verblüfft „Tenet“ aber weitaus weniger. spoiler: Jeder hat wohl schon einmal einen Film rückwärts laufen sehen. Die Spezialeffekte in „Tenet“ muten fast schon komisch an: Rückwärts laufende Menschen, rückwärts fahrende Autos und rückwärts ablaufende Explosionen sind der Höhepunkt.
    Stellenweise fühlt man sich an „Matrix Reloaded“ aus dem Jahre 2003 erinnert. spoiler: Auch Zeitreisen sind nichts neues. Zum Glück ist nun endlich die Frage geklärt, was passiert, wenn eine Person, die in die Vergangenheit reist, ihren eigenen Großvater tötet: Sie bleibt trotzdem existent, selbst wenn sie nie ohne ihren Großvater geboren worden wäre. Dieses Phänomen wird fortan als „Grandfather Syndrome“ bezeichnet werden. Zu perplex, um es zu begreifen, aber doch irgendwie cool. Letztlich werden die spannenden Fragen, die sich bei Zeitreisen stellen, nur angerissen.


    „Tenet“ erreicht weder die Originalität noch Tiefe, die „Inception“ hatte. Das Einpflanzen eines Gedankens in den Kopf eines Menschen durch dessen Traumwelt ist nunmal eine subtilere Vorgehensweise, spoiler: als ihn mittels Zeitreisen gewaltsam und mit militärischen Mitteln davon abzuhalten, die Welt zu vernichten
    . In der Folge stellt sich daher eher Ernüchterung ein, wenn die wirren Handlungsstränge bei erstmaligem Sehen nicht mehr zusammengebracht werden können. spoiler: Mal spielt der Film vorwärts, mal rückwärts, dann wieder vorwärts und am Ende ist alles gut.
    Unterstützt wird das Geschehen durch die lärmende Filmmusik von Ludwig Göransson, die auch von Hans Zimmer stammen könnte.

    Auch die Charaktere in „Tenet“ erblassen im Vergleich zu den Darbietungen von Leonardo DiCaprio oder Marion Cotillard in „Inception“. John David Washington und Kenneth Branagh erfüllen alle Klischees eines Helden und Bösewichts. So einfach gestrickt war das in „Inception“ bei weitem nicht. Trotzdem wird nicht ganz klar, wer in „Tenet“ aus welchen Gründen mit wem zusammenarbeitet und was das übergeordnete Ziel des ganzen sein soll. Einzig Robert Pattinson bringt eine interessante Figur ein. Der Film ist aber leider so beschäftigt, die Handlung voranzutreiben und zu erklären, dass kein Platz für zwischenmenschliche Momente bleibt.

    Letztlich beschreibt das Wort „Tenet“ den Film sehr gut: Es kann als sog. Palindrom vorwärts und rückwärts gelesen werden. Es beschreibt ein Dogma. Welches das aber sein soll, bleibt ungeklärt.
    filmjunkie
    filmjunkie

    3 Kritiken User folgen

    4,0
    Veröffentlicht am 30. August 2020
    Ich mag Nolans Filme. Lediglich mit Dunkirk konnte ich nichts anfangen und Inception gehört zu meinen Lieblingsfilmen. Optik und Sound(track) sind hier fantastisch, der Cast eher durchwachsen. Liegt aber eher daran, das man zu keinem der Protagonisten eine Beziehung aufbaut. Bei DiCaprio hatte man einen tragischen Charakter der durch seine Schuld(?) seine Frau verloren hat und sich nach seinen Kindern sehnt. Auch die Interaktion der anderen Rollen hat zur Tiefe beigetragen. Das der Protagonist hier namenlos ist, sagt eigentlich schon alles. Vielleicht versteh ich die Feinheiten der Story beim 2. Mal, oder ich bin einfach zu doof. Hier hätte ich mir mehr Erklärungen gewünscht. Die Storymechanik dahinter muss nicht einmal 100% logisch, aber von der Grundidee plausibel sein. Mit "denk nicht drüber nach, du musst es fühlen" klappt vielleicht bei der Macht, deren nachträgliche Erklärung mit den Midiclorianern eher kontraproduktiv war, hier macht es sich Nolan dann doch zu leicht. Schade, das hat bei Inception mit Ellen Page in der Newbie Rolle doch auch funktioniert, wobei mich hier die chemische Zusammensetzung des Seditivum ja auch nicht interessiert hat. Ich freue mich trotzdem schon einmal auf die Home Veröffentlichung, da hat Nolan immer einen tollen Wiedersehwert. Im direkten Vergleich mit Inception fehlt mir trotz aller Schauwerten das Abgerundete.
    rikitikitawi
    rikitikitawi

    5 Kritiken User folgen

    5,0
    Veröffentlicht am 29. August 2020
    Zeitschleife hat sich längst zum eigenen Filmgenre etabliert. Jetzt ist es aber erfrischend anders - es wird invertiert, also umgekehrt. Wir reden aber nicht von Antimaterie, sondern vom „Material“ Zeit.
    Man sollte wenig Angst vor Spoilern haben. Selbst wenn man die ganze Handlung kennt, bleibt das Wie ein fulminantes Geheimnis. Tenet bedeutet ein Glaubenssatz oder ein Dogma, aber es gibt bereits einen Film mit den Namen.
    Das Vokabular des Films ist sehr anspruchsvoll, man sollte schon auf Anhieb verstehen, was z.B. eine Entropie oder simultan bedeutet, um den Dialogen folgen zu können. Selbst der Protagonist ist häufig damit überfordert, was ihn sympathisch macht. John David Washington meistert die Aufgabe gut, ich hoffe, dass es ihm gelingt, dauerhaft über den Schatten seines Vaters zu springen.
    Leider finde ich die Rolle nicht facettenreich genug und zu klischeehaft, es ist aber eher dem Drehbuch geschuldet. In Kampfszenen blüht er förmlich auf. Dazu noch der fette Sound, einfach genial.

    Das unfreiwillige Bondgirl Elisabeth Debicki ist einen Kopf größer als der Rest der Truppe, dies kann auch metaphorisch für ihre Stärke stehen.

    Der obligatorische Sir (in Fett bitte) Michael Caine glänzt zwar in einer kurzen aber durchaus charismatischen Szene. Dies unterstreicht zusätzlich den Bond-Charakter des Films und ruft wieder Assoziationen zu der Batman-Reihe hervor, die langsam zu Pattinson hinübergleiten . Ich muss gestehen, dass ich nicht wegen sondern viel mehr trotz seines Twilight-Ausrutschers ein Faible für Robert habe. Umso erfreuter war ich, als er für sich die Indie-Filme entdeckte (High Life).

    In unserem Fall ist er jetzt nur ein Nebendarsteller und hat die Aufgabe ein Antipode des Hauptprotagonisten zu sein. Die Rolle kaufe ich ihm ab.
    Wermutstropfen - der Film ist für mein Empfinden etwas overacted, besonders der Guter-Schurke- Dialog wirkt auf mich heuchlerisch. Aber angesichts des Gesamteindrucks das ist schon Jammern auf hohem Niveau.
    Die Latte war sehr hoch, die Erwartungen, ausgehungert durch die Kinoabstinenz, ebenso, deswegen lasse ich es als meine Voreingenommenheit gelten.
    In meinen Augen kommen einige mit falschen Erwartungen in den Film und verwechseln den Genre. Wie das Sprichwort: „Was für einen Deutschen den Tod bedeutet, ist für einen Russen gesund“. Ach ja, die bösen Russen, da war doch auch etwas.
    Solche Filme muten zwar Blockbuster an, sind aber keine One-night-stands. Jedes mal werden neue Details entdeckt und die Handlung klarer. Ich freue mich schon ihn noch einmal zu sehen, aber das erste mal bitte im Kino.

    Die Helden eines nicht stattgefundenen Krieges können nicht gefeiert werden, aber Hauptsache der Maßanzug sitzt.
    Kino:
    Anonymer User
    3,0
    Veröffentlicht am 29. August 2020
    Viel zu kompliziert. Konnte dem Ganzen nicht wirklich folgen. Irgendwann war ich einfach raus. Sodass das Ganze eher willkürlich erschien
    Kino:
    Anonymer User
    1,0
    Veröffentlicht am 29. August 2020
    Selten so einen Schwachsinn und wirren Film gesehen. Er hätte genauso gut auf Chinesisch sein können, man hätte nicht weniger verstanden.

    Ich mag Nolan’s Filme sehr, vor allem da sie kreativ und anspruchsvoll sind. Aber Tenet war von der ersten Sekunde an einfach nur verwirrend und schwer zu folgen. Das Tempo war viel zu hoch, da man erstmal die letzten Szenen verarbeiten musste.

    Kann ich nicht empfehlen, schade!
    FILMGENUSS
    FILMGENUSS

    575 Follower 942 Kritiken User folgen

    3,5
    Veröffentlicht am 28. August 2020
    BE KIND REWIND
    von Michael Grünwald / filmgenuss.com

    Time is on his side: wenn Christopher Nolan über die Zeit nachdenkt, dann ist das garantiert nicht so, als würden Marty McFly und sein väterlicher Freund Doc Brown darüber nachdenken. Nein, es mag schon, gelinde gesagt, einen Tick komplizierter sein. Nolan, der denkt nicht nur darüber nach, er brütet vor sich hin. Sinniert, philosophiert. Jedenfalls versucht er, wie viele andere auch (die womöglich daran gescheitert sind), diesem Mysterium Zeit mithilfe eines logisch scheinenden Testversuchs auf die Spur zu kommen. Sorry, lieber Akribiker, du wirst letzten Endes scheitern. Denn die Zeit, die mag zwar in deinen Filmen stets auf deiner Seite sein – sobald man ihr ernsthaft auf den Grund kommen will, ist sie dein einziger Feind. Und ja, in Tenet (lat. für Grund- oder Glaubenssatz) ist sie das wirklich, sowohl storytechnisch als auch letzten Endes als Stich in die gedankliche Zeitblase.

    Egal ob Memento, Inception, Interstellar, ja sogar in Dunkirk – das temporäre Gefüge, die linear ausgerichtete Entropie, ist für Nolan stets der gordische Knoten, den er nicht, wie Alexander der Große, einfach zerschneiden will. Er will ihn auseinanderfriemeln. Jedes Mal versucht er es aufs Neue, und jedes Mal sind es andere Ansätze. In Tenet findet er wieder einen komplett neuen Zugang, wie aus dem Ei gepellt. In seinem bereits vom Covid-müden Kinopublikum heiß ersehnten Science-Fiction-Thriller bekommen Dinge und Personen nämlich die Möglichkeit, zu invertieren. Das heißt, sie und ihre freigesetzte Energie werden zeitlich umgekehrt, laufen rückwärts. Der Zeitstrahl dürfte bei Tenet dabei linear verlaufen – von Paralleluniversen, die das Großvater-Paradoxon aushebeln könnten, ist eigentlich keine Rede. In diesem linear verlaufenden, entropischen Zeitstrahl also kann man sich selbst zurückspulen. Das heißt – man schafft keine andere Vergangenheit oder Zukunft, diese bleiben konstant. Verändert wird nicht das große Ganze, wie eben in Zurück in die Zukunft oder The Butterfly Effect. Die Zeit wird in Tenet erstmals in der Geschichte des Films zu einem – sagen wir mal so – nutzbaren Gegenstand, wie eine Waffe oder ein Werkzeug. Und verblüfft dabei das Publikum mit einem der ältesten Tricks des Kinos. Noch dazu spricht im global umherhetzenden Tenet einiges dafür, das Agenten-Franchise eines James Bond jemand ganz anderem zu vererben: einem Protagonisten namens John David Washington, der eine ausgesprochen charismatische Figur macht. Blöd nur, dass Nolan ihn vorweggenommen hat, sonst wäre er nach Daniel Craig der ideale Kandidat.

    Der Geheimagent aus Tenet jedenfalls packt die Sache enorm integer an, nimmt die Möglichkeit einer Zeitumkehr gebührlich ernst, ohne aber aufs Augenzwinkern zu vergessen. Vergessen sollte man auch nicht, dass das Mindfuck-Kino mit Tenet auch seinen Zenit erreicht hat. Darüber hinaus wird’s dann nur noch verschwurbelt und das Publikum könnte verärgert den Hut draufhauen, weil es von Anfang bis Ende nicht mehr mitkommt. Tenet ist inhaltlich entsprechend herausfordernd, die Parameter der Zeit bieten ordentlich viele Leos für Logikhürden, die nicht gemeistert werden können, fallen aber wenig ins Gewicht. Kann sein, dass man hin und wieder den Faden verliert, dass man auf Details am Rande, die untergehen, zufrieden pfeift, weil die ausgearbeitete Strenge des Films mit all seinem typisch erdfarbenen Nolan-Kolorit und dem Rohbau-Kubismus ohnehin fasziniert. Ganz verstehen wird Tenet ohnehin niemand, man kann die Komplexität, die vielleicht auch nur vorgibt, eine solche zu sein, ohnehin nicht ergründen. Und vielleicht soll das auch gar nicht der Fall sein, da der Mystizismus um die vierte Dimension in diesem Film ein stilvoll servierter Appetizer ist, der als Spielwiese obskurer Gedankengänge voller verbogener Logik Gusto aufs Grübeln macht.
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    Thomas Testor
    Thomas Testor

    10 Follower 43 Kritiken User folgen

    3,5
    Veröffentlicht am 28. August 2020
    Dieser Film ist für Nolan-Verhältnisse leider eher enttäuschend. Wenn man davon absieht, dass er von Nolan ist, so sage ich, okay ein netter Film, der aber qualitativ an gewissen Stellen schon deutlich unter dem Blockbuster-Niveau angesiedelt ist.

    Am meisten enttäuscht hat mich hier der Soundtrack. So einen schlechten Soundtrack habe ich bei einem Blockbuster bis jetzt noch nie gehört. Er erinnert mehr an den Soundtrack von Low-Budget-Filmen. Er besteht zum größten Teil nicht aus Melodien, sondern irgendwelchen rhythmischen Geräuschen. Entweder ist hier etwas schiefgelaufen oder Nolan war wirklich zufrieden mit diesem Soundtrack, was ich dann nicht nachvollziehen kann, da seine anderen Filme bessere Musik haben, auch wenn Nolans Filme sicher nicht zu den Filmen mit sehr guter bzw. anspruchsvoller Filmmusik gehören (damit meine ich z.B. Musik von James Newton Howard, John Williams, John Powell).

    Das nächste ist, dass man vieles im Film nicht versteht. Vor allem ca. in der letzten halben Stunde kam ich fast gar nicht mehr mit.
    Wenn man eine entsprechend komplizierte Handlung hat, muss man die Dialoge auch so gestalten, dass sie verständlich sind und zwar beim ersten Mal (es wird sehr häufig auch undeutlich gesprochen und man versteht es daher alleine schon akustisch nicht). Da muss man sich schon auch fragen, inwiefern man da einfach mehr Geld einspielen möchte, indem man den Film so gestaltet, dass einige das Gefühl haben den Film nocheinmal im Kino sehen zu müssen.

    Ansonsten hat der Film sehr gute Actionszenen - den Teil mit dem Flugzeug fand ich amüsierend, aber das ist halt zu wenig um ein guter Blockbuster zu sein. Vor allem von Nolan hätte ich mir mehr erwartet. Tenet bleibt damit weit hinter den anderen Werken Nolans zurück.
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