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    Alex Strangelove
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Alex Strangelove
    Von Antje Wessels

    Wenn Ende Juni 2018 die bezaubernde Coming-of-Age-Komödie „Love, Simon“ in die Kinos kommt, schafft es der erste große US-Studiofilm mit einer jugendlichen schwulen Hauptfigur auch hierzulande endlich auf die große Leinwand. Auch in der Netflix-Produktion „Alex Strangelove“ outet sich die titelgebende Hauptfigur schließlich als homosexuell, doch die Teenie-Komödie von Craig Johnson („Wilson – Der Weltverbesserer“) reißt auf Alex‘ Weg in Richtung Er- und Bekenntnis auch noch diverse andere Facetten menschlicher Sexualität an – von Bi- über Pansexualität bis hin zu sogenannten „Mancrushes“ (also wenn man als eigentlich heterosexueller Mann einen anderen Kerl sexy findet). Johnson inszeniert den amourösen Selbstfindungstrip seiner grundsympathischen Hauptfigur mit viel Verständnis und Sympathie als aufregendes Gefühlschaos. Doch davon abgesehen folgt er allzu streng den ausgetretenen Pfaden des Coming-of-Age-Genres, sodass „Alex Strangelove“ insgesamt deutlich hinter den herausragenden Qualitäten eines „Love, Simon“ zurückbleibt.

    Alex Truelove (Daniel Doheny) ist ein an seiner High School beliebter Teenager. Gemeinsam mit seiner besten Freundin Claire (Madeline Weinstein) hostet er regelmäßig eine Internetvideoreihe, in der er das Treiben an seiner Schule im Stile von Tierdokumentationen einfängt. Sein Freundeskreis besteht aus sympathischen Jungs, die vor allem eines im Kopf haben: Mädchen und Sex. Während seine Kumpels vor allem aus der Ferne schwärmen, ist Alex schon einen Schritt weiter: Aus der engen Freundschaft zu Claire und der gemeinsamen Zeit bei den Dreharbeiten entwickelt sich eine Beziehung, die schon bald auch das erste Mal mit sich bringt. Doch Alex ist nicht nur deshalb nervös, sondern auch, weil er ein Auge auf einen süßen Jungen geworfen hat und so gar nicht weiß, ob er nun hetero, schwul oder möglicherweise bisexuell ist…

    Die Qualität von Craig Johnsons Regiearbeiten ist schwankend, doch schon Filme wie „Wilson – Der Weltverbesserer“, „The Skeleton Twins“ und sein Debüt „True Adolescents“ haben zumindest den trockenen Humor und ihre ungewöhnlichen Hauptfiguren mit „Alex Strangelove“ gemeinsam. Zugleich ist letzterer Johnsons bislang wohl erzählerisch konventionellstes Werk. Bei der Figurenzeichnung verzichtet der Filmemacher zwar weitgehend auf die typischen Schulfilm-Stereotypen, aber zugleich herrscht an dieser Schule eine zuweilen fast schon irritierende Harmonie. Von solchen geradezu märchenhaften Zuständen können etwa die Schüler der Liberty High School aus „Tote Mädchen lügen nicht“ nur träumen. Wenn Johnson sich nicht gerade detailliert mit seinem Protagonisten befasst, dann hakt er einfach nur bekannte Elemente ab, die zu einem Film über das Erwachsenwerden eben dazugehören – Sex und die erste Beziehung, Freundschaft und (moderater) Konflikt, Drogenkonsum und ausgelassene Partys. Das ist meist ganz nett und ganz süß, aber irgendwie hat man das meiste davon gerade in dieser oberflächlichen Form auch schon diverse Male gesehen.

    Trotzdem hat der Film unbestreitbare Vorzüge: In „Alex Strangelove“ sticht nicht bloß die Hauptfigur aus der insgesamt recht generischen Jugendfilm-Erzählung heraus, sondern auch der offene Umgang mit sexuellen Identitäten insgesamt. Alex‘ sexuelles Erwachen wird von Craig Johnson einfühlsam beleuchtet und immer wieder auf kreative Weise bebildert (eines Morgens steht Alex in seiner Küche und vor ihm stehen drei Packungen Cornflakes: Heter-O’s, Gay-Flakes und Bi-Crispies – welche wird er wohl wählen?). Und wenn Alex und sein Schulfreund ihre Unsicherheit gegenüber Mädchen (und Jungs) zum Ausdruck bringen, indem sie aufzählen, wie viele sexuelle Orientierungen es mittlerweile gibt, dann ist das nicht etwa abwertend gemeint, sondern funktioniert als treffender Kommentar auf die Entwicklung in unserer Gesellschaft, die der Geschlechtervielfalt gegenüber immer aufgeschlossener wird (sogar in den aktuellen „Star Wars“-Film „Solo“ hat es schließlich eine pansexuelle Figur geschafft), was aber zuweilen auch mit einer gewissen Überforderung einhergeht

    Newcomer Daniel Doheny („Public Schooled“) bringt Alex‘ Unsicherheit gegenüber seinen Gefühlen, aber auch gegenüber seiner Freundin Claire sehr glaubhaft zum Ausdruck. Er will sie auf der einen Seite nicht verletzen, ist sogar neugierig auf den ersten Sex, doch gegen seine tiefsten Empfindungen, die sich verstärkt auf einen Mann richten, kann Alex eben nichts machen. Madeline Weinstein („Beach Rats“) überzeugt als unwissender Gegenpart, der von den uneindeutigen Signalen seines Partners zunehmend genervt ist. Während von den weitgehend unbekannten Nebendarstellern niemand heraussticht, peppen einige inszenatorische Finessen „Alex Strangelove“ auf. So hätte der  Film die ausführlichen Drogentrip-Szenen zwar erzählerisch nicht wirklich gebraucht, aber es ist einfach irre lustig, wenn wir hier Jemandem dabei zusehen, wie er sprechende Weingummischlangen verdrückt. Auch die Auszüge aus der charmanten Internetdoku, in der Alex und Claire das Verhalten ihrer Mitschüler mit dem von wilden Tieren vergleichen, lockern das Geschehen auf sehr unterhaltsame Weise auf.

    Fazit: „Alex Strangelove“ ist eine solide Coming-of-Age-Komödie, an der vor allem der offene Umgang mit verschiedenen Geschlechteridentitäten und sexuellen Orientierungen gefällt.

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