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    Submission
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Submission

    Ärgerliche Altherrenfantasien

    Von Thorsten Hanisch

    Eigentlich wäre ein Film über die Neujustierung der Geschlechterverhältnisse, über die aktuellen Schwierigkeiten der Dechiffrierung von geschlechterspezifischen Codes speziell auf dem Uni-Campus gar nicht so verkehrt. Nur verliert sich „Submission“, eine Verfilmung des 2000 erschienen Romans „Blue Angel“ von Francine Prose, in der altbekannten Klischee-Konstellation vom Mann in den besten Jahren, der in die Fänge einer jungen, verführerischen femme fatale gerät und durch sie alles verliert. Das wirkt gerade im Post-#MeToo-Zeitalter besonders unangenehm. Eine unverdient gute Besetzung bewahrt das Drama zwar knapp vor dem totalen Reinfall, kann aber auch nicht wegspielen, dass das Drama von Regisseur und Drehbuchautor Richard Levins wie ein Relikt aus grauer Vorzeit wirkt.

    Der arme, arme Professor ...

    Die Anstellung als Dozent für Kreatives Schreiben sollte für den Autor Ted Swanson (Stanley Tucci) eigentlich bloß die Zeit bis zu seinem zweiten Hit überbrücken, der ist allerdings auch zehn Jahre später noch immer nicht erschienen. Eines Tages bittet seine Studentin Angela Argo (Addison Timlin) ihn, das erste Kapitel ihres noch nicht fertiggestellten Romans „Eggs“ zu lesen. Das macht er auch mit Begeisterung, denn die überaus attraktive Frau betet ihn nicht nur regelrecht an, der Text ist in seinen Augen auch außergewöhnlich gut. Von einer Kollegin erfährt Swanson, dass Argo in einer anderen Klasse vulgäre Gedichte über die Konversationen einer Telefonsexanbieterin verfasst und drauf bestanden hat, diese der Uni-Bücherei zu schenken. Der neugierig gewordene Professor besorgt sich das Buch, das seine Fantasien zusätzlich anheizt. Während Angela ihm weitere Kapitel ihres immer erotischer werdenden Romans zum Lesen gibt, imaginiert der Literatordozent sich selbst in die Rolle aus dem Buch, versucht aber dennoch seine Beziehung professionell zu halten. Zu spät erkennt er, dass die junge Frau ganz andere Absichten verfolgt …

    … während jeder, der sich nur halbwegs in der Film- oder Literaturgeschichte auskennt, schon nach dem ersten Treffen weiß, wo die Reise hingeht. Der „Submission“ zugrundeliegende Roman „Blue Angel“ basiert auf Josef von Sternbergs Klassiker „Der blaue Engel“ (1929/1930), in dem eine blutjunge und verführerische Marlene Dietrich einen älteren Mann verführt und schließlich in den Abgrund stößt. Natürlich kennt Angela den Film, sie hat die DVD in ihrer Tasche, trägt sogar blau lackierte Fingernägel und gegen Ende wird ihn sich der mittlerweile tief gestürzte Ted an einem einsamen Abend auch noch selbst anschauen. Ebenso kommt einem sofort der Schriftsteller Vladimir Nabokov in den Sinn, der im Laufe seiner Karriere unter anderem in „Gelächter im Dunkeln“, „König Dame Bube“ und natürlich seinem Skandal-Welterfolg „Lolita“ immer wieder mit dem Reiz der Jugend auf alternde Männer beschäftigt hat.

    Die bösen, bösen Studenten

    Während Nabokov in der Zeichnung seiner Protagonisten aber immer auch Ambivalenzen zulässt, Abhängigkeitsverhältnisse durchleuchtet, die Täter-Opfer-Frage aufweicht, stellt sich Richard Levines Drehbuch komplett hinter seinen männlichen Protagonisten und interpretiert dessen Fehltritt als „tragischen Fehler“, der durchaus okay gewesen wäre, wenn Angela ehrbare Absichten gehabt hätte. Die fragwürdige Stoßrichtung wird spätestens in einer Dinnerszene klar, in der Ted und seine Arbeitskollegen sich über die moderne Generation der Studenten und deren erhöhtes Bewusstsein unterhalten. Mit Befremden wird festgestellt, dass Poe nicht mehr ohne weiteres akzeptiert wird, da der Grusel-Guru einst seine 13-jährige Cousine geheiratet hatte. Ein anderer Dozent merkt an, dass er nie allein mit einer Studentin in seinem Zimmer spricht, ohne die Tür offen zu lassen und für heikle Fälle im Schreibtisch ein Aufnahmegerät bewahrt. Ein weiterer merkt an, dass Dickens neuerdings schwule Subtexte untergejubelt werden.

    Schließlich setzt auch Ted zu einer kleinen, obszönen Rede an, in er die ganze Neuausrichtung als neurotisch und repressiv abkanzelt und gerne wieder alte Zustände herbeiführen möchte, was mit leicht schrägen Blicken bedacht, aber unwidersprochen hingenommen wird. Wer nun erwartet, dass diese zutiefst reaktionären Figur im weiteren Verlauf bloßgestellt oder auch nur auf irgendeine Weise hinterfragt werden, wartet vergeblich. Ebenso eindimensional wird Angela porträtiert: Die junge Frau ist schlichtweg blondes, zutiefst manipulatives Gift für einen zwar etwas zynischen, aber im Grunde rechtschaffenen, glücklich verheirateten Mann wie Ted. Dass der so handelt, wie er handelt, liegt jedenfalls nicht an ihm selbst.

    ... und die böse, böse Studentin!

    Was „Submission“ vor dem Totalausfall rettet, ist seine formale Seite: Das Ganze ist straff inszeniert und gut gespielt, besonders Kyra Sedgwick erfreut als gehörnte Ehefrau beim Geständnis ihres untreuen Gatten in einem fast leeren Restaurant mit einer zutiefst emotionalen Vorstellung, die jedem John-Cassavetes-Film gut zu Gesicht stehen würde. Dennoch: Es wundert kein bisschen, dass die Produktion, abgesehen von einer (kleinen) US-Kinoauswertung im März 2018, bisher praktisch unbeachtet geblieben ist: Selten wurde ein Film so rasant vom Zeitgeist überrollt.

    Fazit: Literaturprofessor wird von seiner Studentin verführt und leitet damit seinen Niedergang ein – alles ihr Fehler! Was gerade im #MeToo-Zeitalter zu einer interessanten Reflexion moderner Geschlechterverhältnisse hätte werden können, verkommt hier zu einer ärgerlichen Rechtfertigung von plumpen Altherrenfantasien.

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