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    Crisis
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Crisis

    "Traffic" in banal

    Von Sidney Schering

    2012 nahm sich der frühere Dokumentarfilmer Nicholas Jarecki im Thrillerdrama „Arbitrage – Macht ist das beste Alibi“ dem Themenkomplex Hedgefonds an. Der Film mit Richard Gere, Susan Sarandon und Tim Roth machte Profit, erhielt ein positives Presseecho, und die Chicago Film Critics Association nominierte Jarecki als einen der vielversprechendsten neuen Filmemacher. Seither wurde es jedoch still um den Regisseur und Autor. Nun ist sein nächster Film endlich erschienen und enttäuscht - nicht nur angesichts dieser Wartezeit.

    In „Crisis“ tauscht der Regisseur das Machtmittel Geld und die Sucht danach gegen Drogen und die von ihnen ausgehende Macht ein. Erneut versammelte er ein Star-Ensemble vor der Kamera, das sogar noch beeindruckender als bei seinem Spielfilmdebüt ist: Unter anderem spielen Gary Oldman, Armie Hammer, Evangeline Lilly, Michelle Rodriguez, Luke Evans, Lily-Rose Depp und Veronica Ferres mit. Doch in anderen Belangen fällt „Crisis“ deutlich hinter „Arbitrage“ zurück: Gelang es Jarecki dort, Spannung und Charakterstudie zu vereinen, reißt „Crisis“ mehr an, als Jarecki in der Laufzeit behandeln kann.

    Wirkt wild entschlossen: Undercover-Agent Jake Kelly (Armie Hammer)

    Undercover-DEA-Agent Jake Kelly (Armie Hammer) organisiert von Detroit ausgehend eine gigantische Schmuggelaktion zwischen den USA und Kanada, bei der mehrere Kartelle zusammenarbeiten. Seine Absicht: Er will all diese Kartelle gleichzeitig ausschalten. Die Architektin Claire Reimann (Evangeline Lilly), die unter einer Oxycodon-Abhängigkeit litt, entdeckt derweil, dass ihr Sohn in Drogengeschäfte verwickelt war und daher sterben musste.

    Universitäts-Professor Tyrone Brower (Gary Oldman) macht gemeinsam mit seinem Team derweil eine unangenehme Entdeckung beim Auftraggeber seiner neuen Forschung: Eine Pharmafirma mit Verbindungen zu hohen politischen Kreisen bringt ein neues Schmerzmittel auf den Markt, das damit werben soll, dass es nicht abhängig macht. Aber Brower hat stichhaltige Gegenbeweise …

    Drei Filme in einen gequetscht

    Auch wenn diese Geschichten nicht einfach parallel zueinander ablaufen, sondern sich gelegentlich überschneiden, stehen sie doch seltsam für dich. Denn diesen Überkreuzungen der Handlungsfäden zum Trotz bleibt das verbindende Element in „Crisis“ ein rein thematisches: Jarecki packt diese drei Geschichten mit der unausgesprochenen Begründung „Nun, sie handeln halt vom selben Thema“ in einen einzelnen Film, statt sie so narrativ zu verbinden, dass sie einander argumentativ stützen.

    Somit mutet „Crisis“ wie eine banale Diät-Variante von Steven Soderberghs preisgekröntem Drogen-Ensemblefilm „Traffic“ an. Dort ergänzen sich die einzelnen Handlungsfäden narrativ wie thematisch. Doch nicht nur das fehlt, sondern „Crisis“ ist auch deutlich unausgereifter. Zwar ist „Traffic“ nicht frei von Klischees, doch Jarecki greift auf ein regelrechtes Übermaß an stereotypen Figuren und erzählerischen Plattitüden zurück, um diese drei Geschichten in nur 118 Minuten Laufzeit zu quetschen.

    Verzweifelt: die Architektin Claire Reimann (Evangeline Lilly).

    So macht Claire Reimann unplausibel große Recherchefortschritte innerhalb kürzester Zeit, womit Jarecki das Drogenkomplott rund um ihren Sohn zwecks eines zügigen Plotfortschritts kleinschreibt. Jake Kellys moralische Dilemmata als Undercover-Agent mit drogensüchtiger Schwester sind oft schlicht platt, und Tyrone Browers Story ist so frei von moralischen Nuancen präsentiert, dass sie sich Schritt für Schritt vorhersagen lässt. Und das, obwohl Jarecki einzelne Szenen als Suspense-Momente inszeniert, in denen man mitfiebern soll, wie sich Oldmans Figur wohl entscheiden wird.

    Dass Oldman seine Rolle durchweg als liebenswürdig-schroff anlegt und Browers moralisierende Monologe dick aufträgt, hemmt das Aufkommen etwaiger Anspannung ob der Integrität dieser Figur zunehmend. Armie Hammers Figur scheint direkt aus einer guten alten Episodenserie entsprungen zu sein, wo Polizisten so eindimensional bleiben, dass auch beim Einschalten in der nächsten Woche alles beim Alten ist. Stars wie Michelle RodriguezLuke Evans oder Lily-Rose Depp sind derweil kaum mehr als Stichwortgeber.

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    So sticht eine solide aufspielende Veronica Ferres („Salt And Fire“) schon heraus. Als kühle Entscheidungsträgerin bekommt sie auch vom sonst mauen Drehbuch einen Moment, die Doppelmoral großer Pharmakonzerne in einem Streitgespräch mit Brower knochentrocken vorzuführen: Eine prozentual niedrige Fehlerquote ist zu vernachlässigen, wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen, aber nicht zu dulden, wenn es um Profitfragen geht…

    Ein Marvel-Star setzt seltene Glanzpunkte

    Letztlich ist es aber Evangeline Lilly, die schauspielerisch am meisten aus diesem Thrillerdrama heraussticht: Egal, ob ihre Claire von den Enthüllungen über ihren Sohn getroffen ist, sich in den Fall verbeißt oder mit ihrer eigenen Sucht hadert, stets gibt der „Ant-Man And The Wasp“-Star eine mimisch starke, mitleiderregende Performance ab, ohne ins Melodramatische zu kippen.

    Lillys Spiel allein genügt aber nicht, um „Crisis“ auch jenseits ihrer Szenen wenigstens emotional wirken zu lassen und berührend vorzuführen, wie Opiate die Gesellschaft beeinflussen. Inhaltlich klappt dies schließlich ohnehin nicht, sind doch die Erkenntnisse dieses lose auf wahren Begebenheiten basierenden Thrillerdramas so allgemein gehalten, dass kaum jemand neue Einsichten gewinnen dürfte.

    Fazit: Dünn skizzierte Figuren und viele thematische Gemeinplätze: „Crisis“ spinnt aus drei Geschichten rund um Opiate einen sehr simplen Teppich.

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