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    Beckenrand Sheriff
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Beckenrand Sheriff

    Mit Badelatschen gegen die Gentrifizierung

    Von Sidney Schering

    Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt, ist länger tot“) gehört, wie wir ihm bereits vor Jahren attestierten, zu den Mitbegründern eines neuen, regional beschränkten Heimatfilmgenres: Seine Werke zeigen bayerisches Idyll und geizen dabei weder mit romantisierten Schilderungen regionaler Eigenheiten noch mit humorvollen Seitenhieben auf die süddeutsche Spießigkeit. Dabei gelingt es Rosenmüller immer wieder, diese bayerische Dörflichkeit durch Protagonisten aus anderen Gegenden gewinnbringend aufzubrechen.

    Wofür in „Wer's glaubt wird selig“ noch Nordlicht Christian Ulmen zuständig war, wird hier von gleich zwei „Zugereisten“ erledigt: Nach einem Drehbuch von Marcus Pfeiffer erzählt Rosenmüller in „Beckenrand Sheriff“ davon, wie ein aus Berlin stammender Bademeister und sein nigerianischen Azubi einem kleinen bayerischen Ort zu einem erneuerten Gemeinschaftssinn verhelfen.

    Schwimmmeister Karl (Milan Peschel) und Wasserball-Trainerin Silke (Johanna Wokalek) schließen sich zusammen, um das Freibad zu retten.

    Das örtliche Freibad ist der Bürgermeisterin von Grubberg (Gisela Schneeberger) ein Dorn im Auge. Zum Glück versteht sie sich aber bestens mit dem Bauherren Albert Dengler (Sebastian Bezzel), der auch schon konkrete Pläne für die Fläche hat. Er will auf dem Grundstück hässliche, überteuerte Wohnungen bauen, um sich ein goldenes Näschen zu verdienen. Damit die möglichst rasch aus dem Boden sprießen können, würde er das alte Bad sogar gratis abreißen. Allerdings hat das Duo die Rechnung ohne Bademeister, pardon, Schwimmmeister Karl (Milan Peschel) gemacht.

    Der grantige Sheriff des Schwimmbeckens hat eine Schwäche für die Wasserball-Trainerin Silke (Johanna Wokalek) und wacht sonst mit strengem Blick über seine wenigen Gäste. Darüber hinaus zeigt er großen Eifer darin, sein Freibad zu retten. Mit diesem Engagement steckt er sogar seinen nigerianischen Azubi Sali (Dimitri Abold) an, obwohl der Deutschland eigentlich schnellstmöglich Richtung Kanada verlassen will. Wobei auch die Ex-Profischwimmerin Lisa (Sarah Mahita), die heimlich nachts im Freibad ihre Runden zieht, ihren Beitrag dazu leistet, Sali womöglich doch noch für einen Verbleib in Deutschland zu erwärmen…

    Willkommen in Grubberg

    Wohlfühlunterhaltung, kombiniert mit einer herzlich erzählten, halbwegs ernsten Auseinandersetzung mit dem Schicksal von Flüchtlingen in Deutschland – damit feierte Simon Verhoeven 2016 mit „Willkommen bei den Hartmanns“ einen riesigen Erfolg. Mehr als 3,8 Millionen Menschen lösten in Deutschland ein Ticket. Obwohl das Sujet seitdem nicht an Relevanz verloren hat, griff das deutsche Unterhaltungskino es seither aber – übrigens ganz im Gegensatz etwa zum französischen Kino – nur noch sporadisch auf. Schade eigentlich, zeigt doch auch Rosenmüller nun wieder, wie kurzweilig und erbaulich ein solcher Clash der Kulturen sein kann, ohne dass man die Flüchtlingsthematik dabei zu sehr auf die leichte Schulter nehmen müsste.

    Die wichtigste Stütze des Films ist dann auch der kauzig-freundliche Charme, den die zentralen Figuren versprühen. Vergleichbar etwa mit dem gemütlich-verschrobenen Esprit der Eberhofer-Krimis punktet auch „Beckenrand Sheriff“ mit einer Riege an funktional-schrulligen Charakterköpfen – vom neunmalklugen Dr. Rieger (Rick Kavanian), der mit seiner Höhenangst ständig den Sprungturm blockiert, bis zur rüstigen Rentnerin, die konsequent darauf besteht, auf exakt der einen Schwimmbahn zu kraulen, auf der Kraulen verboten ist. Und mittendrin schreitet Schwimmmeister Karl im strammen Tempo mit quietschenden Badelatschen durch die Anlage. Das Bad wird bei ihm auf die Sekunde genau und wenn der Stress zu arg wird, fängt er an zu puzzeln. Die Figuren sind allesamt gewitzt überspitzt und wann immer sie aufeinanderprallen, sprühen die Funken.

    Sali (Dimitri Abold) will eigentlich nach Kanada - aber nun hilft er doch bei der Rettung des Freibads...

    Für eine gewisse Erdung zwischen all den Knallchargen sorgt der wasserscheue Sali, der sich beruflich gezwungen sieht, Schwimmen zu lernen. Dabei schwankt er dank Dimitri Abolds erfrischendem, unaufgeregtem Spiel glaubwürdig zwischen tief verwurzelter Sorge und Freude am Entdecken des kühlen Nass. Zudem harmoniert Abold sehr gut mit Sarah Mahita, die als in Ungnade gefallener Jung-Schwimmstar und Salis geduldige Schwimmlehrerin die Ruhigste der Ur-Bayern gibt. In einer Gemeinde voller Käuze finden und stützen sich die beiden beim gemeinsamen Trübsal blasen. Aber auch Abold und Milan Peschel harmonieren gut miteinander, weshalb aus der Genervter-Chef-und-planloser-Lehrling-Dynamik schnell eine Freundschaft voller Wertschätzung wird.

    Zugegeben passiert das sogar etwas zu schnell: Sali verzeiht Karl seine anfänglich gemeinen Lektionen ruckartig. Und dafür, dass Karl so sehr betont, nichts mit Leuten zu tun haben zu wollen, die Ärger anziehen, und er Sali für genau so jemanden hält, sind die beiden doch erstaunlich rasch auf einer Wellenlänge. Da hätten dem Skript vielleicht ein, zwei zusätzliche Anfreundungsszenen gutgetan – zumal sie mit ihrem Status als „Zugereiste“, wie man in Bayern ja gern all jene nennt, die nicht dort geboren wurden, eine große Gemeinsamkeit haben, über die sie sich austauschen könnten. Stattdessen behandelt „Beckenrand Sheriff“ Karls Vergangenheit als Berliner fast nur in Szenen ohne Sali. Das ist verschenktes Potential.

    Ein starkes Finale

    Ein wiederholter Störfaktor ist zudem die Hintergrundmusik von Komponist Andrej Melita („25 hm/h“), die in kurzweiligen Situationen übertrieben quirlig vor sich hin quäkt und die dramatischen Momente mehrmals mit betontem Pathos zu ersticken droht. Und während Johanna Wokalek („Die Päpstin“) als kontaktscheue und ihrem Team gegenüber strenge Trainerin viel Spielfreude versprüht, ist ihre Rolle zugleich derart überzeichnet, dass es manchmal beinahe gehässig wirkt, wie Rosenmüller ihre Neurosen darstellt. Ein unschöner und unnötiger tonaler Bruch.

    Dafür gefällt das Finale! Wie hier am Ende mit regionaler Gemütlichkeit, kleinstädtischer Kauzigkeit und zwischenmenschlicher Empathie die Handlungsfäden rund um das Wasserball-Team, Salis Zukunft und Karls geliebtes Freibad zusammenkommen, ist zwar nicht unbedingt realistisch, aber innerhalb der Filmlogik plausibel und für das Publikum aufmunternd. Spätsommerliche Ferienlaune ist da praktisch vorprogrammiert!

    Fazit: „Beckenrand Sheriff“ ist eine vergnügliche, leichtfüßige Komödie, die mit ihren charmant-kauzigen Figuren für mehr Gemeinschaftssinn einsteht.

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