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    The Queen Mary
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    The Queen Mary

    Gruselig ist auf diesem Schiff vor allem der wirre Plot

    Von Thorsten Hanisch

    In „The Queen Mary“ hämmert nach ungefähr 80 Minuten eine Geisterfrau ihren Kopf immer und immer wieder auf die Tastatur eines Klaviers und kreischt: „Ich muss dieses Schiff verlassen! Ich muss dieses Schiff verlassen! Ich muss dieses Schiff verlassen!” Das soll sicherlich gruselig sein, bringt in diesem Moment aber vielmehr die Gefühlslage des Kinopublikums auf den Punkt. Dabei klingt das ja alles erst mal durchaus vielversprechend:

    Geisterschiffe sind schließlich ein dankbares Setting für Gruselstoffe, man denke nur an „Death Ship“, „Triangle“ oder den berüchtigten 70er-Jahre-Heuler „Das Geisterschiff der schwimmenden Leichen“. „The Queen Mary“ spielt im Gegensatz zu anderen Genrevertretern sogar auf einem real existierenden Schiff, auf dem es tatsächlich spuken soll und auf dem auch ein paar Szenen gedreht wurden. Zugleich kommt der Geister-Schocker aber DERART konfus daher, dass man sich schon fragt, wo der Eisberg bleibt, wenn man ihn zur Abwechslung wirklich mal braucht.

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    Auf der Queen Mary treiben allerlei kuriose Gestalten ihr blutiges Unwesen!

    Erzählt werden zwei Geschichten parallel: 1938 schleicht sich die Familie Ratch auf eine Halloween-Party, zu der eigentlich nur die Passagier*innen der ersten Klasse Zutritt haben. Jackie (Florrie May Wilkinson) kann ganz wunderbar tanzen und soll ein Filmstar werden, weshalb Vater David (Wil Coban) hofft, auf der Party einen Produzenten vom Talent seiner Tochter überzeugen zu können. In der Gegenwart besucht die Autorin Anne Calder (Alice Eve) das mittlerweile zur mäßig erfolgreichen Touristenattraktion umfunktionierte Schiff mit ihren Sohn Lukas (Lenny Rush) und ihren Mann Patrick (Joel Fry), um für ein Buch zu recherchieren. Doch schon bald passieren seltsame Dinge:

    Obwohl der Schwindel der Ratches auffliegt, kann Jackie noch einen eindrucksvollen Tanz mit Fred Astaire aus Parkett bringen. Trotzdem benimmt sich ihr Vater plötzlich ganz schön merkwürdig. Parallel dazu weigert sich Kapitän Carradine (Jim Piddock), das Tempo zu drosseln. Er will die Chance auf das Blaue Band für das schnellste Passagierschiff nicht verpassen. In der Gegenwart verliert Lukas den Anschluss an seine Familie, verirrt sich und trifft ein kleines Mädchen an einem Swimmingpool, der zugleich als Portal zu einer anderen Dimension dient. Und dann gibt’s da noch Kapitän Bitter (Dorian Lough), der vielleicht der Captain ist, vielleicht aber auch nicht … und so weiter und so fort … und natürlich hängt das am Ende irgendwie alles zusammen, aber es würde uns absolut nicht überraschen, wenn selbst die Macher*innen Probleme damit hätten, es genau zu erklären.

    Kreuz und quer

    Es entbehrt sicher nicht einer gewissen Ironie: Der irische Werbefilm-Regisseur Gary Shore drehte 2014 mit „Dracula Untold“ sein Spielfilmdebüt. Auch wenn das weltweite Einspielergebnis durchaus überzeugen konnte, waren sich Kritik und Publikum weitgehend einig, dass der Plot zu dünn und der Film mit seiner erstaunlich knappen Laufzeit von nur 92 Minuten für einen epischen Fantasy-Actioner einfach viel zu kurz sei. Man möchte meinen, dass sich Shore diese Kritikpunkte bei seiner Überarbeitung des Drehbuchs zu „The Queen Mary“ zu Herzen genommen hat: Denn am Ende sind nun satte 125 Minuten und ein heillos überladenes Kuddelmuddel dabei herausgekommen.

    Abgesehen davon, dass die Handlung mit fortschreitender Laufzeit immer schwerer und irgendwann dann gar nicht mehr nachvollziehbar ist, hat das Ganze auch keinen überzeugenden Rhythmus. Der Film springt nicht nur unkoordiniert zwischen den zwei Zeitebenen, auch sonst wollen die vielen eingestreuten Stilelemente einfach nicht so recht zusammenfinden: „The Queen Mary“ ist im Kern zwar ein Gruselfilm, schreckt aber auch nicht vor einer langen heiteren Stepptanz-Nummer zurück. Die wirkt ebenso wie aus einem anderen Film wie der hammerharte Gore – und die plötzliche Animationssequenz im finalen Drittel.

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    Wer würde sich bei diesem vertrauenserweckenden Lächeln nicht sofort sicherer fühlen?

    Natürlich ist es grundsätzlich begrüßenswert, dass Gary Shore nicht einfach nur 08/15-Grusel abliefert, sondern sich an alle möglichen kreativen Einschübe herangewagt hat. Aber angesichts der allgemeinen Zerfahrenheit ist jeder Anflug von Atmosphäre schnell wieder dahin, wirklich Spannung kommt sogar gar nicht auf. „The Queen Mary“ ist ein Horrorfilm, der sich was traut – aber in diesem Fall zahlt sich das Risiko leider nicht aus, und daran ändern auch die schicken Bilder, die guten Effekte und der bemühte Cast nur wenig.

    Fazit: Gary Shore hat genau die falschen Schlüsse aus der Kritik an seinem Erstling „Dracula Untold“ gezogen: War der Vampir-Blockbuster noch zu kurz und arg schlicht, ist „The Queen Mary“ nun überlang und derart wirr, dass man auch die positiveren Aspekte angesichts der allgemeinen Verwirrung kaum noch genießen kann.

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