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    Saints And Sinners - Heilige und Sünder
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Saints And Sinners - Heilige und Sünder

    Auftragskiller vs. Terroristen in Irlands (Wildem) Westen

    Von Christoph Petersen

    Die Grafschaft Donegal bekam einst von ihren eigenen Politikern den Beinamen „The Forgotten County“ verpasst – und ist ihn bis heute nicht mehr losgeworden. Ganz oben im westlichsten Zipfel von Irland liegt sie – und es passt wie die Faust aufs Auge, dass Robert Lorenz („Back In The Game“) sein fatalistisch-melancholisches Thriller-Drama genau hier angesiedelt hat: Schließlich fühlt sich „In The Land Of Saints And Sinners“ trotz des Settings im Jahre 1974 wie ein Western an – von den Protagonist*innen über das Setup bis hin zum finalen Shootout in der örtlichen Kneipe, nur dass die hier eben Pub und nicht Saloon genannt wird.

    Liam Neeson („Retribution“) verkörpert als Ex-Soldat und Auftragskiller den Archetypen des in die Jahre gekommenen Revolverhelden, der mit seiner verbliebenen Zeit noch etwas Sinnvolles anstellen will. Dabei gerät er mit einer Gruppe von Gangstern aneinander, die sich hier am Ende der Welt vor dem Zugriff der Justiz verstecken: Dass es sich dabei nicht um Bankräuber*innen handelt, sondern um IRA-Terrorist*innen, die bei einem Autobombenanschlag ungeplant auch drei Kinder mit in die Luft gejagt haben, spielt im weiteren Verlauf sowieso kaum noch eine Rolle. Überraschungen sollte man hier also besser keine erwarten – und trotzdem überzeugt der Film durch seinen starken Cast und eine erfrischende Geradlinigkeit.

    Auftragskiller Finbar (Liam Neeson) ist sehr beliebt – selbst beim örtlichen Polizisten (Ciarán Hinds), mit dem er regelmäßig um die Wette schießt…

    Finbar (Liam Neeson) lässt seine Opfer ihre Gräber selbst ausheben – und am Ende pflanzt er für jedes ein Bäumchen. Über die Jahre ist so schon ein ganz stattliches kleines Wäldchen zustande gekommen – und es sieht nicht danach aus, als würde sein Vermittler Robert (Colm Meaney) in Zukunft weniger Aufträge für ihn haben. Doch der seit dem Tod seiner Frau alleinlebende Ex-Soldat kommt langsam ins Grübeln – und möchte zukünftige Jobs deshalb lieber dem jüngeren Kollegen Kevin (Jack Gleeson) überlassen.

    Aber einmal holt der Auftragskiller auf dem Weg zur Läuterung die Schrotflinte doch noch raus – und zwar aus persönlichen Gründen: Als er mitbekommt, dass die Tochter (Michelle Gleeson) von Pub-Wirtin Sinéad (Sarah Greene) von ihrem „Onkel“ Curtis (Desmond Eastwood) missbraucht wird, macht Finbar mit ihm kurzen Prozess. Was er jedoch nicht wusste: Der Tote war der Bruder der landesweit gesuchten IRA-Terroristin Doireann (Kerry Condon), die sich mit ihren zwei Komplizen in einer Hütte in der Nähe versteckt hält…

    Gleich zwei Stars stehlen Liam Neeson die Show

    Wie in so vielen B-Movies der Western-Hochzeit kommt auch in „In The Land Of Saints And Sinners“ alles mehr oder weniger genauso, wie man es von Anfang an erwartet. Überraschende Wendungen? (Post-)Moderne Spielereien? Sucht man hier allesamt vergeblich! Dafür finden sich allerdings vor der Linse von Clint-Eastwood-Stammkameramann Tom Stern („American Sniper“) einige besonders erwähnenswerte Performances – und damit meinen wir gar nicht mal unbedingt Liam Neeson, der in seiner zweiten Zusammenarbeit mit Regisseur Robert Lorenz nach „The Marksman“ eine zwar überzeugende, aber für ihn eben auch sehr typische Performance abliefert.

    Stattdessen ist da zum einen Jack Gleeson, der aufgrund seiner Rolle als Joffrey Baratheon wohl meistgehasste „Game Of Thrones“-Star überhaupt, den man in seinem Part als junger Auftragskiller-Protegé allerdings kaum wiedererkennt: Im Gegensatz zu Finbar mag er das Töten – offenbart im Verlauf des Films aber eine gewisse tragische Note hinter seiner psychopathischen Fassade, die ihn zur vielleicht sogar sympathischsten Figur des Films werden lässt. Auf der anderen Seite gibt die erst vor wenigen Monaten oscarnominierte Kerry Condon („The Banshees Of Inisherin“) die toughe, von ihrer Aufgabe überzeugte Terroristin, die im Verbund mit ihren Mitverschwörern klar die Hosen anhat. Eine würdige Widersacherin selbst für Liam „Taken“ Neeson.

    Kerry Condon liefert als toughe Terroristin die beste Performance des Films!

    Dazu kommen mit Ciarán Hinds („Belfast“) und Colm Meaney („Deep Space Nine“) noch zwei Charakterköpfe, die beim irischen Akzent ganz besonders dick auftragen: Wenn es eine Chance gibt, sollte man sich „In The Land Of Saints And Sinners“ unbedingt im „englischen“ Original anschauen, selbst wenn hier selbst manche Muttersprachler*innen die Untertitel zuschalten werden. Wobei man wohl eh auch mit abgeschaltetem Ton vom Plot kaum etwas verpassen würde – abgesehen natürlich vom Gefiedel im Pub, das ab dem ersten Ton so unverkennbar irisch ist, dass man fast auf die Idee kommen könnte, hier doch keinen einfach nur 8.000 Kilometer nach Osten und 100 Jahre in die Zukunft verpflanzen Western zu schauen.

    Fazit: Nach dem Spätwestern kommt jetzt der sehr späte Western – denn auch wenn „In The Land Of Saints And Sinners“ so ziemlich alle Tropen des Genres erfüllt, spielt er nicht wie die allermeisten seiner Artgenossen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den USA, sondern Mitte der 1970er in Irland. Das sorgt zumindest für ein wenig frischen Wind – und den Rest erledigen die starken Schauspieler*innen sowie Robert Lorenz‘ fettfreie Erzählweise.

    Wir haben „In The Land Of Saints And Sinners“ beim Filmfestival Venedig 2023 gesehen, wo er außer Konkurrenz in der Reihe Orizzonti seine Weltpremiere gefeiert hat.

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