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    Chase - Nichts hält ihn auf
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Chase - Nichts hält ihn auf

    "Spurlos verschwunden" auf Speed!

    Von Karin Jirsak

    An einer Autobahn-Tankstelle will sie nur schnell Getränke holen, er wartet auf dem Parkplatz – vergebens… Klingt vertraut? Gut möglich, denn aus derselben Prämisse schuf der Niederländer George Sluizer 1988 mit „Spurlos verschwunden“ ein Stück Thriller-Geschichte. Fünf Jahre danach drehte er mit „Spurlos“ ein Remake für den US-Markt, ohne den fatalistischen Stachel des Originals, dafür mit den Hollywood-Stars Jeff Bridges, Kiefer Sutherland und Sandra Bullock.

    Noch mal fast 30 Jahre später bedient sich nun Brian Goodman („Boston Streets“) an Sluizers Plotidee, versucht sich in „Chase – Nichts hält ihn auf“ aber gar nicht erst an der perfiden Raffinesse, die „Spurlos verschwunden“ zum unvergesslichen Thriller-Erlebnis macht. Stattdessen drückt der Amerikaner einfach mal das Gaspedal durch und serviert einen Selbstjustiz-Plot, aus dem auch ein gewohnt grummelig-testosterontriefender Gerald Butler („300“) im Impro-Modus keinen nennenswerten Unterhaltungswert mehr herauspressen kann.

    Leider fällt es beim Schauen kaum auf, dass es sich hier um ein durchaus spannendes Filmexperiment handelt: Gerard Butler hat seine Dialoge nämlich am Set improvisiert.

    Wo ist Lisa (Jaimie Alexander)? Will (Gerald Butler) wollte nur kurz an der Raststätte halten – vorgeblich, um zu tanken, in Wahrheit jedoch, um noch einen letzten Versuch zu starten, seine Noch-Ehefrau davon zu überzeugen, doch lieber gemeinsam Urlaub zu machen als ohne ihn zu ihren Eltern zu fahren, wo Lisa sich eine Auszeit nehmen wollte. Dieser Umstand ist für Detective Patterson (Russel Hornsby) Grund genug, Wills Vermutung, seine Frau könnte Opfer einer Entführung geworden sein, anzuzweifeln. So bleibt Will keine andere Wahl, als die Suche selbst in die Hand zu nehmen, denn die Uhr tickt…

    Noch vor Beginn der eigentlichen Handlung setzt Stirnrunzeln ein, wenn Brian Goodman uns zum Auftakt einen Blick in die Kristallkugel werfen lässt: Wir sehen Cop Patterson, wie er einem Verdächtigen auf dem Rücksitz die Luft abdrückt, um zu ermitteln, wo und in welchem Zustand sich die (später) Vermisste befindet. „Sie ist tot“, winselt schließlich der Delinquent und wir fragen uns ernsthaft: Kann es wirklich sein, dass Goodman uns gleich zu Anfang einen solchen Spoiler auftischt? Ohne auf diese Frage näher einzugehen, sei verraten, dass sie von diesem Moment an wie ein schaler Schatten über allem hängt, was dieser völlig überflüssigen Vorschau noch folgt.

    Irgendwas mit Crystal Meth

    Als nächstes erleben wir eine wie mit dem Holzbeitel modellierte Kopie der „Spurlos verschwunden“-Ausgangssituation: Das streitende Paar im Wagen, die Tankstelle, aus der sie nicht wieder auftaucht, das Durchkämmen des Geländes, das sinnlose Befragen mutmaßlicher Zeug*innen in und vor der Tankstelle („Haben Sie meine Frau gesehen? Sie trägt ein weißes T-Shirt und Jeans...“). Da die hinzugezogene Polizei weder von Wills Unschuld überzeugt ist („Ich muss sie das fragen: Wie läuft ihre Ehe?“) noch schnell genug handelt, ermittelt der Angehörige von nun an auf eigene, nicht nur redensartliche Faust – und das ist dann auch der Moment, in dem sich Goodman von der „entlehnten“ Prämisse löst, um seine eigene Version dessen zu präsentieren, was nach dem Verschwinden der Schönen wohl passiert ist.

    Und es passiert schnell: In Sluizers Psychothriller vergehen drei Jahre, in denen der Protagonist verzweifelt nach seiner Geliebten sucht. In „Chase“ sind es hingegen nur wenige Stunden, gefüllt mit Gerald Butler, der sich mit Brechstange und praktischerweise gefundenen Schießeisen den Weg Richtung Gerechtigkeit freiräumt. Eine heiße Spur führt in die Hillbilly-Szene des Hinterlandes von Lisas Heimat Georgia. In einem Trailerpark mitten im Wald befassen sich Menschen mit Namen wie Knuckles und Frank mit Aktivitäten wie dem In-die-Luft-Ballern mit abgesägten Knarren und dem Brauen von Crystal Meth. Mehrmals fängt der Zoom in diesen Szenen die Warnhinweise ein, die sich an den in der Drogenküche verwendeten Substanzen finden („Dangerous!“, „Flammable!“), sodass nicht nur geahnt werden darf: Hier könnte alles ein explosives Ende nehmen… das dann allerdings zu gleichen Teilen beknackt und öde ausfällt.

    Gut, dass Will (Gerald Butler) schnell Waffen findet. Denn in „Chase“ ist statt Cleverness doch nur rohe Feuerkraft von Bedeutung.

    Dass Goodman und sein Drehbuchautor Marc Frydman mit diesem Selbstjustiz-Thriller ein formales Experiment gewagt haben, überrascht angesichts des wenig originellen Ergebnisses dann doch gewaltig: Tatsächlich improvisierte Hauptdarsteller Gerald Butler seinen Part der Dialoge, während die anderen Darsteller*innen mit vorgegebenen Texten arbeiteten. Erstaunlich, wie wenig man aus so einer wagemutigen Idee herausholen kann, wenn das Drehbuch nur platt genug ist.

    Fazit: Ungeniert dreht der Amerikaner Brian Goodman Ideen aus George Sluizers Meisterwerk „Spurlos verschwunden“ durch den Wolf und jagt Gerald Butler als ballernden Rächer durch einen teils unfreiwillig komischen Actionthriller ohne jede Spur von Raffinesse oder Verstand. Keine Ahnung, warum ausgerechnet eine so platte Produktion ein derart aus dem Rahmen gefallenes Impro-Experiment wie hier mit den spontan aus dem Ärmel geschüttelten Dialogen des Hauptdarstellers wagt.

     

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