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    Kannawoniwasein!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Kannawoniwasein!

    So geht cooles Kinderkino!

    Von Markus Tschiedert

    Wann immer etwas schief läuft oder anders als erwartet, ist er da, dieser Satz, der einem oft mehrmals am Tag begegnet: „Das kann doch wohl nicht wahr sein.“ Als der Berliner Krimi-Autor Martin Muser („Granitfresse“) auf der Suche nach einem Titel für sein erstes Kinderbuch war, fiel ihm zuerst auch nur so etwas Langweiliges wie „Finn & Jola auf Abenteuerreise“ ein – und kommentierte seine eigene Einfallslosigkeit ebenfalls mit diesem alltäglichen Ausspruch. Und plötzlich war’s geschehen: Diesen Satz einfach mal schnell und nuschelnd gesprochen und schon kam „Kannawoniwasein!“ heraus.

    Das hatte sowohl was Kindliches als auch „wat Berlinerisches‘ – beides sehr passend für seine Geschichte. Nach anfänglichen Bedenken des Verlages, ob so ein Bandwurmwort überhaupt absatzfördernd sein kann, kam „Kannawoniwasein!“ 2018 auf den Markt und mauserte sich zum Verkaufsschlager. Nach Hörbuch (gelesen von Stefan Kaminski), etlichen Preisen und zwei Fortsetzungen war es schließlich an der Zeit, daraus auch einen Kinofilm zu machen. Unter der kongenialen Regie von Stefan Westerwelle („Into the Beat - Dein Herz tanzt“) ist ein beherztes Sommerabenteuer entstanden, das seinem jungen Zielpublikum stets auf Augenhöhe begegnet.

    „Kannawoniwasein!“ handelt von zwei junge Ausreißer*innen auf dem Weg zum Meer …

    Eigentlich wollte Scheidungskind Finn (Miran Selcuk) mit seinem Vater (Ekrem Bora alias Eko Fresh) ja eine Paddeltour unternehmen. Aber der Beruf geht vor – und den gerade reingeflatterten Großauftrag kann sich der Papa nun wirklich nicht durch die Lappen gehen lassen. Und so sitzt der Zehnjährige plötzlich im Zug von Neustrelitz nach Berlin, wo ihn seine von der Situation genervte Mutter in Empfang nehmen soll. Unterwegs wird der Junge allerdings von einem Fremden angesprochen und auch noch beklaut. Als Finn das Verschwinde seines Rucksacks bemerkt, ist es zu spät – und er wird von der Schaffnerin (Mirja Boes) an der nächsten Station der Polizei übergeben.

    Die die will ihm aber auch nicht glauben, dass sein Rucksack mitsamt Geld, Handy und Fahrkarte weg ist. Erst die 12-jährige Ausreißerin Jola (Lotte Engels) macht ihm klar, dass er mit ihr gemeinsam in Richtung Meer verduften sollte. Das führt sie nach etlichen Verwicklungen (u.a. mit einem hilfsbereiten dänischen Nudisten-Pärchen oder einem dauerlachenden Friedrich-König-von-Preußen-Imitatoren) schließlich in die Arme einer Motorradgang, zu der auch der Dieb (Joachim Foerster) aus dem Zug gehört…

    Ein bisschen Kästner und ganz viel Eigenes

    Es lag nicht in der Absicht von Martin Muser, sich mit dem großen Erich Kästner zu vergleichen. Die Parallele zu „Emil und die Detektive“, wo ebenfalls ein Junge bestohlen wird und eine Jagd nach dem Dieb beginnt, ist auch ihm erst nach dem Schreiben aufgefallen. Nach dieser ähnlichen Ausgangssituation nimmt „Kannawoniwasein!“ aber ohnehin eine ganz andere Richtung und entwickelt sich zu einem Roadmovie mit ansteckend-abenteuerlichem Ausreißer-Flair: Für die Kids geht es quer durch Brandenburg bis an die Ostsee - abweichend vom Buch, wo Berlin das eigentliche Ziel ist. Gedreht werden musste aber dort, wo es Fördergelder gab - und die kamen nicht aus Berlin-Brandenburg, sondern aus Hessen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Nur wenigen wird überhaupt auffallen, dass woanders gedreht wurde als im Film behauptet.

    Man könnte gar meinen, die regionale Verortung der Geschichte wäre egal. Stimmt so aber nicht, denn es ist schon wichtig, dass fast alle Erwachsenen, auf denen die beiden während ihrer Reise stoßen, meist mit Berliner Slang sprechen, womit sie im Kosmos der Kids einerseits wie Fremdkörper wirken, andererseits aber auch als zuverlässige Gag-Lieferant*innen dienen: Comedians wie Gisa Flake („Stadtlandliebe“) als einfältige Polizistin, Ades Zabel („Die drei Drachen vom Grill“) als bissige Sexshop-Betreiberin oder Anna Mateur („Bibi & Tina - Einfach anders“) als schnoddrige Imbisswurst-Verkäuferin liefern herrlich verschrobene Cameos ab, ohne dabei den beiden Stars des Films (Miran Selcuk und Lotte Engels sind zwei echte Neuentdeckungen) die Show stehlen zu wollen. Im Gegenteil: Besonders Lotte Engels als die Mutigere im Gespann darf in den Konfrontationen mit Erwachsenen stets auftrumpfen. Sie kontert, ist flapsig und beschützt den eher schüchternen Finn wie eine große Schwester.

    … und all die skurrilen Erwachsenen, die ihnen auf dem Weg dorthin begegnen.

    Durch die Handlung zieht sich wie ein roter Faden, dass die Großen meist gar nicht so groß sind, wie sie immer tun. Erwachsene meckern, wollen Kinder über den Tisch ziehen und glauben, alles besser zu wissen. Ihnen ist zunächst nicht zu trauen. Dabei wirken sie aber nie bedrohlich, sondern sie degradieren sich mit ihrem überheblichen Verhalten gegenüber Kindern selbst zu Witzfiguren. Dabei zuzusehen macht allein schon Spaß, aber die Geschichte ist vor allem deshalb so stark, weil sie Kinder ernst nimmt und das eigentlich unausgeglichene Verhältnis zwischen großen und kleinen Leuten wieder auf Augenhöhe gebracht wird.

    Das transportiert auch die Moral des Film: „Kannawoniwasein!“ ist ein Roadmovie, in dem zur Abwechslung mal nicht die Reisenden zu einer Erkenntnis kommen müssen, sondern vielmehr all jene, denen sie begegnen – sprich die Erwachsenen. Da verzeiht man dann auch gern den Schluss, bei dem sich Kinder und Eltern am Meer in die Arme fallen, was dann doch ein wenig abgedroschen an Til Schweigers „Knockin‘ On Heaven‘s Door“ und „Die Rettung der uns bekannten Welt“ erinnert. Aber Schwamm drüber – dafür hat uns „Kannawoniwasein!“ mit seinem Schaulaufen skurriler Charaktere zuvor viel zu viel Spaß gemacht, als dass wir nicht doch rundum glücklich und irgendwie auch abenteuerhungrig aus dem Kino kommen würden.

    Fazit: Endlich mal wieder ein richtig cooler Kinderfilm, der mit genau der richtigen Mischung aus sympathischem Charme und augenzwinkernder Anarchie glänzt. Gerade weil Erwachsene aufs Korn und Kinder ernst genommen werden, ergibt sich daraus eine hinreißende Story, die auch noch mit unverbrauchten Gesichtern glänzt.

     

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