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    Night Swim
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Night Swim

    Ein Pool der Langeweile

    Von Stefan Geisler

    Dass Produktionsfirmen im Bereich der Horror-Kurzfilme nach frischen Ideen suchen, hat inzwischen schon Tradition – und das kann ja auch gut ausgehen: So setzten die Shorts „Lights Out“ und „Mamá“ zwar nur auf ein einzelnes schauriges Gimmick – und trotzdem sind bei den Langfilm-Versionen am Ende zwei effektive Kino-Schocker dabei herausgekommen. Aber im Fall des bereits 2014 veröffentlichten Kurzfilms „Night Swim“ war die Aufgabe zugegebenermaßen besonders schwierig: Immerhin zeigt der vierminütige Short lediglich eine junge Frau, die nachts ein Bad im Pool nimmt und beim Abtauchen einen Mann auf den Beckenrand zukommen sieht, der aber verschwunden ist, sobald sie wieder auftaucht.

    Aber hey – so eine vage Vorlage kann natürlich auch eine Menge Freiheit bedeuten. Und die Idee, die Vorstellung des Pools als Wohlstands-Wohlfühl-Oase mal so richtig in ihren Grundfesten zu erschüttern, könnte ja auch mächtig Laune machen. Aber Bryce McGuire scheitert daran, dieses kleine Stück wässriger Glückseligkeit in einen Ort des Schreckens zu verwandeln. Statt seinem Publikum die Vorfreude auf den nächsten Sommer mal so richtig madig zu machen, plätschert „Night Swim“ über weite Strecken einfach nur dröge vor sich hin – und das liegt längst nicht nur an der Vorgabe des Studios, einen jugendfreien Schocker ohne allzu viel Blut und Gewalt zu inszenieren.

    Universal Pictures Germany
    Das Haus mit Pool soll der krankheitsgebeutelten Familie neues Glück verschaffen.

    Ray Waller (Wyatt Russell) war mal wer. Seine Karriere als Baseball-Profi ist wegen einer Multiple-Sklerose-Erkrankung vorzeitig zu Ende gegangen. Selbst das Gehen fällt ihm inzwischen schwer und leider scheint auch keine der gängigen Therapien bei ihm anzuschlagen. Wüsste er nicht seine Frau Eve (Kerry Condon) und seine Kinder Izzy (Amélie Hoeferle) und Elliot (Gavin Warren) an seiner Seite – das Leben wäre wohl noch aussichtsloser, als es ohnehin schon scheint. Und vielleicht hilft ja auch ein Tapetenwechsel aus der Großstadt in den Vorort.

    Um wieder auf die Beine zu kommen, soll Ray regelmäßig Sport treiben. Da scheint das Haus mit eigenem Pool wie ein echter Glücksgriff. Und tatsächlich: Bereits nach einigen Schwimmstunden fühlt sich der Ex-Baseballprofi wie ein neuer Mensch – nicht nur sind seine Schmerzen wie weggeblasen, er fühlt sich gar kräftiger als je zuvor. Selbst sein behandelnder Arzt findet keine Erklärung für diese Spontan-Heilung. Doch gleichzeitig bemerken die Kinder vermehrt seltsame Vorkommnisse, die offenbar allesamt mit dem Swimmingpool in Verbindung stehen…

    In Horrorfilmen kann jeder morden! Warum also nicht auch ein Pool?

    Ein Pool, der Leib und Leben einer amerikanischen Vorzeige-Familie bedroht. Klingt bescheuert? Wenn aber ein Genre mit derartigen Schnapseinfällen umzugehen vermag, dann der Horrorfilm. Hier können selbst Faultiere („Slotherhouse“), Jeanshosen („Slaxx“) oder Autoreifen („Rubber“) zu mordlüsternen Killermaschinen mutieren. Die meisten dieser Filme nehmen sich selbst allerdings nur bedingt ernst. Metaspäße, übertriebene Kills und jede Menge Blut können selbst die dümmste Horrorfilm-Idee zu einem kurzweiligen und teilweise auch äußerst cleveren Vergnügen werden lassen. Bei „Night Swim“ liegt die Sache jedoch anders – denn der Film nimmt seinen Horror-Pool (und alles drumherum) bierernst!

    Würde er dann wenigstens ordentlich in die vollen Gehen und den Pool randvoll mit Blut füllen. Doch „Night Swim“ ist ein handzahmer Einsteiger-Grusler nach Schema F. Keine Kills, leicht verdauliche Jump-Scares und seichter Horror. Einen größeren Schrecken als eine aufgequollene Wasserleiche, die schaurig-verschwommen im Pool auftaucht, braucht hier niemand erwarten. In den USA wurde der Film ganz bewusst für ein jüngeres Teen-Publikum mit einer PG-13-Freigabe produziert. Warum er hierzulande trotzdem eine Altersbeschränkung ab 16 Jahren bekommen hat, bleibt uns ein Rätsel – und hat zur Folge, dass das eigentliche Zielpublikum den Film hierzulande gar nicht im Kino schauen darf.

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    Nein, mit diesem Pool scheint tatsächlich etwas ganz und gar nicht zu stimmen.

    Auch aus der Idee eines beseelten Wassers, das im Gegenzug für Menschenopfer Wünsche erfüllt, will nicht richtig zünden. Erst viel zu spät zeigen sich die Auswirkungen auf die Figuren. Die giftige Flüssigkeit, die nach und nach den Verstand des Familienvaters benebelt, lässt dabei Erinnerungen an „Amityville Horror“ aufkommen – doch bevor es wirklich spannend wird, ist diese Episode nach einer kurzen Eskalationsphase auch schon wieder vorbei. Dabei hätte die Transformation des liebenden Familienvaters zum selbstsüchtigen Monster, das für seine Heilung und Karriere sogar bereit ist, eines seiner Kinder zu opfern, einiges an fiesem Potential gehabt.

    Speziell die Szene, in der beinahe beiläufig gezeigt wird, dass Ray eine mit Privataufnahmen bespielte Videokassette überspielt hat, um stattdessen ein Trainingsvideo von sich aufzuzeichnen, gehört zu den stärksten Momenten des Films. Zumal „Night Swim“ mit Wyatt Russell und noch mehr der für „The Banshees Of Inisherin“ frisch oscarnominierten Kerry Condon erstaunlich hochkarätig besetzt ist. Doch leider geht „Night Swim“ diesen Weg nicht zum konsequenten Ende – und statt eines erinnerungswürdig-bösen Schlussakts bekommen wir eine moralisch-langweilige Auflösung.

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    Das Grauen lauert unter der Oberfläche.

    Ein paar wenige interessante inszenatorische Ideen finden sich trotzdem. Neben einer netten „ES“-Hommage und einer tatsächlich ganz stimmungsvollen „Marco Polo“-Sequenz, in der Tochter Izzy blind durch das Wasser stolpert, während eine schaurige Figur mit ihr ein fieses Spiel treibt, ist gerade das Pool-Jenseits eines der wenigen halbwegs spannenden Bilder: Im scheinbar grenzenlos Nichts fristen hier die Opfer des mörderischen Wassers ihr trauriges Dasein und warten nur darauf, Neuankömmlinge zu sich in die mörderische Tiefe zu ziehen. Doch das reicht längst nicht aus, um ein echtes Gefühl des Unheils zu erzeugen. Zumal der Film mit seinen ständigen Dialogen um böses Wasser stellenweise auch eine unfreiwillig komische Note erhält.

    Fazit: Nach „Night Swim“ bekommt man richtig Bock darauf, sich direkt mit einem gut gekühlten Getränk an den nächsten Pool zu legen. Als Horrorfilm hat er damit allerdings auf ganzer Linie versagt.

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