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    Mission: Impossible II
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Mission: Impossible II
    Von Johannes Pietsch

    Brian de Palmas Mission: Impossible von 1996 stellt nicht unbedingt künstlerisch, in jedem Falle aber filmhistorisch einen Meilenstein dar. Die Geschichte des Geheimagenten Ethan Hunt, der sich - durch Intrigen eines Verräters in Ungnade gefallen und aller seiner Kollegen beraubt - gegen seine einstigen Auftraggeber von der CIA und diverse weitere Schurken behaupten muss, markierte nicht nur den Schritt seines Hauptdarstellers Tom Cruise zum Superstar-Status, sondern auch den letzten erfolgreichen Auftritt für Regisseur Brian de Palma, der zuvor mit Arbeiten wie „Dressed To kill“, „Body Double“ und Die Unbestechlichen ein Markenzeichen des Thriller-Entertainments verkörpert hatte und zum letzten Mal einem großen, kommerziell erfolgreichen Streifen seinen künstlerischen Stempel aufzudrücken vermochte. Cruise’ Karriere trat Mitte der 90er Jahre auf der Stelle, und so ließ der Schauspieler und Produzent Cruise dem Hitchcock-Meisterschülers de Palma weitestgehend freie Hand. Dessen genialer Einsatz der Kamera sowie seine ironische Verwendung von Versatzstücken und Zitaten aus der alten Fernsehserie „Kobra, übernehmen Sie!“ und diversen Thriller-Klassikern machten „Mission: Impossible“ zum Box-Office-Erfolg erster Güte und verliehen der ein wenig ziellos dahindümpelnden Karriere seines Hauptdarstellers genau den entscheidenden Impuls, um ihn in den bis heute aktuellen Megastar-Status zu erheben.

    Ähnlich gewichtige, Weichen stellende Bedeutung kommt auch der Fortsetzung zu, die anno 2000 die Leinwände erreichte. Wenngleich auch auf gänzlich andere Weise: „Mission: Impossible 2“ markiert den vollständigen künstlerischen Absturz des Regisseurs John Woo, des Mannes also, der über ein Jahrzehnt lang als Titan des Hongkong-Kinos gefeiert wurde, als Gottvater des Heroic Bloodsheds, als fernöstlicher Sam Peckinpah (Getaway, The Wild Bunch) und als mystisch verklärtes Vorbild aller jüngeren Action-Regisseure. John Woo fällt die tragische Rolle zu, wie kaum ein anderer das westliche Action-Kino des neuen Jahrtausends beeinflusst zu haben, um selbst jedoch vollständig darin unterzugehen. Der Zeitpunkt dieses Verschwindens heißt „Mission: Impossible 2“.

    Seine filmhistorischen Meilensteine hat John Woo gemeinsam mit Kollegen wie Johnnie To, Ringo Lam und Tsui Hark in den 80er Jahren in Hongkong gesetzt. Anfang der 70er Jahre hatten die von Bruce Lee und den Shaolin-Filmen inspirierten Helden des fernöstlichen Action-Kinos mit meterhohen Sprüngen und ästhetischster Luftakrobatik das Fliegen gelernt. In den 80ern verschmolzen dann die Märchen und Mythen des Kung-Fu-Kinos mit den bewährten Mustern des Kriminalfilms. 1986 entstand der Streifen, der die Legende des Heroic Bloodsheds begründen sollte: In A Better Tomorrow schossen die Helden beidhändig und drei mal schneller als jede Newton’sche Mechanik dies jemals zugelassen hätte. Der Regisseur des Films hieß John Woo. 1989 folgte The Killer, jene grandiose, tränen- und blutgetränkte Männerfreundschaft zwischen einem Polizisten und einem Profikiller, und mit dem Irrsinns-Showdown in „Hard Boiled“ ließ Woo 1992 sogar das legendäre Blutbad aus Sam Peckinpahs The Wild Bunch wie einen Kindergeburtstag ausschauen.

    Fraglos hätte Hongkong der Action-Vatikan des neuen Jahrtausends mit John Woo als Papst an der Spitze werden können, wäre die britische Kronkolonie nicht 1997 vertragsgemäß an die Volksrepublik China zurückgegeben worden. Die Folge: Woo, Lam und Hark gingen Mitte der 90er Jahre nach Amerika und versandeten dort nach nur wenigen Filmen im unbarmherzigen Malstrom des Hollywood’schen Mainstream-Betriebs. Zwar infizierte das Hongkong-Kino und speziell das seines größten Regisseurs John Woo nahezu alle späteren westlichen Action-Filme – deren Helden beherrschten auf einmal ebenfalls perfekt Karate, überwanden unverletzt meterhohe Höhendistanzen und schossen wie selbstverständlich beidhändig aus großkalibrigen, ihre Munition nie erschöpfenden Waffen – seine ursprünglichen Schöpfer und Protagonisten versanken jedoch samt und sonders im Nirvana der künstlerischen Bedeutungslosigkeit.

    Dabei hatte gerade John Woo 1997 in Hollywood mit dem substantiell tiefen Identitätsthriller Im Körper des Feindes noch einmal einen echten filmischen Glanzpunkt gesetzt, der an neue Höhenflüge des chinesischen Action-Titanen fernab der alten Heimat glauben ließ. 2000 dann jedoch war sein Weg zu Ende: Hauptdarsteller und Produzent Tom Cruise degradierte ihn nicht nur mit seiner reinen Auftragsarbeit „Mission: Impossible 2“, er exekutierte ihn förmlich. Die Fortsetzung des de-Palma-Erfolgs von 1996 ist ein reines Tom-Cruise-Vehikel, permanent und penetrant fokussiert auf die stets akkurat gescheitelte, füllig frisierte und adrett glänzende Frisur seines Hauptdarsteller und trotz des Themas ansteckender, menschheitsbedrohender Krankheiten von der aseptischen Keimfreiheit eines Shampoo-Werbespots: Tom Cruise hängt einhändig frei über einem Felsenabgrund – die Frisur sitzt! Tom Cruise liefert sich eine gewaltige Schießerei mit Dutzenden von Schurken – die Frisur sitzt! Tom Cruise duelliert sich per fliegendem Motorrad mit einem Bösewicht und setzt dabei alle Gesetze der Schwerkraft außer Funktion – die Frisur sitzt!

    Ebenso rätselhaft wie die völlige künstlerische Amputation des Regisseurs bleibt das kurzzeitige Aufkreuzen eines so versierten Charakterdarstellers wie Anthony Hopkins sowie der völlig wirre, zusammenhanglose Plot von Chinatown-Autor Robert Towne. Unübersehbar sind die thematischen Ähnlichkeiten James Bond, als dessen Nachfolger man sich möglicherweise zur Jahrtausendwende zu empfehlen gedachte: Eine erste Kontaktaufnahme von Hunts Auftraggebern während einer brenzligen Situation (bei Bond waren das meistens Frauen, bei Tom Cruise ist es eine Felswand), ein Auftakt im Jet-Set-Milieu, ein ultrabrisanter Auftrag, eine menschheitsbedrohende biologische Waffe und ein Kartell von Schuften, in deren Hände eben diese Waffe unter gar keinen Umständen fallen darf, alles Versatzstücke aus besten Bond-contra-Blofeld-Zeiten im neuen Gewand des Hongkong-Kinos und mit der dauergrinsenden, vor maskulinem Sex-Appeal nur so strotzenden Fönfrisur Tom Cruise an Stelle von Sean Connery.

    Ethan Hunt wird auf den abtrünnig gewordenen Ex-Kollegen Sean Ambrose (Dougray Scott) angesetzt, um ihm den alles vernichtenden Krankheitserreger abzujagen, und rekrutiert dazu dessen Ex-Geliebte Nyah (Thandie Newton), eine talentierte Diebin. Mit der liegt er zunächst (angezogen!) in einer Badewanne, liefert sich anschließend ein rasant gefilmtes, im Kontext der Story aber geradezu abenteuerlich unsinniges Sportwagenduell auf einer abschüssigen Serpentinenstraße, um sich zu guter Letzt auch noch in die professionelle Kleptomanin zu verlieben. Fertig ist die melodramatische Menage a trois, die Robert Towne ganz offenkundig direkt bei Alfred Hitchcocks Berüchtigt nachschlug, wo Cary Grant die schöne Ingrid Bergman dem Schurken Claude Rains überlassen musste.

    Doch kaum ist die Diebin als Undercover-Agentin beim großen Gegenspieler platziert, hat es sich auch schon mit der Bond-ähnlichen Exposition. Stattdessen geraten Weltenretter Hunt und Bösewicht Ambrose für den Rest des Films wie zwei bullige amerikanische Rednecks aneinander. Statt filigranem, wenngleich auch reichlich verworrenen Agenten- und Intrigantenstadl wie im Vorgänger, setzt es bei John Woo einen Showdown nach dem anderen. De Palmas "Mission" hatte eine Handlung, die so kompliziert war, dass sie keiner kapierte. Bei der Geschichte von "Mission: Impossible 2" gibt es nichts zu kapieren, weil alles so simpel ist und sich ohnehin in Feuer, Rauch und Scherben auflöst. Um dieses Dauer-Krawall-Gewitter zu inszenieren, setzt Regie-Berserker Woo alle seine bekannten inszenatorischen Markenzeichen – extreme Zeitlupenaufnahmen, opernhafte Schießereien im Matrix-Stil, in deren Verlauf die schönsten Kulissen zu Bruch gehen, und weiße Tauben, die reichlich ziellos durchs Bild flattern – ein. All dies allerdings so inflationär, planlos und unmotiviert, dass es einem Kenner von „Hard Boiled“ und The Killer die Tränen des Entsetzens in die Augen treibt. Insbesondere die Idee der (völlig unmotivierten) Liebesbeziehung zwischen Hunt und Nyah durchkreuzt sämtliche Ansätze Woos, sein eigentliches Können auszuspielen, sahen seine Hongkong-Arbeiten doch oftmals danach aus, als wolle er allein den Tod bei der Arbeit filmen. Was Woo in Im Körper des Feindes noch großartig gelang, Motive und persönliche Handschrift seiner Hongkong-Werke in einen neuen Kontext zu integrieren, wird hier zur lächerlichen Selbstparodie.

    Doch noch viel ärgerlicher als der gesammelte John-Woo-Zitatenschatz sind die Reminiszenzen an den ersten „Mission: Impossible“. Natürlich kennen wir inzwischen den Trick mit den Brillen und den geheimen Nachrichten („Dieses Band zerstört sich in fünf Minuten selbst!“), den ganzen technischen Schnickschnack, für den vor allem Computerfachmann Luther Stickell (wie in Teil eins: Ving Rhames) verantwortlich zeichnet. Nur: Es gehört einfach nicht mehr hierher. Am allerschlimmsten wirkt der Einsatz der täuschend echten Latex-Masken, die im ersten Teil das alles entscheidende (und vor allem: absolut stimmige) Moment zur Enttarnung des Bösewichts darstellten. Hier wirken sie vor dem Hintergrund von John Woos Feuersbrünsten und Kugelhageln ungefähr so passend wie ein Senioren-Kaffeekränzchen mit anschließender Problemzonen-Gymnastik in einem Bruckheimer-Film.

    Der erste „Mission: Impossible“ war ein klassischer Spionage-Thriller um Ehre, Verrat in den eigenen Reihen und einem der besten Rififi-Einbrüche der Filmgeschichte, der seine Spannung aus der Action und der Story gleichermaßen schöpfte. „Mission: Impossible 2“ dagegen ist pures, dummes Kirmeskino: Affig und aufgeblasen, unlogisch und spannungslos, aufgeplustert und hohl wie eine After-Shave-Werbung, und so affektiert, großmäulig und selbstgefällig, wie sein zähnebleckend dauergrinsender und unendlich gut geföhnter Hauptdarsteller. Dass der Film kein einmaliger Ausrutscher seines Regisseurs sondern tatsächlich das Fanal seines künstlerischen Absturzes wurde, bewiesen seine folgenden Arbeiten: Windtalkers (2002) geriet zur lähmend einfältigen Weltkriegs-Ballerorgie, der Science-Fiction-Thriller Paycheck dann 2003 zum endgültigen Desaster.

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