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    28 Days Later
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    28 Days Later
    Von Carsten Baumgardt

    Die Karriere von Danny Boyle begann furios („Shallow Grave – Kleine Morde unter Freunden“), steigerte sich zum absoluten Kult („Trainspotting“), stagnierte („Lebe lieber ungewöhnlich“) dann, bevor der Brite trotz guter Ansätze mit seinem US-Debüt („The Beach") an der Kinokasse versandete. Mit dem auf Digital Video gedrehten Endzeit-Horrorthriller „28 Days Later“ zieht Boyle die Notbremse und versucht, mit dem Low-Budget-Film verloren gegangene künstlerische Seriosität zurückzugewinnen... Das gelingt auch größtenteils. Die Apokalypse mit Splattereinlagen bietet brillante Ideen.

    „Rage“: So heißt das Virus, das die Menschheit in einer nicht allzu fernen Zukunft an den Rand der Ausrottung treiben soll. Nachdem militante Tierschützer infizierte Affen aus einem Labor befreien, geht alles ganz schnell. Innerhalb von 28 Tagen ist aus London eine Geisterstadt geworden. Dementsprechend verwirrt ist der Fahrradkurier Jim (Cillian Murphy) als er nach einem Autounfall im Krankenhaus aus dem Koma erwacht. Die Metropole ist menschenleer. Er irrt umher, bis er auf die beiden Überlebenden Selena (Naomie Harris) und Mark (Noah Huntley) trifft. Sie erklären ihm, was passiert ist. Das Virus verwandelt die Menschen innerhalb von 20 Sekunden in blutspukende, Zombie-ähnliche Bestien. Ein Biss oder Blut in Körperöffnungen reichen, um sich zu infizieren. Durch eine Unachtsamkeit Jims wird Mark infiziert. Selena und Jim treffen dann auf den Taxifahrer Frank (Brendan Gleeson) und seine Tochter Hannah (Megan Burns). Über Radio hören sie einen Aufruf, der sie in die Nähe von Manchester führt. Dort soll sich eine Armee von Überlebenden formiert haben, die die Antwort auf das Virus besitzt. Immer wieder von Infizierten attackiert, machen sich die Vier auf den Weg, ohne zu wissen, dass der wahre Horror erst noch vor ihnen liegt...

    „28 Days Later“ ist nach „The Beach" die zweite Zusammenarbeit von Regisseur Danny Boyle und Bestsellerautor Alex Garland, der sowohl die Romanvorlage als auch das Drehbuch lieferte. Nach dem kommerziellen Flop mit seinem Big-Budget-Debüt „The Beach" besinnt sich Boyle auf alte Tugenden und geht seinen Endzeit-Schocker mit wenig Geld, aber frischen Ideen an. Die grobkörnige DV-Handkamera von Anthony Dod Mantle („Das Fest“) schafft in Zusammenhang mit John Murphys („Snatch", „Bube, Dame, König, Gras") düster-sakralem Score eine bedrohlich-finstere Atmosphäre. Verwaschene Farben und fehlende Tiefenschärfe üben tatsächlich eine gewisse Faszination aus. Bei den apokalyptischen Bildern des menschenleeren Londons in Dogma-Optik ist „28 Days Later“ am stärksten. Immer wieder durchbrochen von schnell geschnittenen Splatter-Attacken der infizierten Quasi-Zombis, überzeugt der Film zunächst ohne Abstriche. Zwar bietet die Story wenig Neues – und die Nähe zu George A. Romeros Kult-Reihe „Night Of The Living Dead“ oder Boris Sagals "Der Omega-Mann" sind nicht zu übersehen – aber die Atmosphäre entschädigt für alles. 

    Schauspielerisch kann die Riege der international weitgehend namenlosen Darsteller überzeugen. Zwar zündet die schwarz-weiße Love Story zwischen Naomie Harris und Cillian Murphy nicht hundertprozentig, aber ansonsten wirken die beiden Hauptdarsteller glaubhaft und wecken genug Sympathie, ihnen zu folgen. Auch der Rest des Casts agiert grundsolide. Brendan Gleeson („Gangs Of New York") darf als brummbäriger Taxifahrer Frank ein paar trockene Oneliner einstreuen, während Megan Burns als etwas altkluger Teenager zu gefallen weiß und Christopher Ecclestone („Shallow Grave", „Elisabeth") den durchgeknallten Major West mimt.

    Die Entscheidung, mit Digitalkamera zu drehen, hat nicht nur künstlerische, sondern vielmehr logistische Gründe. Um die faszinierenden Bilder der verlassenen Londoner Innenstadt zu erhalten, wollte Boyle an Originalschauplätzen drehen. Allerdings konnten die Drehorte teilweise nur für Minuten für die Öffentlichkeit gesperrt werden. Und so war nur ein Filmen mit der flexiblen DV-Kamera möglich. Manchmal hätte man sich schon die klassische 35-Millimeter-Variante gewünscht, aber im Endeffekt überzeugt Boyle mit dem Konzept.

    Obwohl „28 Days Later“ ab 18 Jahre freigegeben ist, ist der Splatter-Faktor durch die schnellen Schnittfolgen einigermaßen erträglich – trotzdem spritzt das Blut oft heftig aus den Körpern. Auch wenn dem Film zum Ende hin etwas die Luft ausgeht, überzeugt „28 Days Later“ als Mischung aus Endzeit-Horror, Zombie-Schocker und Gesellschaftskritik. Das Szenario, das Boyle und Garland geschaffen haben, ist spannend genug, um die Zuschauer bei Laune zu halten, bevor der nächste Angriff auf die Nerven beginnt. So ist Boyles Rückbesinnung geglückt.

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