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    Eine Affäre in Paris
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Eine Affäre in Paris
    Von Carsten Baumgardt

    Regisseur James Ivory und sein kongenialer Produktionspartner Ismail Merchant haben einen legendären Ruf als brillante Filmemacher für historische Stoffe (Was vom Tage übrig bleibt, „Wiedersehen in Howards End“, „Zimmer mit Aussicht“). Erst zwei Mal wagten sie sich an Gegenwartsthemen („Die Zeit der Jugend“, „Großstadtsklaven“). Zurecht, wie ihre romantische Tragikomödie „Eine Affäre in Paris“ eindrucksvoll beweist. Ivory und Merchant transportieren traditionelle Themen um die Ständegesellschaft in die heutige Zeit und lassen sie mit den Moral- und Gesellschaftsvorstellungen von Franzosen und Amerikanern aufeinander prallen. Dazu versammeln sie einen grandiosen All-Star-Cast und haben ihre Hausschreiberin Ruth Prawer Jhabvala an Bord. Was konnte da eigentlich schief gehen? In der Theorie: nichts. In der Praxis: sehr viel.

    Die Amerikanerin Isabel (Kate Hudson) kommt nach Paris, um ihrer schwangeren Schwester Roxy (Naomi Watts) moralischen Beistand zu leisten. Ihr französischer Ehemann Charles-Henri (Melvil Poupaud) will sie wegen einer anderen Frau (Rona Hartner) verlassen. Um sich die Zeit zu vertreiben, arbeitet Isabel für die Schriftstellerin Olivia Pace (Glenn Close) und hat zeitgleiche Affären mit dem jungen Yves (Romain Duris) und dem smarten Politiker Edgar (Thierry Lhermitte). Letztere Liaison kommt bei Roxys Schwiegermutter Suzanne (Leslie Caron) nicht gut an, denn Edgar ist nicht nur Suzannes Bruder, sondern auch verheiratet. Dazu entbrennt ein regelrechter Familienstreit um ein wertvolles Gemälde, dessen tatsächlicher Wert allerdings noch unklar ist.

    Zunächst liegt einmal die Vermutung nahe, dass die angegrauten Eminenzen James Ivory (Jahrgang 1928) und Ismail Merchant (Jahrgang 1928) den Kontakt zur aktuellen Gesellschaft verloren haben. Mag ihr Blick auf die Historie noch so brillant sein, wirkt die Geschichte, die sie in „Eine Affäre in Paris“ erzählen, nicht nur anachronistisch, was zu verschmerzen wäre, sondern schlichtweg irrelevant und schlimmer noch: gähnend langweilig. Gedacht als romantische Komödie findet der Film nie ein Zentrum. „Eine Affäre in Paris“, nach Diane Johnsons Roman „Le Divorce“, ist weder romantisch noch lustig. Die Tragik, die mal eben zwischendurch mit einem versuchten Suizid einer Schwangeren und dem Doppelmord aus Leidenschaft eingestreut wird, hat keine Tiefe, sondern dient als Untermalung des heiteren, leichten Grundtons und ist somit deplatziert.

    Der dramaturgische Spannungsaufbau bietet dem Zuschauer einfach zu wenig. Die Klischees, die Ivory über Franzosen und Amerikaner serviert, wirken wie aus einer anderen Zeit und sind in ihrer Ballung übertrieben. Sympathieträger weist der Film auch nur wenige auf. Wer bietet sich an? Die verlassene Schwangere (Naomi Watts), die versucht, sich umzubringen? Ihre Schwester (Kate Hudson), die zwei Affären gleichzeitig hat? Ihre snobistischen Eltern (Sam Waterston, Stockard Channing)? Ihr eingebildeter Bruder (Thomas Lennon)? Der untreue Ehemann (Melvil Poupaud), der seine schwangere Frau im Stich lässt und ihr auch noch Vorwürfe macht? Seine Eltern (Leslie Caron, Samuel Labarthe), die das letzte bisschen Geld aus ihrer künftigen Ex-Schwiegertochter rauspressen wollen? Der Altdandy (Thierry Lhermitte), der eine Affäre für ehrenwert hält? Oder vielleicht doch der Freund der neuen Affäre des Ehemannes (Matthew Modine), der zum Mörder wird? Allenfalls die Nebenfiguren (Romain Duris, Glenn Close, Stephen Fry, Jean-Marc Barr) können sich Sympathiewerte sichern.

    Die Mitglieder des sensationellen Casts versuchen zu retten, was zu retten ist. Doch das Drehbuch gibt dazu nicht viele Möglichkeiten, die satirischen Untertöne sind zu leise und zahm, um zu zünden. Statt spitzzüngiger moderner Boulevardkomödie bieten Ivory/Merchant gepflegte, angestaubte Langeweile, „Eine Affäre in Paris“ zieht sich zäh dem Ende entgegen - bei diesen Voraussetzungen und der Ansammlung von Talent eine Schande.

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