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    Mein bester Freund
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Mein bester Freund
    Von Andreas Staben

    Manch Fernsehzuschauer mag sich schon gefragt haben, was sich zwischen den Kandidaten und ihren Telefonjokern bei „Wer wird Millionär?“ vor und besonders nach den dreißigsekündigen Hilferufen im Scheinwerferlicht abspielt. Leise Vorwürfe könnten eine lebenslange Freundschaft belasten, oder ein entfernter Bekannter verhilft dem Ratenden zum Millionengewinn, was ihr Verhältnis sicher nicht unberührt lässt. Die französische Variante der wahrscheinlich beliebtesten Quizsendung weltweit rückt am Ende von Patrice Lecontes Komödie „Mein bester Freund“ in den Vordergrund: Wenn Jean-Pierre Foucault, der linksrheinische Günther Jauch, dem Taxifahrer die entscheidende Frage stellt und dieser den Galeristen anruft, dann ist diese Zuspitzung der passende Höhepunkt für einen Film, dessen Deutlichkeit immer wieder Banalität und Eintönigkeit streift. Die Show steht am Ende einer schier endlosen Kette von sehr unterschiedlich gelungenen Variationen, die allesamt um den Zusammenhang von Freundschaft und Geld kreisen.

    Francois (Daniel Auteuil) ist ein gewinnorientierter Antiquitätenhändler und geht ganz in seiner Arbeit auf. Als er bei einer Auktion aus einem Impuls heraus eine antike Vase ersteigert, die die legendäre Freundschaft von Achilles und Patroklus repräsentiert, mündet das in einer Herausforderung durch seine Teilhaberin Catherine (Julie Gayet). Sie behauptet, er habe keine Freunde. Die beiden Partner schließen eine ungewöhnliche Wette: Innerhalb von zehn Tagen will Francois Catherine seinen besten Freund vorstellen. Schnell zeigt sich, dass der geschiedene Mann mit dem übervollen Terminkalender tatsächlich nur Bekannte und Geschäftspartner aufweisen kann. Francois stellt sich sehr ungeschickt an, glaubt er doch, das Sprichwort lautet „Beim Geld fängt die Freundschaft an“. Kollegen weisen ihn zurück und Fremde zeigen Unverständnis. In seiner Not engagiert Francois den mit Allgemeinwissen vollgestopften Taxifahrer Bruno (Dany Boon, Merry Christmas), der seit seiner Kindheit von der Teilnahme an einer großen Quizshow träumt. Bruno knüpft schnell und einfach Kontakte und soll Francois zeigen, wie man sympathisch wirkt. Irgendwann geht das Verhältnis der beiden ungleichen Männer über das rein Geschäftliche hinaus, doch bevor sie wirkliche Freunde sein können, muss Francois einen weiteren großen Fehler machen, ehe er Bruno bei der Erfüllung seines Traums hilft.

    Patrice Leconte („Die Verlobung des Monsieur Hire“, „Ridicule“, „Intime Fremde“) hat schon 1998 als kaum Fünfzigjähriger eine Autobiographie veröffentlicht. Mit ihrem Titel „Je suis un imposteur“ beschreibt er sich selbst als Betrüger oder Hochstapler, schließlich sei der Erfolg nur Glück und das Kino ein Wunder. Dieser Gestus besitzt eine gute Prise Koketterie, schließlich hat der Regisseur nicht nur diverse Auszeichnungen erhalten, sondern mit der „Les Bronzés“-Trilogie auch gleich drei der erfolgreichsten Kassenschlager unseres Nachbarlandes gedreht – die satirischen Urlaubs-Klamotten sind in Deutschland, wo bisher nur die ersten beiden Teile unter den Titeln „Die Strandflitzer“ und „Sonne, Sex und Schneegestöber“ liefen, allerdings nicht auf ähnliche Begeisterung gestoßen.

    Der streitbare Leconte, der vor einigen Jahren auch eine erhitzte öffentliche Debatte über die französische Filmkritik und ihre Moral anzettelte, in der er sich zum ungerecht attackierten Opfer einer missgünstigen Zunft stilisierte, greift in seiner Lebensgeschichte auch die Falschheiten und Täuschungen im Filmgeschäft auf. Ähnlich wie sein Protagonist Francois, der selbst bei der Beerdigung eines Kollegen nur auftaucht, um sich einen guten Deal zu sichern, bewegt sich Leconte nach eigener Darstellung in einem Milieu, in dem für echte Freundschaft wenig Platz bleibt. Daniel Auteuil (Caché, Malen oder Lieben), der in „Mein bester Freund“ nach „Die Frau auf der Brücke“ und „Die Witwe von St. Pierre“ zum dritten Mal mit Leconte zusammenarbeitet, versteht es, diese Parallelen in seinem Porträt des zwanghaft geschäftstüchtigen Francois wirkungsvoll anzudeuten. Auch die Ausweitung der Beobachtungen zum auf die ganze Gesellschaft anwendbaren Befund wird durchaus vielversprechend angedeutet. Vom esoterischen Ratgeberbüchlein über den einsame Menschen anlockenden Rattenfänger, der Vorträge mit dem Titel „Freundschaft – Meine Methode“ hält, bis zur Notfall-Hotline „S.O.S Amitié“ gibt es Ansätze zu einer Satire auf eine immer gefühlskälter werdende Welt, in der mit den Sorgen und Nöten der Menschen die besten Geschäfte gemacht und Schwächen gnadenlos ausgenutzt werden.

    Erweisen sich Lecontes dick aufgetragene Spitzen für die Darstellung Francois' und seiner Umgebung noch als mehr oder weniger nachvollziehbar und unterhaltsam, häufen sich in den Szenen mit Bruno und seiner Familie die Misstöne. Für die Schilderung ihrer sozialen Schicht fehlt Leconte das Interesse oder das Einfühlungsvermögen. Der Besuch eines Fußballspiels, gekrönt von einer Konfrontation mit gegnerischen Fans in der U-Bahn, denen man noch ein triumphierendes „Wichser“ zuruft, bevor man die Beine in die Hand nimmt, muss hier als Inbegriff von Spaß herhalten. Und so bleibt auch das in die Jahreszeit passende märchenhafte Element des Films im Ansatz stecken, denn der alles mit Geld regelnde Francois, der sich einmal sogar fragen lassen muss, ob er ein Herz habe, gibt zwar eine interessante moderne Scrooge-Variante ab, aber seine Wandlung bleibt ohne Überzeugungskraft, da Leconte die versöhnlichen und sentimentalen Wendungen selbst nicht zu glauben scheint. Es muss schon ein berühmtes Zitat aus „Der kleine Prinz“ herhalten, damit wir überhaupt ahnen können, was Freundschaft wirklich bedeuten mag.

    Patrice Leconte dreht alle seine Filme in Cinemascope. Ob er mit der Wahl des breiten Formats eine ästhetische Absicht verfolgt oder ob er nur meint, der große Rahmen gehöre zum hochstaplerischen Kinofilm einfach dazu – diese Frage lässt sich anhand von „Mein bester Freund“ nicht beantworten. Vieles von dem erzählerischen Potenzial seiner Geschichte bleibt jedenfalls genauso wie die große Leinwand ungenutzt. Auteuil, Freundschaft und Cinemascope, wie der Zufall es will, können wir diese Kombination im Dezember gleich noch einmal erleben. Jean Becker zeigt uns in Dialog mit meinem Gärtner wie sie besser gelingt.

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