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    Zurück in die Zukunft
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Zurück in die Zukunft
    Von Stefan Ludwig

    Die Anzahl der Spielfilmtrilogien ist in jüngster Zeit deutlich gewachsen. Allen voran steht „Herr der Ringe“. Für viele als Enttäuschung gehandelt wird die neue „Star Wars“-Reihe, die beiden „Matrix“-Nachfolger überzeugten nicht hinsichtlich der enormen Erwartungen. Jacksons Fantasy-Epos ist somit das einzige, das sich in den Favoriten-Listen wirklich zu den großen Namen „Der Pate“, „Indiana Jones“ und den ersten „Star Wars“-Werken hinzugesellen wird. Ein Name fehlt noch auf der Liste: Die abenteuerlichen Zeitreisen von Marty und Doc Brown aus „Zurück in die Zukunft“. Was Robert Zemeckis und Bob Gale hier 1985 zusammen erarbeiteten, schaffte es auf Platz acht der erfolgreichsten Universal-Filme. Er spielte in den USA 210 Millionen Dollar ein (weltweit 348 Mio Dollar; Besucher in Deutschland: 5,00 Mio), bei einem Budget von 19 Millionen Dollar. Produzent Steven Spielberg hatte wieder mal den richtigen Riecher gehabt – er war lange Zeit der einzige, der an das Drehbuch glaubte.

    Zunächst einmal erhielten die gemeinsamen Autoren Zemeckis und Gale des ursprünglich für Columbia erarbeiteten Buches über 40 Absagen sämtlicher Studios. Den meisten erschien es zu nett, zu wenig rau und zensurverdächtig, wie es damals gewollt war. Disney allerdings war die Geschichte zu sexistisch, da sich – in der Vergangenheit - Martys Mutter in ihren eigenen Sohn verliebt. Später bekamen Zemeckis und Gale dann den Oscar für das beste Original-Drehbuch - Hollywood von seiner besten Seite. Bei den Zeitreisen schauten sich die beiden Kreativköpfe das Prinzip von H. G. Wells „The Time Machine“ ab: Es wird in der Zeit gereist, aber nicht im Raum.

    Doctor Emmett Brown (Christopher Lloyd) hat endlich das Prinzip des Flux-Kompensators verstanden und das Zeitreisen erfunden. Aus einem DeLorean baut er seine Maschine und zu ersten Tests holt er sich den Jungen Marty (Micheal J. Fox) hinzu. Um durch die Zeit zu reisen, benötigt er enorme Energien, weshalb er Plutonium als Brennstoff verwenden muss. Das hat er sich allerdings von zwielichtigen Libyern mehr oder weniger gestohlen, die ausgerechnet bei den ersten Tests in ihrem VW-Bulli auftauchen und ausführlich von ihrem Maschinengewehr Gebrauch machen. Marty gelingt es, in den DeLorean zu steigen und sich halb freiwillig per Zeitreise aus dem Staub zu machen. Er landet in der Vergangenheit im Jahre 1955, wo er zufälligerweise auf seine Eltern trifft, die noch zur High School gehen. Er verhindert ein für ihre Heirat wesentliches Ereignis, das seine eigene Existenz zu bedrohen beginnt. Gemeinsam mit Doc Brown will er das rückgängig machen und anschließend wieder in seine Gegenwart, das Jahr 1985, zurückreisen.

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    Das Drehbuch baut in bemerkenswerter Weise aufeinander auf und verknüpft jede Szene mit anderen, so das jedes Detail wichtig erscheint. Zu Beginn bekommt Marty ein Flugblatt mit der Aufschrift „Save the Clock Tower“ in die Hand gedrückt. Die Uhr ist seit einem Blitzeinschlag vor dreißig Jahren defekt. Was in dieser Szene noch vom Zuschauer als unwichtig abgestempelt wird, erlangt später wesentliche Bedeutung. Mit derartigen Verknüpfungen ist die Abenteuer-Komödie „Zurück in die Zukunft“ geschickt angereichert, weshalb sich dem Zuschauer viele Raffinessen des Buches erst beim mehrmaligen Ansehen erschließen. Entstanden sind diese durch die Arbeitsweise von Zemeckis und Gale: Sie schrieben das Drehbuch komplett gemeinsam und fingen dabei nach eigenen Aussagen mit der Szene an, in der Marty mittels „Johnny B. Goode“ den Rock’ n Roll erfindet. Aufgrund dieser Szene musste Marty auch in der Gegenwart Gitarre spielen können, was daher am Anfang gezeigt wurde. So entwickelten die beiden nach und nach ihr Drehbuch. Als Zeitmaschine sollte in einer der ganz frühen Fassungen ein Kühlschrank dienen, doch sie wollten die Zeitmaschine mobil machen und wählten schließlich den DeLorean wegen seiner Flügeltüren, um die Szene glaubhaft zu machen, in denen die Zeitmaschine für ein Raumschiff gehalten wird.

    Als Marty in der Vergangenheit in eine Scheune brettert und die Bewohner des Hofes aus dem Haus strömen, um der Ursache des Lärms und Staubs auf den Grund zu gehen, wird Marty wegen seines Schutzanzuges für ein Alien gehalten. Der kleine Bauernjunge zeigt dem Vater ein Comic mit dem Namen „Space Zombies from Pluto“, dessen Titelbild der Szenerie erschreckend nahe kommt. Diesen Namen wollte Universal-Chef Sid Sheinberg tatsächlich für den Film verwenden, weil er meinte, mit einem Film dessen Titel „Zukunft“ beinhaltet, sei kein Geld zu verdienen. Steven Spielberg schrieb ihm, um schlimmeres zu verhindern: „Lieber Sid, vielen, vielen Dank für dein wirklich witziges Memo. Wir haben alle sehr gelacht.“

    Die Faszination von „Zurück in die Zukunft“ zieht sich neben der Zeitreiseidee und dem überragenden Drehbuch aus der Schauspielerwahl. Christopher Lloyd überragt mit seinem Spiel des Doc Brown alle anderen. Er orientierte sich an einer Mischung aus Albert Einstein und dem Dirigenten Leopold Stokowski und haucht so seiner Figur mit wilden, überdeutlichen Gesten ein verrücktes, aber glaubhaftes Leben ein. Seine Mimik ist das ideale ständige Wechselspiel seiner Gefühle und ebenfalls übertrieben deutlich. Crispin Glover spielt den Vater von Marty und zeigt sich gleichfalls abgedreht, wenn auch in anderen Disziplinen. Kleidung, Körperhaltung und Mimik stellen den bemitleidenswerten, absoluten Außenseiter dar, der einfach gar nicht zu seinen Mitschülern passen will. Die Darsteller spielten alle sowohl ihre älteren wie ihre jüngeren Versionen, die Mutation des Alters scheint aber bei Glover allein die Maske erledigt haben, er ist charakterlich derselbe geblieben. Lea Thompson spielt die Mutter von Marty und bildet eine sehenswerte Symbiose von äußerlicher Unschuldigkeit und innerlichen Lastern und Schamlosigkeit.

    Hauptdarsteller Michael J. Fox konnte nur unter schweren Problemen für das Projekt gewonnen werden. Zwar war er die erste Wahl, doch sein Engagement bei der TV-Serie „Family Ties“ schien sein Mitwirken unmöglich zu machen. Deshalb wurde zunächst Eric Stoltz ausgewählt, mit dem Robert Zemeckis jedoch nicht zufrieden war. Offensichtlich war er nicht fähig, den beabsichtigten Humor zu spielen oder zu erkennen. Deshalb wurde erneut beim Produzent von „Family Ties“ angefragt und schließlich ausgehandelt, dass der begeisterte Micheal J. Fox zur Verfügung stand, die TV-Serie jedoch immer an erster Stelle stehen müsse. In den folgenden zwölf Wochen Drehzeit kämpfte Fox dann mit akutem Schlafmangel, da er gleichzeitig tagsüber drehte, um dann danach zwischen 18:00 und 6:00 Uhr morgens am Set von „Zurück in die Zukunft“ zu arbeiten. Außerdem musste am Wochenende unter Zeitdruck gedreht werden, um die Aufnahmen bei Tageslicht fertig stellen zu können. Hauptdrehort war übrigens aus finanziellen Gründen der Hinterhof von Universal, in dem die beiden Versionen von „Hill Valley“ errichtet wurden.

    Diese Quälereien haben sich für Micheal J. Fox und den Film bezahlt gemacht, erscheint er doch als Idealbesetzung und spielt Marty in seiner spontanen, improvisierten Handlungsweise absolut überzeugend und gleichermaßen amüsant, jedoch nie lächerlich. Zum großen Sprungbrett in eine folgende Karriere konnte der Jungdarsteller das Zugpferd „Zurück in die Zukunft“ allerdings leider nicht nutzen. Der größte Star der am Film Beteiligten ist definitiv Regisseur und Co-Drehbuchautor Robert Zemeckis: Er ist einer der erfolgreichsten Regisseure aller Zeiten, sieben seiner Filme spielten in den USA mehr als 100 Millionen Dollar ein. Neben der „Zurück in die Zukunft“-Trilogie zeichnet er sich z.B. verantwortlich für „Forrest Gump“, für den er 1995 den Regie-Oscar erhielt, „Cast Away - Verschollen“, „Contact“ und jüngst „Der Polarexpress“.

    Steven Spielberg trat als Produzent stark in den Hintergrund und machte sich vor allem über den für ihn mit entscheidenden Score Gedanken. Für den genialen Soundtrack zeichnen sich Alan Silvestri und Huey Lewis verantwortlich. Silvestri schrieb den gewaltigen, orchestralen Score, der sich mit John Williams Stücken für „Star Wars“ problemlos messen kann und Lewis nach Vorführung einiger Szenen die beiden hervorragenden Stücke „Power Of Love“ und „Back In Time“. Die Spezialeffekte von der noch in den Anfangen steckenden Firma „Industrial Light and Magic“ werden im Film übrigens nur in dreißig Einstellungen verwandt, auch wenn der Eindruck anderes vermuten lässt. Vermuten lässt auch das Ende, dass die Fortsetzung von Anfang an geplant war, dem war allerdings nicht so – sonst hätten Zemeckis und Gale Martys Freundin nicht in die Zeitmaschine einsteigen lassen.

    „Zurück in die Zukunft“ ist die Idealform des Unterhaltungsfilm. Er bietet die richtige Mischung aus Witz, Irrsinn, Aussage und Spannung. Auch wenn er die klassischen Merkmale eines Mainstream-Produktes beinhaltet, hinzu kommen die mittlerweile sehr kultverdächtigen Zusätze. Der DeLorean, das Verhalten des durchgeknallten Doc Brown, „Calvin Klein“, der fantastisch abgestimmte Soundtrack und der Rathausplatz in Hill Valley in den verschiedenen Jahrgängen üben eine Faszination aus, die von mancher heutigen Produktion nicht annähernd erreicht wird. Die Idee, ein Kind seine Eltern erleben zu lassen, wie sie zur Schule gehen, ist schlichtweg genial.

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