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    Flammendes Inferno
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Flammendes Inferno
    Von René Malgo

    In den 70er Jahren schossen Katastrophenfilme wie Pilze aus dem Boden, ähnlich den Comicverfilmungen dieser Tage. „Flammendes Inferno“ gehört zu den prominentesten, erfolgreichsten und auch besten Vertretern dieser Welle.

    In San Francisco wird der höchste Wolkenkratzer der Welt mit einer großen Feier im 135. Stockwerk eingeweiht. Die Prominenz der gesamten Stadt ist versammelt, als ein Feuer ausbricht. Bald geraten die Flammen außer Kontrolle und die Gesellschaft steckt fest. Nun setzen der Architekt des Gebäudes, Doug Roberts (Paul Newman), und der Chef der Feuerwehr, Michael O’Hallorhan (Steve McQueen) alles daran, die eingeschlossenen Menschen zu retten…

    Bigger, better, Movie King lautete die Devise schon in den 70er Jahren. Es war eine Zeit als die Blockbuster erfunden und mit „Der weiße Hai“ Maßstäbe gesetzt wurden. Einer prognostizierten Kinoflaute wollten große Studios reißerische Filme entgegen setzen, die es vermögen, ein geneigtes Publikum von heimischen Fernsehapparate weg in die Lichtspielhäuser zu locken. „Flammendes Inferno“ ist so ein Film und reiht sich nahtlos in die Riege der Katastrophen- und Blockbusterfilme ein, die damals zumindest bei den großen Studios so beliebt waren.

    Acht Oscarnominationen, drei eingestrichene Preise und ein imposanter kommerzieller Erfolg attestieren dem Actionthriller einen herausragenden Status oberhalb der sonstigen Katastrophen-Actioner. Das ist eine beachtliche Leistung, gerade bei einer Konkurrenz von Über-Filmen wie Der Pate II und Chinatown aus dem selben Jahr. „Flammendes Inferno“ darf sich wirklich als einer der besseren Katastrophenfilme schimpfen lassen. Die erste Zusammenarbeit zweier großer Studios, nämlich der Warner Bros. und 20th Century Fox erweist sich auch heute noch als außergewöhnlich spannender und gut funktionierender Katastrophen-Thriller.

    „Flammendes Inferno“ funktioniert nach dem Schema F für Katastrophenfilme: Eine 08/15-Handlung wird durch mehr oder weniger schicksalhaftes Vorgeplänkel eingeleitet, die Katastrophe tritt ein, begleitet von großen Effekten, ein jeder offenbart sein wahres Gesicht, die Katastrophe fegt zwischenmenschliche und andere Probleme weg und hat am Ende fast so etwas wie eine reinigende Wirkung. In der Handlung bewegen sich allerlei Stereotypen, deren Schicksale oft leicht vorherzusagen sind. Doch „Flammendes Inferno“ bricht einige dieser Punkte auf. Da wäre z. B. die Geschichte. Sie wird leider stets aktuell bleiben - Größenwahn und Sparzwang machen aus einem hochmodernen Wolkenkratzer eine Feuerhölle - ähnliches gibt es zu oft auch in der Realität. Deshalb wirkt „Flammendes Inferno“ gar nicht mal so abwegig. Die starbesetzten Charaktere sind tatsächlich ein wenig eindimensional, aber ihre Schicksale nicht ganz so vorhersehbar, wie der Betrachter meinen möchte. Da geht dann plötzlich mal ein Star in Flammen auf und findet nicht nur der obligatorische, unsympathische Ego-Feigling sein Ende.

    Stars und Schauwerte heben das Werk über den Katastrophenfilm-Querschnitt seiner Zeit. Fred J. Koenenkamp bekam den Oscar für die Kameraführung und verwies dabei einige prominente Konkurrenten auf Platz zwei. Schon die Eröffnungsaufnahme nach Vorspann kann sich sehen lassen. Aus dem Nebel heraus gleitet die Kamera zur Panoramasicht auf San Fransisco und führt zum Wolkenkratzer des Geschehens. Das hohe Niveau und die Qualität der Kameraarbeit bleibt über die gesamte, stolz bemessene und etwas zu lang geratene Laufzeit ungebrochen. Exzellente Matte Paintings und eine oscarnominierte Ausstattung tragen zum prächtigen Look bei. Bevor die ersten Flammen durch das Hochhaus züngeln, schauen wir den Stars beim persönlichen Geplänkel zu. Die Klischeehaftigkeit macht das Ganze nur mäßig spannend, gute Dialoge und Darsteller reißen aber einiges raus. Als es dann endlich losgeht, schöpft der Film aus dem Vollen und nutzt die Gegebenheiten eines Hochhauses vorzüglich für jedes erdenkbare Desaster. Das Feuer breitet sich rasch aus und in beeindruckenden Bildern wird die Katastrophe, ein Stirb langsam ohne Terroristen, aber mit viel Feuer festgehalten. Die erstklassigen Effekte erfüllen auch heute noch Eyecatcher-Qualifikationen und dank einiger böser Überraschungen unterhält der Film enorm spannend.

    An dieser Stelle könnten nun die Stars separat aufgelistet werden, doch außer Fred Astaire in einer dankbaren Rolle verdient sich keiner wirklich eine gesonderte Erwähnung. Im Falle dieses effektvollen Actionreißers reicht ihre bloße Präsenz, um den Zuschauer mitfiebern und sich am spannenden Szenario ergötzen zu lassen. Prompt bekam denn auch Astaire, der die einzig wirklich vielschichtige Figur mimen darf, eine Oscarnominierung für die beste Nebenrolle, das ist zwar ein wenig übertrieben, sagt aber genug über den Schwerpunkt des Films aus. Dieser liegt trotz einer achtbaren Starriege nur bei den feurigen Schauwerten, die auch restlos überzeugen mögen.

    Am Ende darf Steve McQueen noch etwas Prophetisches über zukünftige Wolkenkratzer-Katastrophen-Opferzahlen sagen, was einen bitteren Nachgeschmack zumindest im Hinblick auf den 11. September 2001 erhält. Seine Starpower und die eines Paul Newman allein rechtfertigen schon einen Blick auf den Film, auch für solche, die mit dem Katastrophen-Subgenre nicht viel anfangen können. Immerhin, trotz Klischeepflege, werden einige interessante Einsichten in die amerikanische Feuerwehrarbeit geboten. Der Film setzt ihnen ein würdiges und verdientes, filmisches Heldendenkmal. Ursprünglich sollte McQueen den von Newman dargestellten High-Society-Architekten Doug Roberts spielen. Doch er bevorzugte den Part des lebensnahen Feuerwehrhelden. Ganz so lebensnah gab er sich in Wahrheit dann aber doch nicht, sondern zog es vor, lieber die Kriterien einer Hollywooddiva zu erfüllen. So bestand McQueen darauf, auf die Dialogzeile genau so viel Text wie Newman zu haben und ließ gleich wie Faye Dunaway keine Interviewer oder sonstige „Störungen“ während der Dreharbeiten an sich ran. Möglich, dass er - trotz eines charismatischen Astaire mitsamt vorteilhafter Rolle - gerade deswegen eine der besten Leistungen des Films zeigt.

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