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    Bubba Ho-Tep
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Bubba Ho-Tep
    Von Andreas R. Becker

    Elvis ist gar nicht tot. Spätestens seit „Men In Black“ wissen das eigentlich alle. In Wahrheit ist er aber nicht nach Hause gefahren. Zusammen mit einem ebenfalls vergleichsweise lebendigen John F. Kennedy, verschimmelt er stattdessen in einem texanischen Altersheim. Achja, JFK ist unterdessen ein Schwarzer. Umgefärbt. Warum kompliziert, wenn’s auch einfach geht? Als rüstiges Team jagen die beiden lebenden Legenden eine rentnerseelenfressende ägyptische Mumie zwischen düsteren Tapeten und gelb flackernden Schirmlämpchen. Das klingt nicht nur in der Beschreibung einigermaßen schräg. „Bubba Ho-Tep“, jüngste Ausgeburt des Horrormeisters Don Coscarelli (u.a. „Das Böse I - III“), ist eine ungesehene Mischung aus Horrorfilm, schwarzer Komödie und Western, verfeinert mit einem Schuss Melancholie und Philosophie, die trotz der bunten Zutaten erstaunlich homogen daherkommt.

    Grundlage für diesen ungewöhnlichen Genremix ist die gleichnamige Geschichte des texanischen Autors Joe R. Lansdale, der mit seinem eigenwilligen Stil den Begriff des „Mojo Storytellings“ geprägt hat. Der Begriff „Mojo“ entstammt ursprünglich dem Hoodoo, einem Volksglauben afroamerikanischen Ursprungs (ähnlich Voodoo), und beschreibt einen versteckt getragenen Stoffbeutel, der, mit verschiedenen Kräutern und magischen Zutaten gefüllt, als Schutzzauber dienen soll. Aus westlichen Missverständnissen heraus entstanden, haften dem Begriff inzwischen auch diverse andere Bedeutungen an, wie z.B. die aus „Austin Powers“ bekannte Verwendung im Zusammenhang mit sexueller Potenz. Lansdale benutzt den Ausdruck nun, in Anlehnung an den Zutatenmix innerhalb des Mojo-Beutels und natürlich dessen übernatürlich-magische Wirkung, als Synonym für die Verquickung von Horror-, Mystery- , humoristischen und anderen Elementen innerhalb eines literarischen Textes. Lansdale, der auch vier Folgen für die Batman-Zeichentrickserie schrieb, lieferte Don Coscarelli somit eine exzellente Vorlage für einen Horrorfilm, der nicht nur für das klassische Genrepublikum lohnenswert sein sollte.

    Und das ist er vor allem wegen eines schwächelnden Elvis’, der von einem wahrhaft kongenialen Bruce Campbell („Tanz der Teufel“) zu genau dem Maß an Leben erweckt wird, das nötig ist, um ihn als alternden Krebspatienten in den Idealbereich der Glaubwürdigkeitsskala zu rücken. So schlurft der damals 42-jährige Campbell mit einem kümmerlichen Rest an Würde und Selbstkontrolle den Weg zum Klo entlang. Jedoch sind es nicht nur die körperlichen Gebrechen, die dem King of Rock’n’Roll zu schaffen machen.

    Er hat auch schwer zu kauen an selbstkritischen Lebensrückblicken und den verbundenen Selbstzweifeln. Neben unzähligen Onelinern, die zwischen lakonischer Verbitterung und unverwüstlicher Elvis-Coolness rangieren, sind es deswegen auch die philosophischen Einschübe, die den Protagonisten in einem eigentümlichen Gefühlswirrwarr aus Lächerlichkeit, Bewunderung und Mitleid im Zuschauerherzen platzieren. So wird auch ein nachdenklicher Blick geworfen auf das aus dem gesellschaftlichen Mittelpunkt verdrängte Älterwerden: „Where'd my youth go? Why didn't fame hold off old age and death? Why the hell did I leave the fame in the first place and do I want it back, and could I have it back? And if I could, would it make any damned difference? […] Always the questions. Never the answers. Always the hopes... never the fulfillments.”

    Auch Ossie Davis, der 1970 als Regisseur mit „Cotton Comes To Harlem“ vielleicht schon vor Melvin Van Peebles den Grundstein für die lange Reihe an Blaxploitation-Filmen legte, bietet einen wunderbaren Anblick als gealterter und mumienjagender „Jack“. Zwar im Rollstuhl, aber noch fit im Oberstübchen, kommt er, geübt im Umgang mit Verschwörungen, der fiesen Mumie hieroglyphenentziffernd und fruchtgummikauend als erster auf die Schliche.

    Die Dialoge der beiden sind, wie es ihre Figuren erwarten lassen, gespickt mit (historischen) Anspielungen und spielen auf unterhaltsame Weise mit dem Klischee des großen Staatsmanns bzw. Entertainers. Auf ihrem Wandel durch die beengten Räumlichkeiten des Altersheims spielen sich auch jenseits von Voice-Over und Dialog einige skurille Situationen ab, die dem Monsterhorror einen hintergründigen und morbiden Grusel hinzufügen. Blutig oder brutal wird es dabei so gut wie nie, die wenigen Splatterelemente reduzieren sich auf ein oder zwei Szenen mit unappetitlichen Riesenkäfern. Seine dennoch unheimliche Atmosphäre bezieht „Bubba Ho-Tep“ aus der vergilbten Trostlosigkeit des Schauplatzes und seiner effektvollen Beleuchtung sowie der seltsamen Mischung aus fantastischer (Monster, Mumie) und ganz realer (Altwerden, Sterben, Tod) Bedrohung.

    Dass es aus finanziellen Gründen unmöglich war, den Film mit originalen Elvis-Songs zu untermalen, ist vielleicht sogar ein Gewinn für diese befremdliche Stimmung. Bereits ein einziger Titel hätte das gesamte Budget des Films (vermutlich etwa eine Million Dollar) aufgefressen. Die ohrwurmige Score entstammt daher der Feder Brian Tylers (komponierte u.a. auch für Constantine, The Fast And The Furious und Die Stunde des Jägers) und unterstreicht Elvis’ reuevolle Rückblicke auf das Leben und klingt dabei genauso hoffnungslos wie hoffnungsvoll.

    Die spärlichen Nebenrollen sind nicht weiter der Rede wert, Erwähnung verdient allerdings Ella Joyce als ruppige Krankenschwester. Zwar sorgt sie mit ihrer resoluten Art im Umgang mit ihren Schäfchen mehr als nur einmal für einen mitleidigen Lacher beim Publikum. Irgendwo hinter der Fassade abgekühlter Berufsprofessionalität lässt aber auch sie noch einen Funken Menschlichkeit aufblitzen.

    Wer sich mit Genremixen anfreunden kann, dem sei „Bubba Ho-Tep“ sehr ans Herz gelegt. Schade deshalb, dass der Streifen in Deutschland bislang gar nicht erschienen ist und auch im englischsprachigen Ausland immer nur als Horrorfilm vermarktet wurde und damit sicher einen Teil seines potenziellen Publikums gar nicht erst erreicht hat. „Bubba Ho-Tep“ ist gruselig, witzig, cool und schafft es dennoch, zu berühren. Bruce Campbell, hier vielleicht in der leider kaum beachteten Rolle seines Lebens, macht bereits nach einigen Minuten vergessen, dass sich hier nicht der King selbst spielt und ist schon ganz alleine mit seiner Lebensphilosophie den Anblick wert: „Is there finally and really anything to life other than food, shit and sex?” Großes B-Kino!

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