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    Vanity Fair – Jahrmarkt der Eitelkeit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Vanity Fair – Jahrmarkt der Eitelkeit
    Von Carsten Baumgardt

    In der Filmbranche wird im weiblichen Lager gern das Klagelied angestimmt, dass es nur sehr wenige starke Frauenrollen gebe, ... die nicht von Meryl Streep gespielt werden. Diese These hat sicherlich Substanz, aber Ausnahmen bestätigen schließlich die Regel. Hollywood-Sweetie Reese Witherspoon hatte Glück, ergatterte die Hauptrolle in Mira Nairs Historien-Drama „Vanity Fair“ und kann im anspruchsvollen Fach bestehen, obwohl die Amerikanerin sonst hauptsächlich auf seichte, romantische Komödien festgelegt ist. Die Verfilmung von William Makepeace Thackerays Literatur-Klassiker „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ (1848) überzeugt durch starke Schauspieler, viel Atmosphäre und eine sensible Inszenierung.

    London zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Becky Sharp (Reese Witherspoon) ist als Tochter eines verarmten englischen Malers und einer mittellosen französischen Opernsängerin in der feinen Gesellschaft eine Außenseiterin, die aufgrund ihrer Herkunft niemals in den oberen Kreisen akzeptiert wird. Doch damit will sich die intelligente Gouvernante nicht abfinden und versucht, mit Geist, Charme und Sexappeal aufzusteigen. Sie wickelt die Männer reihenweise um den kleinen Finger und verschafft sich durch ihre Klugheit zumindest Respekt. Als sie den adligen Spieler Rawdon Crawley (James Purefoy) gegen den Willen seiner Familie heiratet, bringt Becky diese Vermählung keinen Schritt weiter, weil ihr Gemahl von seiner reichen Tante (Meg Wynn Owen) verstoßen und finanziell nicht mehr unterstützt wird. Erst als Becky den mächtigen Marquis von Steyne (Gabriel Byrne) als Gönner gewinnt, scheint sich das Blatt zu wenden. Aber der Preis ist hoch und weitere Intrigen nehmen ihren Lauf...

    Die Inderin Mira Nair („Monsoon Wedding“, „Salaam Bombay“) gilt als Regisseurin mit einem feinen Gespür für Stimmungen und Stil. Sie ist damit wie prädestiniert, dem Literatur-Klassiker von William Makepeace Thackeray neues Leben einzuhauen. Das gelingt ihr auch eindrucksvoll, auch wenn sie sich oft um einiges vom Roman entfernt, um die Geschichte dezent zu modernieren. „Ach, vanitas vanitatum! Wer von uns ist auf dieser Welt ganz glücklich? Wem werden alle seine Wünsche erfüllt? Und wenn sie uns erfüllt werden, sind wir dann wohl zufrieden?“ Mit diesen Worten endet Thackerays Vorlage. Und diese Zeilen geben perfekt den Kern von Nairs „Vanity Fair“ wieder. Becky kämpft verbissen um ihren gesellschaftlichen Aufstieg, obwohl sie weiß, dass dies fast unmöglich ist. Da sie allen anderen aber intellektuell überlegen ist und die nötige Abgebrühtheit mitbringt, gelingt es ihr, nicht an sich selbst zu scheitern oder zu verzweifeln, wie beispielweise ihre beste Freundin Amelia (solide: Romola Garai), die weniger Selbsthärte besitzt und dies zunächst bitter bezahlen muss.

    Die Wahl von Reese Witherspoon („Natürlich blond“, „Sweet Home Alabama“, „Eiskalte Engel“) verblüfft nur auf den ersten Blick. Immerhin sammelte die zierliche Blondine in „Ernst sein ist alles“ bereits Genre-Erfahrung, auch wenn der Ton in Oliver Parkers Oscar-Wilde-Verfilmung deutlich lockerer war. Witherspoon gelingt es mit ihrer natürlichen Ausstrahlung, ihre Becky Sharp mit reichlich Charme auszustaffieren. Das war zu erwarten. Die anspruchsvollere Aufgabe bestand darin, die nötige seelische Härte und Intrigenstandfestigkeit zu transportieren, doch dies meistert Witherspoon souverän und behauptet sich auch im Minenfeld von Gier, Eitelkeit, Missgunst und Schaumschlägerei. Kleine Anekdote am Rande: Regisseurin Nair scherzte im Vorfeld der Produktion, dass es wunderbar wäre, wenn Reese Witherspoon schwanger werden würde, um nicht ganz so zerbrechlich zu wirken. Und siehe da: Während der Dreharbeiten war die Schauspielerin tatsächlich zum zweiten Mal schwanger. Allerdings zeichnete dafür mehr Gatte Ryan Phillippe denn Mira Nair verantwortlich...

    Das exzellente Ensemble passt sich Witherspoons mitreißendem Spiel mit feinen Leistungen, die immer wieder tiefgreifende Emotionen hervorrufen, glänzend an. James Purefoy („Resident Evil“, „Mansfield Park“) überzeugt als tragische Figur Rawdon Crawley, der sich unsterblich in Becky verliebt hat, aber an der eigenen Spielsucht und dem Anspruchsdenken seiner Frau scheitert. Jonathan Rhys Meyers („Alexander“, „Kick It Like Beckham“) ist für die Arroganz zuständig und schafft es als intriganter Beau George Osbourne, vom Publikum verabscheut zu werden. Berührend ist die Naivität von Tony Maudsley („Sleepy Hollow“, „Plunkett & Macleane“) als Indienreisender Joseph Sedley, der Becky sein Leben lang vergöttert. Rhys Ifans („Notting Hill“, „Schiffsmeldungen“) ist der Ruhepol und das moralische Gewissen von „Vanity Fair“, während Gabriel Byrne („End Of Days“, „Die üblichen Verdächtigen“) sich mysteriös im Hintergrund hält, als Schatten über der Szenerie schwebt und erst spät seinen Charakter entblößt.

    Da der Film allerlei Bezüge zu Indien aufweist und die Handlung ganz am Rande auch dorthin abschweift, erweist sich Mira Nair um so besser geeignet für die Regie. Sie verleiht „Vanity Fair“ einen exotischen, farbenfrohen Look, der sich mit einiger Düsternis paart. Viele der Szenen sind trotz ihrer opulenten Ausstattung nur spärlich ausgeleuchtet. Diese Maßnahme erweist sich als kritisch. Einerseits vermittelt sie den düsteren Ton des Films, andererseits bremst dies die Pracht der Optik ein wenig aus. Ob „Vanity Fair“, der im Laufe der Filmgeschichte bereits diverse Male verfilmt wurde, eine erneute Neuauflage nötig gehabt hätte, ist müßig zu diskutieren. Fakt ist aber, dass Mira Nairs 23 Millionen Dollar teure Adaption einen ausgezeichneten Eindruck hinterlässt und Freunde des gepflegten Kostümschinkens bestens unterhalten wird. Als Lohn erntete Nair immerhin eine Nominierung für den Goldenen Löwen beim renommierten Filmfestival in Venedig.

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