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    Glengarry Glen Ross
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Glengarry Glen Ross
    Von Carsten Baumgardt

    Eine wahre Perle der Filmkunst schuf Regisseur James Foley („Die Kammer“) im Verbund mit dem genialen Drehbuchschreiber (und Regisseur) David Mamet („Heist“, „Die unsichtbare Falle“) im Jahr 1992. Die grandios gespielte Theater-Adaption „Glengarry Glen Ross“ fand zwar im Kino kein Publikum, die wenigen, die da waren, sahen aber einige der packendsten Dialoge des 90er-Jahre-Kinos. Die superb aufgelegte Darstellerriege läuft zur absoluten Höchstform auf.

    Die vier Grundstücksmakler Shelley Levine (Jack Lemmon), Ricky Roma (Al Pacino), George Aaronow (Alan Arkin) und Dave Moss (Ed Harris) stehen plötzlich mit dem Rücken zur Wand. Ihnen wird das Messer an die Brust gesetzt. Die wirtschaftliche Rezension hat auch ihr Maklerbüro erfasst. Die Firmenleitung lässt verlauten, dass nur zwei Mitarbeiter nach einem radikalen Schnitt übrig bleiben werden. Wer innerhalb kürzester Zeit am meisten verkauft, erhält einen Cadilliac Eldorado, der Zweitbeste ein Steakmesser-Set - und einen Job. Der Rest fliegt hochkant raus. Um den Standpunkt der großen Bosse im Hintergrund deutlich zu machen, wird „Bluthund“ Blake (Alec Baldwin) geschickt. Er hält den vier verdutzten Verkaufsprofis einen Vortrag, der sich gewaschen hat und sie wie unreife Schuljungen zurücklässt. Derart unter Druck gesetzt, machen sich die vier Makler an die Arbeit, ihren Job zu retten. Da das Land in den Glengarry Highlands, das sie verkaufen sollen, praktisch wertlos ist, greifen - allen voran - Ricky Roma und seine Kollegen zu miesen Tricks, um zum Vertragsabschluss zu kommen. Passend zum Dilemma muss Büroleiter John Williamson (Kevin Spacey) feststellen, dass über Nacht eingebrochen wurde und wertvolle Adressen von abschlusswilligen Kunden gestohlen wurden. Jeder ist potenziell verdächtig...

    „Glengarry Glen Ross“ ist wieder einmal ein Paradebeispiel für die Schieflage, die nicht selten im Kino auftritt. Da gelang James Foley (Corruptor) Anfang der 90er Jahre ein dialoglastiges Meisterwerk der Schauspielkunst, aber keinen interessiert’s. In den USA spielte das kammerspielartige Drama rund acht Millionen Dollar ein, in Deutschland fanden gerade einmal 25.000 Zuschauer den Weg vor die Leinwände. Dass der Film ein weitaus breiteres Publikum verdient hätte, steht außer Frage. Der größte Verdienst an „Glengarry Glen Ross“ gebührt allerdings nicht Foley, sondern seinem Drehbuchautor David Mamet („Hannibal", „Wag The Dog“, „Wenn der Postmann zweimal klingelt“). Der schrieb dem hochkarätigen Ensemble ein Dialogfeuerwerk auf den Leib, dass einem im wahrsten Sinne des Wortes die Ohren schlackern. Der mittlerweile verstorbene Jack Lemmon war als Shelley The Machine selten besser zu sehen. Er ist ein großmäuliger, linkischer Loser, der sich sogar noch erniedrigen muss, um seine letzte kleine Chance auf ein Überleben in einer Haifischbranche zu wahren. Völlig zurecht wurde Lemmon 1992 auf der Biennale als bester Darsteller ausgezeichnet. Al Pacino („The Insider", „Heat") ist da ganz anders gestrickt. Sein Ricky Roma ist ein ausgekochter Fuchs, der alle legalen und vor allem illegalen Tricks anwendet, um seine Haut zu retten. Von aalglatt über arrogant bis hinterhältig reicht sein Charakterprofil. Pacino meistert seinen Part in oscarreifer Galaform. Ebenfalls einen glanzvollen - wenn auch kurzen Auftritt – absolviert Alec Baldwin („Pearl Harbor", „Auf Messers Schneide"). Sein mehrminütiger Monolog ist der Inbegriff von Arroganz und zeigt, dass Baldwin, wenn nötig, ein richtig guter Mime sein kann. Eiskalt redet er seine Untertanen in Grund und Boden – eine famose Performance. Der Rest der Darsteller passt sich dem brillanten Spiel an. Ed Harris („The Truman Show", „The Hours", „Apollo 13“) und Alan Arkin („America's Sweethearts") wissen ebenso zu gefallen wie der damals noch völlig unbekannte zweifache Oscarpreisträger Kevin Spacey (für „Die üblichen Verdächtigen" und „American Beauty"). Auch Jonathan Pryce („Was Mädchen wollen", „Ronin") überzeugt als „Opferlamm“ von Al Pacino.

    Dass die Schauspieler in „Glengarry Glen Ross“ so groß rauskommen, ist auch dringend nötig. Wie üblich bietet auch diese Theater-Adaption wenig räumliche Spielfläche für die Protagonisten. Alles findet in wenigen, noch dazu engen Räumen statt. Die Kamera ist gnadenlos nah dran an den Akteuren – jede falsche Bewegung würde sofort entlarvt. Doch das passiert nicht. Dialog auf Dialog peitscht auf den Betrachter nieder, so dass die packenden 100 Minuten trotz Fehlens jedweder Action wie im Flug vergehen. Wer „Glengarry Glen Ross“ im Kino, auf Video oder im TV bisher stets verpasst hat, sollte einen Blick auf die DVD werfen. Denn als Lohn winkt ein filmischer Leckerbissen nicht nur für die Freunde des Programmkinos. Meisterhafte Dialoge, große Schauspieler, großes Kino. Absolut entdeckenswert!

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