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    Saint Ralph
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Saint Ralph
    Von Lars Lachmann

    Wunder geschehen. Ein schönes Beispiel dafür ist Michael McGowans Tragikomödie „Saint Ralph“, mit welcher er uns diese wunderbare Tatsache – passend zur Vorweihnachtszeit – in charmantester Weise vor Augen führt. Die Geschichte um den jungen Teenager Ralph, der fest entschlossen ist, ein Wunder zu vollbringen, um seine kranke Mutter aus dem Koma zu erlösen, besticht durch ihren besonderen, individuellen Witz und sprudelt dabei nur so über vor ansteckender Lebensfreude.

    Ralph Walker (Adam Butcher) besucht eine katholische Ordensschule im kanadischen Hamilton der 50er Jahre. Seine einzige noch lebende Verwandte ist seine Mutter Emma (Shauna MacDonald), die schon seit längerer Zeit im Krankenhaus liegt. Trotz dieses Umstands zeichnet sich der 14-jährige Ralph als äußert lebenslustiger Teenager aus. Als solcher eckt er auch das eine ums andere Mal durch sein Verhalten bei seinen katholischen Lehrern an, indem er sich nicht nur ständig über die strengen Regeln der Schule hinwegsetzt, sondern auch noch beim Onanieren im öffentlichen Schwimmbad erwischt wird. Infolgedessen macht er sich nicht nur zum Gespött seiner Mitschüler, inklusive der von ihm umschwärmten Claire (Tamara Hope), sondern wird vom erzkonservativen Pater Fitzpatrick (Gordon Pinsent) darüber hinaus zum Geländelauf mit den älteren Schülern verdonnert. Als seine Mutter in ein Koma fällt, aus welchem sie nicht wieder zu erwachen droht, fasst Ralph jedoch den Beschluss, ein Wunder zu vollbringen, welches ihr wieder auf die Beine helfen soll, und beim in ein paar Monaten stattfindenden Boston-Marathon zu siegen. Kein Zuckerschlecken – denn neben dem läuferischen Können muss sich unser werdender Heiliger ebenso in den Disziplinen Glaube, Gebet und Reinheit (!) perfektionieren. Eine Vision (Pater Fitzpatrick nennt es eher Halluzination und das Projekt des Jungen blasphemisch), infolge eines leichten Unfalls beim Sportunterricht, bestärkt den Jungen in seinem Vorhaben. Von diesem Zeitpunkt an beginnt er wie ein Besessener zu trainieren...

    Die Handlung der Geschichte, welche sich monatsweise in Kapitel einteilt, die jeweils einem passenden Schutzheiligen gewidmet sind, ergibt sich zum großen Teil aus dem dynamischen Zusammenspiel zwischen der Hauptperson Ralph und einer Reihe von anderen zentralen Personen. Neben den bisher genannten sind dies zum einen sein Freund Chester (Michael Kanev), gewissermaßen der eher vernunftbestimmte, apollinische Gegenpart zum dionysischen Ralph. Eine weitere wichtige Figur findet sich in Pater Hibbert (Campbell Scott), ein ernster aber herzlicher wie unkonventioneller Lehrer und Apologet Nietzsches, der sich schließlich gegen den Widerstand von Pater Fitzpatrick dazu entschließt, Ralph für den Marathon zu trainieren. Auf Seite der Frauen sind es vor allem die Krankenschwester Alice (Jennifer Tilly), in welcher unser Held eine weitere unverhoffte Verbündete findet. Und dann ist da auch noch ein Buch der kanadischen Marathonlegende Tom Longboat, dessen Ratschläge Ralph zu beherzigen sucht, wenngleich Pater Hibbert ihn mit dem Hinweis, jener sei gegen Ende seines Lebens verrückt geworden, lieber davon abrät.

    Die insgesamt hervorragende Besetzung trägt insgesamt wesentlich zum Gelingen des Films und der Entwicklung seiner herzlich erfrischenden Komik bei. Dies gilt insbesondere für den Hauptdarsteller Adam Butcher, der seiner Figur mit seiner fröhlich-kecken wie auch bisweilen ernsthaft-melancholischen Art zu einer ungeahnt individuellen Tiefe verhilft. Bei einer Szene, in welcher der vor Charme sprühende Ralph der hübschen Claire, die zu dessen Leidwesen den Beschluss gefasst hat, später einmal Nonne zu werden, den Hof macht, ließ sich sogar ein erwachsener Kinobesucher zu der Anmerkung hinreißen: „Von dem können wir ja noch was lernen...“

    Unterstützt wird die Inszenierung von einer guten Kameraführung, welche vor allem bei den Laufszenen zum Tragen kommt, sowie einem passenden Score, welcher das Geschehen emotional bündig untermalt. Bei letzterem stellt sich Leonard Cohens „Hallelujah“, welches uns im vergangenen Jahr schon in Filmen aus unseren Landen wie dem Erfolg Die fetten Jahre sind vorbei oder dem vergleichsweise qualitativ etwas abfallenden „Barfuß“ von Til Schweiger begegnet ist, ein weiteres Mal als starkes Highlight an einem intensiven Punkt innerhalb der Handlung heraus.

    Wenn einzelne Bestandteile der Story auch bisweilen an andere Filme erinnern mögen, wie z. B. den festen Entschluss, etwas unmöglich Erscheinendes über alle Widerstände hinweg realisieren zu wollen (Billy Elliot ), oder das Thema Strenge und Disziplin contra Herz und Menschlichkeit als definierende Eigenschaften von Lehrern an einer Schule (Der Club der toten Dichter), gelingt es Michael McGowan dennoch, ein überzeugendes, eigenständiges Produkt auf die Beine zu stellen – für sich genommen schon ein kleines Wunder! Angereichert durch unzählige kleine, liebevolle Details, wie z. B. den zum Teil recht absurden Ratschlägen von Tom Longboat, welche an einigen Stellen per Voiceover aus dessen Buch rezitiert werden, weiß die witzige, aber nicht albern – rührend, aber nicht kitschig wirkende Handlungsführung ihr Publikum durchgehend zu begeistern. Ein Film, der sich auch für die ganze Familie eignet und an dem Groß und Klein gleichermaßen ihre Freude haben werden.

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