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    Sword Of Doom
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Sword Of Doom
    Von Björn Becher

    Wenn man an Samurais denkt, dann denken viele an „Hagakure“, der einzigartigen Auffassung des Bushido, des Ehrenkodex der Samurai, von Tsunetomo Yamamoto, den dieser zwischen 1710 und 1716 aufschreiben ließ und der sich auch heute noch in Buchform (selbst oder gerade im Westen) sehr gut verkauft. Doch in vielen japanischen Samuraifilmen wurde dieser Ehrenkodex demaskiert. Der große und wohl bekannteste japanische Regisseur Akira Kurosawa stellte in seinen Filmen „Yojimbo“ und „Sanjuro“ einen Ronin, einen herrenlosen und eigentlich ehrlosen Samurai, in den Mittelpunkt, der mehr Ehre besitzt als die richtigen Samurai. Noch weiter ging Kihachi Okamoto, neben Kurosawa einer der großen japanischen Regisseure der Sechziger und Siebziger Jahre, 1966 in seinem Film „Sword Of Doom“.

    Der Protagonist ist ein klarer Antiheld. Das wird dem Zuschauer schon durch den furiosen Start klar. Ryunosuke Tsukue (Tatsuya Nakadai, Ran) tötet erst – scheinbar völlig grundlos – einen alten und wehrlosen Mann (Kamatari Fujiwara, Die sieben Samurai). Dann muss er bei einem Wettkampf zum Duell gegen Bunnojo Utsuki (Ichirô Nakaya, Lone Wolf And Cub) antreten. Man bittet ihn zu verlieren. Jeder wisse das er, Ryunosuke Tsukue der bessere Kämpfer sei, doch für ihn geht es bei diesem Kampf um nichts, während Bunnojo Utsuki bei einer Niederlage seinen Ruf und seine Anstellung verliert. Sogar dessen Frau Ohama (Michiyo Aratama, „Kwaidan“) wird bei Ryunosuke Tsukue vorstellig. Ihr verspricht er ihren Mann gewinnen zu lassen, nachdem er vorher sie zum Sex gezwungen hat (was nicht explizit gezeigt wird, der Zuschauer sich aufgrund der grandiosen Inszenierung aber denken kann). Kurz vor dem Kampf erfährt Bunnojo Utsuki, dass seine Frau bei seinem Kontrahenten war. Er verstößt sie und geht rasend vor Wut in den Kampf. Obwohl man nur mit den Übungsstöcken aus Holz kämpft, spaltet Ryunosuke Tsukue ihm mit einem Schlag den Schädel. Als er den Ort des Geschehens später verlässt, stellen sich ihm 20-30 Männer entgegen, Freunde und Gefährten des Getöteten, die den Tod rächen wollen. Wenige Minuten später zieht Ryunosuke Tsukue seines Weges weiter, der Waldweg hinter ihm, ist gesäumt von Leichen.

    Nach diesem wirklich rasanten Beginn, nimmt Regisseur Okamoto plötzlich und unerwartet erst einmal Tempo heraus. Er springt zwei Jahre in der Zeit nach vorne. Ryunosuke Tsukue lebt nun mit Ohama und einem Sohn zusammen und ist immer noch ein Krieger, der auf einem dunklen Pfad wandelt. Als es ihm nach einem Kampf gelüstet, fordert er in der Kampfschule von Toranosuke Shimada (Toshirô Mifune, Rashomon) Jemanden zu einem Übungsduell heraus. Wie es der Zufall so will, ist es Hyoma Utsuki (Yuzo Kayama, „Sanjuro“), der Bruder des einst von ihm Getöteten. Ryunosuke Tsukue gewinnt mit seinem einzigartigen Kampfstil mühelos. Als Hyoma Utsuki später erfährt gegen wen er hier gekämpft hat, ist ihm klar, dass eine tödliche Auseinandersetzung unausweichlich ist. Doch er und sein Schwertmeister Shimada wissen, dass sie Ryunosuke Tsukue nicht gewachsen sind.

    „Sword Of Doom“ beruht auf dem Buch „Dai-bosatsu tôge“ (so auch der Originaltitel des Films, wörtlich übersetzt: „Der Weg des großen Buddha“), welches von dem Autor Kaizan Nakazato, von 1913 an in insgesamt 41 Bänden, zuerst in einer Zeitung, veröffentlicht wurde. Er setzte die Reihe bis zu seinem Tod 1944 fort. Durch den Abbruch aufgrund des Todes des Autors blieb das Werk unvollständig. Nichtsdestotrotz wurde es gleich mehrfach verfilmt (einmal sogar schon 1935 als das Werk noch im Entstehen war). Allen Filmversionen, darunter auch eine von Kenji Misumi und Kazuo Mori, ist gemein, dass sie mehrteilig sind, nur Kihachi Okamoto machte in der bis dato letzten (und bekanntesten) Verfilmung 1966 den Schritt es in einem, allerdings zwei Stunden langen, Film zu versuchen. So ist „Sword Of Doom“ auch keine richtige Verfilmung des Nakazato-Werkes, sondern eher eine Verfilmung einzelner Episoden. Der Film besitzt deswegen zahlreiche Zeitsprünge, welche die volle Konzentration des Zuschauers fordern.

    Dazu trägt auch bei, dass Kihachi Okamoto nicht den gängigen Narrationsmustern folgt. Immer wieder werden Nebenhandlungen und Nebenfiguren aufgerissen, die lange Zeit nur wenig Bedeutung für die Geschichte haben. Es dauert auch bis fast zum Finale bis sich die ganzen Figurenkonstellationen dem Zuschauer erschließen. Dann zeigt sich aber, dass doch irgendwie jeder mit jedem zusammenhängt. Dieses eigene Narration des Films (noch konsequenter ging diesen Weg übrigens Audition–Regisseur Takashi Miike in seinem von vielen Fans gehassten, von wenigen Kritiker geliebten Film „Izo“, der jeglichen narrativen Strukturen entsagt und – dieser Eindruck drängt sich zumindest auf – wohl auch ein wenig von „Sword Of Doom“ beeinflusst ist) sorgt natürlich dafür, dass gerade der westliche, einen anderen Erzählstil gewohnte Zuschauer es nicht ganz einfach haben wird, dem Film gleich zu folgen.

    Dies lohnt sich aber alle Mal. Zum einen fügen sich die Einzelteile nach und nach zusammen, zum anderen wird einem schnell bewusst, warum Kihachi Okamoto einen so guten Ruf hat. Seine Bilder sind von einer visuellen Kraft wie man sie selbst bei Farbfilmen selten sieht. Fast jede Einstellung erscheint wie ein eigenes kleines Kunstwerk, wunderbar arrangiert, von beeindruckender Ästhetik. Okamoto spielt mit seinen Bildern, verändert Schärfen und nutzt Schatten aus. Allein damit gelingt es ihm den Zuschauer zu fesseln. Dazu erweist sich Okamato als Meister der Bildsprache. Allein die Szene in welcher Ohama von Ryunosuke Tsukue entehrt wird, ist in dieser Hinsicht bezeichnend. Okamoto zeigt von diesem Vorgang eigentlich gar nichts, es reicht, dass er den Schauplatz der „Vergewaltigung“, eine Mühle, ausleuchtet und dabei die Kamera über das sich dort befindende Stampfwerk gleiten lässt.

    Die große Kunst von Kihachi Okamoto zeigt sich auch in den eindrucksvoll choreographierten Kampfszenen. Allein das Duell von Ryunosuke Tsukue mit Bunnojo Utsuki ist ein Genuss. Passend zum Stil der Kämpfer wird der Ton abgedreht, die Bewegungen der Kamera fast zum Stillstand gebracht. Dann passiert erst einmal nichts und gerade das sorgt dafür, dass der Zuschauer auf das Extremste gespannt wird. In wenigen Sekunden entlädt sich dann die ganze Wucht des Kampfes und man bleibt beeindruckt zurück, nur um gleich darauf einer imposanten Kampfesserie von Ryunosuke Tsukue gegen mehre Getreue von Bunnojo Utsuki im Wald beizuwohnen.

    Bezüglich der Geschichte gefällt vor allem die klare und kompromisslose Charakterisierung der Hauptfigur. Wie eingangs angesprochen ist Ryunosuke Tsukue nicht der typische Held eines Samuraifilms, sondern ein klarer Antiheld, scheinbar ein skrupel- und ehrloser Killer. Doch nach und nach wachsen Zweifel an diesem Bild des dunklen Samurai. Er tötet zwar eiskalt, aber war das nicht irgendwie auch der Wunsch seiner Opfer? So hat zum Beispiel der alte Mann, den er zu Beginn tötet, kurze Zeit vorher noch für seinen baldigen Tod gebetet. Im Gegensatz dazu umgibt Ryunosuke aber immer eine dunkle Aura, er wirkt fast wie der Teufel. Nicht umsonst stellt einmal eine Nebenfigur fest: „Je mehr ihr mir erzählt, desto böser erscheint Ryunosuke Tsukue, als käme er direkt aus der Hölle.“ Verstärkt wird dies durch das Spiel des exzellent agierenden Tatsuya Nakadai. Diese schaut oft sehr diabolisch, die Kamera wirft oft zusätzliche dunkle Schatten unter seine Augen.

    Im Gegensatz dazu steht ein Charakter, der von Japans wohl bekanntestem Darsteller Toshirô Mifune verkörpert wird. Auch wenn Mifune hier nur eine sehr kleine Rolle hat, so ist sein Charakter doch immens wichtig, um das Dunkle des Protagonisten zu betonen. Mifunes Charakter ist das helle Gegenstück, ein ruhiger Mensch, der nicht töten will. Inwieweit die Verderblichkeit des Protagonisten aber auch seine Umwelt verändert, zeigt sich bei einer blutigen und beeindruckenden Kampfszene in einer Schneelandschaft. Hier muss Mifunes Charakter mehreren Gegnern gegenübertreten und sie schließlich töten. Spätestens hier wird auch der Unterschied zwischen Kihachi Okamoto und Akira Kurosawa noch einmal klar. Beide waren große Virtuosen und Meister der Bildsprache, doch Okamoto geht noch einen Schritt weiter als Kurosawa, sein Film ist noch etwas dunkler als vergleichbare Kurosawa-Werke und es spritzt auch mal mehr Blut. Da scheut sich Okamoto auch nicht eine abgetrennte Hande nebst großer Blutmenge in den Schnee fallen zu lassen.

    Der übrige Cast von „Sword Of Doom“ weiß ebenfalls zu gefallen. Vor allem Yuzo Kayama und die beiden weiblichen Darstellerinnen Michiyo Aratama und Yôko Naito („Akira Kurosawa’s Rotbart“) in den zwei bedeutenden Frauenrollen sind hier zu nennen. Auch hinter der Kamera hat Okamoto auf Qualität gesetzt. Hiroshi Murai, mit dem Okamoto unter anderem auch bei „Samurai Assassin“ zusammen gearbeitet hat, liefert die genialen Bilder, die Okamoto erst so kunstvoll arrangieren kann. Unterstrichen werden diese von dem zurückhaltenden, aber in den richtigen Momenten voll präsenten Score von Masaru Satô, einem der besten japanischen Soundtrackmusiker seiner Zeit. Satô hat über viele Jahre mit Akira Kurosawa zusammen gearbeitet und zum Beispiel bei dessen Filmen „Yojimbo“ und „Das Schloß im Spinnwebwald“ für die Musikuntermalung gemacht. Auch heute werden noch musikalische Stücke des 1999 verstorbenen Satô in Filmen verwendet, so zum Beispiel kürzlich in „Godzilla: Final Wars“ von Ryuhei Kitamura.

    Insgesamt kann „Sword Of Doom“ seinem hervorragenden Ruf als einer der ganz großen Klassiker seines Genres nicht ganz entsprechen. An die Erzählweise von Okamoto gewöhnt man sich zwar, die unvollendete Vorlage sorgt aber wohl mit dafür, dass nach dem Ende erst einmal Ernüchterung einkehrt. Der Showdown auf den der Film teilweise hinarbeitet, fällt ganz anders aus als man erwartet und dann kommt – fast mitten in diesen rein – schon der Abspann. Nichtsdestotrotz ein visuell beeindruckendes Filmvergnügen mit dem Fans japanischer Kinoklassiker und der Samuraifilme von Akira Kurosawa nichts falsch machen können.

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