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    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
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    Von Carsten Baumgardt

    Nicolas Cage liebt Comics... und er hat ein zweites außergewöhnliches Hobby: Der Hollywood-Superstar sammelt Luxusanwesen. 13 Stück befinden sich schon in seinem Besitz - vom Schloss in Bayern über eine Insel in der Nähe der Bahamas bis zum Haus in Newport Beach. Für seinen neuesten Film, Lee Tamahoris Science-Fiction-Action-Thriller „Next“, kann Cage seine großen Leidenschaften unter einen Hut bringen. Er spielt mit dem Showmagier Cris/Frank einen comichaften Superhelden, der übersinnliche Fähigkeiten besitzt. Und mit der satten Gage des mit 70 Millionen Dollar hoch budgetierten Reißers kann Cage weiter seinen extravaganten Sammelfimmel pflegen oder das Salär wahlweise als Schmerzensgeld verstehen - dafür, dass er das lausige Drehbuch überhaupt spielen und durch seine Präsenz für den Zuschauer einigermaßen erträglich gestalten muss.

    Cris Johnson (Nicolas Cage) ist mit einem unglaublichen Talent gesegnet, das sich für ihn aber eher als Fluch erweist. Er kann zwei Minuten in die Zukunft schauen und dort sein persönliches Schicksal verfolgen. Als zweitklassiger Showmagier Frank Cadillac (was für ein Name!!!) versucht er sich in Las Vegas zu tarnen und so wenig wie möglich aufzufallen. In den Casinos räumt er mit seiner Fähigkeit nur Kleingeld ab, um unter dem Radar der Spielaufsicht zu bleiben. Doch dann fliegt Cris gleich doppelt auf. In einem Casino verhindert er durch seine Hellseherei einen zweifachen Mord, was für Aufsehen sorgt. Dazu hat sich die FBI-Agentin Callie Ferris (Julianne Moore) an seine Fersen geheftet und ihn längst durchschaut. Sie will Cris für ihre Zwecke einspannen. Europäische Terroristen planen einen Nuklearanschlag auf Los Angeles. Cris soll voraussagen, wo sich die Bombe befindet. Doch die Rettung von acht Millionen Menschen interessiert ihn nicht sonderlich. Er versucht lieber bei seiner Traumfrau Liz (Jessica Biel) zu landen und verbringt mit ihr seine Zeit am Grand Canyon, allerdings mit dem FBI und den Terroristen im Schlepptau...

    In den USA legte „Next“ eine herzhafte Bauchlandung hin. Von der Kritik zum Großteil verhöhnt (exemplarisch: „The silliest movie of the year“, Baltimore Sun), floppte der SF-Actioner auch an der Kinokasse mit einem Einspiel von knapp 18 Millionen Dollar derb, obwohl er eigentlich die Blockbuster-Saison einläuten sollte. Dabei klingt die Grundidee ausgesprochen spannend und trägt ein Gütesiegel, das in diesem Sujet marktführend ist. „Next“ basiert auf einem Werk von Science-Fiction-Legende Philip K. Dick (Blade Runner, Total Recall, A Scanner Darkly, Minority Report). Doch nun der Haken: Die Vorlage „The Golden Man“ ist eine Kurzgeschichte aus den Jahr 1954... und das ist dem Film in jeder Sekunde anzumerken. Die faszinierende Storyidee trägt den ersten Akt und wird praktisch im dritten fortgesetzt. Dazwischen montiert das Autorenteam Gary Goldman (Total Recall), Jonathan Hensleigh (Armageddon, The Punisher, Stirb langsam 3) und Paul Bernbaum (Die Hollywood-Verschwörung) im Hauptteil eine unglaubwürdige Love Story, einige Verfolgungsjagden und viel heiße Luft.

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    Cris’ Ausreden, dem FBI nicht zu helfen, was ungefähr eine Stunde Spielzeit in Anspruch nimmt, sind nicht ansatzweise plausibel. Wozu eine Millionenstadt vor einer Nuklearkatastrophe retten, wenn ich mit einer heißen Braut, die aussieht wie Jessica Biel, am Grand Canyon ein paar nette Tage verbringen kann? Das sollte zumindest jedem einleuchten. Die nicht näher definierte Bedrohung durch die Eurotrash-Terroristen um Thomas Kretschmann (Rohtenburg, King Kong, Der Pianist) stört in dem Storykonstrukt als abgegriffenes 08/15-Versatzstück auch mehr, als dass sie hilft. Warum sie Los Angeles pulverisieren wollen, ist nicht klar. „I’d like to think they want to stop Nicolas Cage from making any more inane movies like this one - a very laudable goal in my view”, mutmaßt Lou Limenick in der „New York Post” nicht zu unrecht. Klar ist natürlich auch, dass die bösen Terrorbuben spitz kriegen, was das FBI mit Cris im Schilde führt. Das bringt dessen Leib, Leben und Freundin in höchste Gefahr. Selbst die Prämisse („I have no idea how... but I can. I was born with this.”) ist nicht das Problem des Drehbuchs, wir befinden uns schließlich im Science-Fiction-Genre. Nur die Tatsache, dass sich die Definition von Cris’ Superkräften von Minute zu Minute je nach Situation ändert, nervt dann doch.

    Nächster Punkt im Kuriositätenkabinett: Die Leinwandchemie zwischen Nicolas Cage (Ghost Rider, The Wicker Man, World Trade Center) und Jessica Biel (The Illusionist, Stealth, Elizabethtown) stimmt hinten und vorne nicht, macht vielmehr einen grotesken Eindruck - jedenfalls, wenn man in Nicolas Cage die Filmfigur und nicht den Superstar sieht. Biel tut ihr Bestes, ihren schnöden Part als klassischen Love Interest zu füllen und die Zuschauer mit ihrer Schönheit zu erfreuen. Co-Star Julianne Moore (Boogie Nights, Magnolia, Auf der Flucht) wirkt, wie frisch aus Hannibal exportiert, sie variiert ihre Agentin Clarice Starling nur um minimale Nuancen und spielt dementsprechend gelangweilt.

    Ein „Aber“ hat „Next“ trotzdem noch und das heißt Nicolas Cage. Der Mann ist in seiner naturgegebenen Präsenz derart unverwüstlich, dass er selbst die schlechteste Dick-Adaption seit Paycheck noch auf ein erträgliches Unterhaltungsniveau heben kann. Man könnte zwar meinen, sein Cameron Poe aus Con Air hätte sich bei Tom Hanks’ The Da Vinci Code-Friseur die Spitzen etwas nachschneiden lassen, aber selbst dieses absurde Haarwerk kann Cage als Dackelblick-Magier mit dem gewissen Etwas nichts anhaben. Ihn durch eine solch hanebüchene Geschichte hetzen zu sehen, macht dennoch Spaß. Dazu hat Regisseur Lee Tamahori zwar zuletzt auch xXx 2 - The Next Level spektakulär in den Sand gesetzt, aber inszenieren kann der Neuseeländer halt doch. Sein Talent bleibt selbst in „Next“ nicht verborgen. Im Big-Budget-Hochglanzlook peitscht er sein Personal in rasanten Verfolgungsjagden vor malerischen Kulissen (ja, Jessica Biel unterrichtet unterprivilegierte Kinder am Grand Canyon) durch die Szenerie. Richtig stark inszeniert ist beispielsweise eine frühe, mehrminütige Hetzjagd im Casino, in der Cris Johnson seine Fähigkeiten geschickt ausnutzt. Doch zwischen diesen Highlights herrscht einiges an Leerlauf, der durch die belanglosen Dialoge nicht besser wird. Einen echten Rausschmeißer hat „Next“ auch noch auf Lager... und zwar das Ende, auf das hier aus Gründen der Fairness nicht detailliert eingefangen werden soll. Neben großen Schauwerten gönnt Regisseur Tamahori dem Publikum einen heftigen Hieb vor den Kopf – dann muss jeder selbst entscheiden, was er damit anfängt.

    Fazit: „Next“ ist ein rasanter, teils gut inszenierter, trashiger No Brainer, der trotz aufopferungsvoll spielendem Nicolas Cage von der absurden Story gelähmt wird und das Potenzial der guten Grundidee nie ausschöpfen kann.

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