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    Crank 2: High Voltage
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Crank 2: High Voltage
    Von Christoph Petersen

    Chev Chelios ist alles andere als ein Glückspilz. In dem Überraschungserfolg Crank wurde ihm 2006 ein Gift injiziert, das einen Menschen tötet, sobald der Puls eine gewisse Schlagzahl unterschreitet. Also hastete Chev auf der Suche nach seinen Mördern durch die Stadt. Mitten in Chinatown, umgeben von schaulustigen Asiaten, nagelte er sogar seine Freundin, nur um seine Pumpe irgendwie auf Touren zu halten. Doch nun kommt es noch dicker: In „Crank 2: High Voltage“ hat Chev statt eines vergifteten Herzens nämlich plötzlich ein batteriebetriebenes Plastikkunstherz im Körper, das er mit regelmäßigen Stromstößen versorgen muss. Das gehypte Autoren- und Regie-Duo Mark Neveldine / Brian Taylor (Pathology, Game) kennt kein Erbarmen mit ihrem geschundenen Protagonisten und legt im Sequel zu ihrem Erfolg („Crank“ spielte sein 12-Millionen-Dollar-Budget bereits am Startwochenende wieder ein) noch ein paar Schippen hochtourigen Irrwitz drauf.

    Chev Chelios (Jason Statham) hat den Sturz aus einem Helikopter am Ende von „Crank“ überlebt. Von einer asiatischen Gangsterbande wird er vom Beton gekratzt und in einen Lieferwagen verfrachtet. Als er drei Monate später aus dem Koma erwacht, operiert ihm gerade jemand das Herz heraus, an dessen Stelle ihm ein röhrenförmiges, von einer Art Autobatterie angetriebenes Plastikding eingepflanzt wird. Chev entkommt zwar, doch fortan muss er stetig Energiequellen anzapfen, um am Leben zu bleiben: Er leckt an Elektroteasern, steckt seinen Finger in den Zigarettenanzünder oder reibt sich – ganz im Sinne der Elektrostatik - an anderen Menschen. Auf der Suche nach seinem Herzen stößt Chev unter anderem auf die durchgeknallte Asiatin Ria (Bai Ling), seine Ex-Freundin Eve (Amy Smart) und den hundertjährigen Triadenboss Poon Dong (David Carradine). Es beginnt eine irrwitzige, in Blut und Adrenalin getränkte Hatz durch die Stadt, bei der Chev jeden gnadenlos niedermäht, der sich ihm und seiner Mission in den Weg stellt…

    Was soll man von einem Film erwarten, in dessen finalem Shoot-Out sich ein Gangstersyndikat, schwule Farbige in Lack und Leder, eine mexikanische Tuntentruppe und leicht bekleidete Bikini-Bitches mit Maschinenpistolen gegenüberstehen? Die Antwort fällt leicht: eine Menge! War „Crank" doch bereits das Leinwandpendant zu einer Fahrt mit 380 km/h über eine Pflastersteinpiste, schalten Neveldine und Taylor im Sequel tatsächlich noch ein paar Gänge hoch. Gleich zu Beginn gibt es eine abgefahrene OP-Szene, in der ein nicht ausreichend narkotisierter Chev Chelios dabei zusieht, wie ihm sein eigenes Herz herausgenommen wird, während ein sadistischer Chinese (Art Hsu) ihm immer wieder in den offenen Brustraum ascht. Auch die obligatorische Sex-in-der-Öffentlichkeit-Szene fällt in der Fortsetzung noch abgehobener aus: Statt mitten in Chinatown, treiben es Chev und Eve diesmal vor mehreren Tausend tosenden Zuschauern mitten auf einer Pferderennbahn. Und während sie beim Orgasmus ekstatisch zuckt, bewundert Eve das riesige Gemächt des Rennpferdes, das just in diesem Moment über das poppende Liebespaar hinwegspringt.

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    Doch nicht nur die Handlung, auch der Stilmix ist mehr als wild. Neveldine und Taylor legen eine unbändige Zitierwut an den Tag, die ihresgleichen sucht. In knappen 90 Minuten bahnen sie sich mit einem Affentempo ihren Weg durch 50 Jahre Popkulturhistorie: Bei einem der Hauptfights wechselt der Film plötzlich zur Optik eines klassischen asiatischen Monsterfilms à la „Godzilla" (1954) - von einem Moment auf den anderen trampeln Chev und sein Widersacher durch eine Miniaturstadt und reißen bei ihrem absurden Kampf selbst Hochspannungsmasten um. In Anlehnung an die prüden Medien Amerikas - man erinnere sich nur an Janet Jacksons „Nippelgate" - sind in einer Szene Chevs freischwingende Genitalien in Nachrichtenmanier mit einer Pixel-Box versehen. Der Kopf eines im ersten Teil getöteten Gangsters wird in einer Art Wasserspender künstlich am Leben gehalten - eine offensichtliche Anlehnung an Matt Groenings kultige Science-Fiction-Parodie „Futurama". Gleich der eröffnende Shoot-Out, der mit einer Schrotflinte in einem Arschloch endet, mutet wie ein Ego-Shooter an. So müsste eine kongeniale Verfilmung von Postal oder „Grand Theft Auto" eigentlich aussehen. Auch sonst gibt es noch unzählige Zitate aus den Bereichen TV, Musikclips, Kino und Videospiele, wobei die Anspielungen keineswegs immer nur stilistischer Natur sind: Egal ob durchlöcherte Silikonbrüste, Polizeigewalt, ein Streik der Pornodarstellergewerkschaft oder I-Phones - auch thematisch ist die Popkultur omnipräsent.

    Der Brite Jason Statham (Bube, Dame, König, grAs, The Transporter, War, Schwerter des Königs, Bank Job), der neben Jet Li, Dolph Lundgren und Mickey Rourke der namhaften Besetzung des kommenden Sylvester-Stallone-Actioners The Expendables angehört, zählt neben Samuel L. Jackson und Vin Diesel zweifelsohne zu den coolsten Motherfuckern unter der Sonne. Diesem Harte-Schale-noch-härterer-Kern-Image tritt Statham nun auch mit „Crank 2“ alles andere als aggressiv entgegen. Wenn ihm die Kugeln um den Kopf surren oder neben ihm die Gehirne spritzen, entlockt ihm das nicht einmal mehr ein Schulterzucken. Als ebenbürtige Weggefährtin erweist sich die Chinesin Bai Ling (Dumplings, Southland Tales): Als vollkommen überdrehte, alles und jeden verfluchende Schlampe (Spitzname: „Cuntonese") lässt sie sogar Chev kurzzeitig sprachlos zurück. Amy Smart (Road Trip, Rat Race, Mirrors), die seit ihrem prominenten Auftritt in „Crank“ überraschend wenig größere Rollen an Land gezogen hat, ist als Chevs strippende Ex schlagfertiger und aufreizender als je zuvor. Als besonderes Schmankerl gibt es obendrauf noch ein Gastspiel von David Carradine (Hexenkessel, Kill Bill) als notgeiler Hundertjähriger, mit dem der Star der 70er-Jahre-Kultserie „Kung Fu" sein Image amüsant auf die Schippe nimmt.

    Fazit: „Crank“ war krank, „Crank 2: High Voltage“ ist noch eine ganze Ecke kränker. Doch der Film ist nicht einfach nur ein überdreht-hipper Jason-Statham-Actioner, sondern vor allem ein bis zum Bersten vollgestopftes Popkultur-Potpourri – und damit eine Art Action-Pendant zu Zack Snyders revolutionärer Comic-Verfilmung Watchmen.

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